Dorfbäcker von Siegelsbach bleibt noch mindestens sieben Jahre in Haft
Nach 15 Jahren im Gefängnis verlängert das Landgericht die Strafe nach dem Raubmord im Jahr 2004 auf 22 Jahre. Als Gründe nennen die Richter Gefährlichkeit und eine fehlende Aufarbeitung der Tat bei dem 62-Jährigen. Das heißt: Sieben weitere Jahre bleibt er hinter Gittern. Mindestens.

Juristischer Paukenschlag in einem besonderen Kriminalfall: Der Siegelsbacher Bäcker B., der wegen eines Raubmords und zweier Mordversuche in der Siegelsbacher Sparkassenfiliale 2008 vom Stuttgarter Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, kommt nach 15 Jahren hinter Gittern nicht auf freien Fuß.
Anwältin hat gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt
Wie das Heilbronner Landgericht auf Stimme-Anfrage mitteilte, hat die Große Strafvollstreckungskammer eine Strafaussetzung zur Bewährung für den heute 62-Jährigen abgelehnt. Die besondere Schwere der Schuld, die das Gericht im Urteil festgestellt hatte, gebiete eine Vollstreckung von mindestens 22 Jahren Haft, teilt Gerichtssprecher Lutz Hils aus dem Richterbeschluss mit.
Das heißt: Nach 15 Jahren Haft kommt für den früheren Dorfbäcker ein Nachschlag von sieben Jahren obendrauf. Gegen diese Entscheidung hat B. mit seiner Anwältin sofortige Beschwerde eingelegt.
Erst Freispruch, dann lebenslang: In zwei Prozessen wurde die Bluttat aufgerollt
Die Tat vom Oktober 2004 hatte die Region aufgewühlt, nicht nur in Siegelsbach fieberten die Menschen bei zwei Indizienprozessen mit. B. stritt die Tat ab, vor dem zweiten Urteil schwor er sogar "bei Gott", dass er nicht der Täter sei. Die vielen Indizien waren für das Stuttgarter Landgericht indes eindeutig. Nicht nur, dass der Bäcker hoch verschuldet war und bei ihm in Verstecken rund 20.000 Euro gefunden wurden. Ermittler fanden eine Teil-DNA des niedergeschlagenen Bankangestellten in seinem Auto. Ein Sohlenabdruck in einer Blutlache am Tatort passte zu einem seiner Stiefel. Und: Ein niedergeschossener Bankkunde, der überlebte, identifizierte B. eindeutig als Täter. In der Bank hatte der Täter die Ehefrau des Kunden kaltblütig erschossen und war mit rund 33.000 Euro Beute geflohen.
Jetzt weitere sieben Jahre Haft für den verurteilten Mörder, der im vieldiskutierten ersten Prozess in Heilbronn vom Landgericht noch freigesprochen wurde. Es war ein wackeliges Urteil, das der Bundesgerichtshof ein Jahr später aufhob. Frühestens mit 69 Jahren würde B. nun in Freiheit kommen, wenn das Oberlandesgericht Karlsruhe die Verlängerung der Haftdauer bestätigt.
Das will die neue Anwältin des Bäckers aus dem Raum Karlsruhe verhindern. Was ihr Ziel ist? Für eine Stellungnahme war sie gestern wegen Auswärtsterminen nicht erreichbar, hieß es in der Kanzlei.
Staatsanwalt: Behörde hatte sogar zehn Jahre Haftzuschlag gefordert
Die Heilbronner Strafvollstreckungskammer begründet den weiteren Vollzug nach 15 Jahren Gefängnis mit zwei entscheidenden Punkten. Zum einen stimme sie mit dem Sachverständigen überein, dass die Gefährlichkeit B.s fortbestehe. Die Richter verwiesen auf seine Persönlichkeit "mit dissozialen, narzisstischen und impulsiven Zügen mit Tötungsdisposition". Zudem bestreite der 62-Jährige die Tat nach wie vor, eine Aufarbeitung oder therapeutische Weiterentwicklung habe nicht stattgefunden. Die besonders erbarmungslose Brutalität und Skrupellosigkeit der Tat hätten bei der Schwere der Schuld eine Rolle gespielt. Aber: Schuldmindernd habe sich das überwiegend beanstandungsfreie Verhalten des Verurteilten im Gefängnis ausgewirkