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Ein Jahr Ukraine-Krieg: 7315 Geflüchtete in der Region

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Ein Jahr nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg sind 7315 Menschen aus der Ukraine in die Region geflohen, vor allem Frauen und Kinder. Hier berichten einige von ihnen, wie es ihnen seit der Flucht ergangen ist.

Geflüchtete aus der Ukraine.
Geflüchtete aus der Ukraine.  Foto: Soeren Stache/dpa

Oft flohen die Frauen und Kinder, die Männer bleiben zurück. Ukrainer im wehrfähigen Alter dürfen ihr Land nicht verlassen. Die Ausländerbehörde der Stadt Heilbronn hat 1867 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst. Davon sind bereits 198 wieder woanders hingezogen. Der Großteil der Geflüchteten aus der Ukraine ist privat untergebracht, knapp 500 leben in städtischen Unterkünften.

Im Landkreis Heilbronn sind insgesamt 3982 Personen angemeldet. Aktuell sind rund 265 Geflüchtete aus der Ukraine in den 33 Unterkünften des Landkreises untergebracht. Der Hohenlohekreis war Ziel von 1466 Menschen. 232 Schutzsuchende wurden in die vorläufige Unterbringung des Hohenlohekreises aufgenommen. Derzeit gibt es noch zwei Sammelunterkünfte, die nur für Ukrainer reserviert sind, darunter das ehemalige Krankenhaus in Künzelsau.


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Genau 7315. Das ist die Zahl der Menschen aus der Ukraine, die in der Region als Geflüchtete von den Behörden erfasst wurden. Dahinter verbergen sich 7315 Schicksale, Geschichten von Hoffnung, Angst, Heimweh und Dankbarkeit. Hier berichten Ukrainerinnen davon, wie es ihnen seit ihrer Ankunft im Raum Heilbronn und in Hohenlohe ergangen ist.

Zwei Mütter suchten ein wenig Ruhe für die Seele

Oksana Slavinska (links) und Julia Sokolska mit ihrer Tochter Mylana.
Oksana Slavinska (links) und Julia Sokolska mit ihrer Tochter Mylana.  Foto: Lisa Könnecke

Rund 18 Familien aus der Ukraine leben derzeit in Biberach. Manche sind bereits seit einem Jahr in dem Heilbronner Stadtteil, während andere erst vor kurzem dazugestoßen sind. So wie Julia Sokolska mit ihren drei Kindern und ihrem Ehemann oder Oksana Slavinska, deren Sohn und Bruder beide an der Front in der Ukraine kämpfen. Zuvor lebten die Frauen in Auffanglagern in Stuttgart und Moldawien.

Von der Initiative "Biberach hilft!" haben sie Kleidung, Fahrräder, Schulmaterial und andere Dinge gespendet bekommen. "Wir sind froh, hier zu sein und die Möglichkeit zu haben, normal zu leben", sagt Oksana Slavinska. Ein neues Leben in der Fremde zu beginnen, sei allemal besser als sich im Bunker vor Bomben verstecken zu müssen. Hier habe sie Ruhe für die Seele gefunden, auch wenn die Gedanken ständig um ihre Liebsten in ihrem Heimatland kreisten. Respekt hat die 51-Jährige vor der deutschen Sprache. Sie zu lernen, sei der erste Schritt, der nächste sei dann, eine Arbeit zu finden.


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31-Jährige: "Das Leben ist das Wichtigste"

Tetiana Arykova aus Saporischschja.
Tetiana Arykova aus Saporischschja.  Foto: Götz Greiner

Tetiana Arykova war überrascht und begeistert von der Hilfsbereitschaft, mit der sie in Deutschland empfangen wurde. Die sei bedingungslos gewesen, so ihre Erfahrung nach der Flucht: "Was wäre, wenn wir böse Menschen wären?" Doch die Frage haben sich all die Menschen nicht gestellt, die ihr und ihrer Tochter geholfen haben, erzählt die 31-Jährige auf Englisch. Deshalb möchte sie auch helfen.

Im Öhringer "Willkommenspunkt" unterstützt sie andere geflüchtete Ukrainer und hat zum Jahrestag des Kriegsbeginns eine Ausstellung mitorganisiert, in der sie ihre Geschichten erzählen. Arykova ist aus Saporischschja geflohen. Auf sie wurde mehrmals geschossen, erzählt sie. Seit vier Monaten besucht sie die Sprachschule und ist auf dem Weg, das Zertifikat A2 zu bekommen. Der Krieg habe ihr gezeigt, dass das einzig wichtige das eigene Leben und das der Familie ist. "Ich vermisse die Ukraine. Aber dort ist nichts mehr, wie es war. Alles ist zerstört." Das habe sie nach einem Jahr in Deutschland akzeptiert.

Ob Tetiana Arykova, die zehn Jahre lang beim ukrainischen Fernsehen gearbeitet hat, wieder zurückkehren will, weiß sie nicht. "Die Russen haben alles vermint, sogar Kinderspielsachen", berichtet sie. Sie will in Sicherheit leben.

41-Jährige hat ein Leben in Frieden gefunden

Kommt man bei Nataliia Kudinova zu Besuch, gibt es ukrainisches Gebäck.
Kommt man bei Nataliia Kudinova zu Besuch, gibt es ukrainisches Gebäck.  Foto: Müller, Katharina

Sie ist vor zwei Belastungen geflohen, berichtet Nataliia Kudinova aus Kiew. Zum einen vor dem Krieg und zum anderen vor der Trauer um ihre Mutter, die kurz vor den Angriffen aus Russland gestorben sei. Seit einem halben Jahr ist die 41-Jährige in Deutschland, kam im November nach Langenbeutingen. "Hier ist es sehr gut", übersetzt eine App ihre Erzählungen. Mit der deutschen Sprache tut sich Nataliia Kudinova noch schwer.

In Langenbeutingen sei sie gut aufgenommen worden. Sie lebt mit anderen Frauen in einem Haus. "Friedlich und freundschaftlich" bezeichnet sie das Verhältnis. Die Gemeinde hat der Ukrainerin Arbeit auf dem Rimmlingshof vermittelt. "Ich bin Hausmanagerin", sagt sie stolz und lacht. Spricht sie über ihre Heimat, wird die fröhliche Frau jedoch ernst. "Ich versuche, die Informationen wenig zu beachten." Freunde hielten sie auf dem Laufenden. Zurück wolle sie nur, wenn der Krieg aufhöre. Dass das bald passiere, glaube sie aber nicht.


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23-Jährige in Öhringen mit Mutter und Schwester wiedervereint

Anastasiia Akymenko ist in Öhringen wieder mit Mutter und Schwester vereint worden.
Fotos: Greiner
Anastasiia Akymenko ist in Öhringen wieder mit Mutter und Schwester vereint worden. Fotos: Greiner  Foto: Götz Greiner

Innerhalb eines Jahres hat Anastasiia Akymenko so gut Deutsch gelernt, dass sie ihre Geschichte in dieser Sprache erzählen kann. Wenige Tage nach Kriegsbeginn ist sie aus Kiew geflohen und musste ihren Freund zurücklassen. Über Polen und Sachsen ist sie nach Öhringen gekommen. Privatleute haben sie kostenlos mitgenommen. Hier hat die 23-Jährige erst zwei Monate bei einer Familie in Michelbach am Wald gewohnt und dann über das evangelische Jugendwerk eine Unterkunft bekommen.

Ein Helfer aus Künzelsau hat ihr die Familie in Michelbach vermittelt. "Sie haben mir geholfen, Dokumente und eine Bankkarte zu bekommen. Und sie haben mir Geld gegeben, bevor ich Sozialleistungen bekommen habe." Jetzt hilft sie, humanitäre Hilfe für die Ukraine zu organisieren. Im März sind auch ihre Mutter und Schwester nach Öhringen gekommen. Ob sie wieder zurück will, kann sie nicht sagen: "Der Krieg läuft noch. Ich weiß nicht einmal, was ich nach meinem Deutschkurs mache", sagt Akymenko.

44-jährige Erzieherin spürt Gefühl voller Dankbarkeit

Galina Slabon aus Frankenbach.
Galina Slabon aus Frankenbach.  Foto: privat

"Angenehm ist am Gegenwärtigen die Tätigkeit, am Künftigen die Hoffnung und am Vergangenen die Erinnerung." Ein Zitat des Philosophen Aristoteles kommt Galina Slabon in den Sinn. Sie spricht von "365 Tage Entsetzen, Hoffnung, Enttäuschung, Trauer und Dankbarkeit" von einem Jahr, "das wie ein Albtraum vorbeihuschte" und doch alles veränderte. Gleichzeitig freut sie sich über die große Solidarität, die ihr Kraft gebe, "die mich immer wieder aus der Tiefe heraufholte, mit der Energie erfüllte, um weiterzumachen".

Die 44-jährige Erzieherin kam vor 20 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland. Mit Ausbruch des Krieges hat sie mit Ehemann Martin und anderen Ehrenamtlichen ein Hilfsnetz geknüpft, Spenden gesammelt und dabei viele Menschen ins Herz geschlossen, bei denen sie sich hier bedanken möchte: bei der Frau, die ihr spontan Blumen schenkte, bei Schülern, Lehrern und Eltern der Grundschule, bei Firmen, bei der Kirchengemeinde Sankt Johannes in Frankenbach, die ihr Gemeindehaus zur Verfügung stellte, das zu einer Begegnungsstätte wurde. Dort wurde und wird geholfen, gesammelt, verteilt, empfangen, getröstet, "dort haben wir Arztberatungen und Infoabende organisiert" und Hilfstransporte auf den Weg gebracht.


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32-Jährige plagt Ungewissheit und Heimweh

Inna Kopanytsia und Tochter Nadija: Die Familie ist in Affaltrach untergekommen.
Inna Kopanytsia und Tochter Nadija: Die Familie ist in Affaltrach untergekommen.  Foto: Kümmerle, Jürgen

Inna Kopanytsia flüchtet aus der Ukraine, kurz nachdem der Krieg begann. "Als die ersten Bomben auf Dnipropetrowsk fielen, haben wir Rucksäcke gepackt und sind zuerst in die Westukraine geflohen", sagt die 32-Jährige. Gemeinsam mit ihrem Mann Alexander (33), dessen Mutter Alexandra und der dreijährigen Tochter Nadija flieht sie über Moldawien und Rumänien nach Obersulm-Affaltrach. Dort kommt sie zunächst bei Verwandten unter. Elf Menschen hätten sich damals eine 70 Quadratmeter große Wohnung geteilt.

Mittlerweile lebt sie mit Mann, Tochter und Schwiegermutter bei einem Witwer in Affaltrach. "Er ist sehr nett und spielt oft mit unserer Tochter." Ihre Eltern und ihr Bruder leben nach wie vor in der Ukraine. Kopanytsia spricht mittlerweile sehr gut deutsch. Ihre Tochter möchte aber wieder zurück in die Ukraine. Und sie eigentlich auch. Beide haben Heimweh. "Aber so lange ich nicht weiß, wie lange der Krieg geht, möchte ich hier arbeiten."

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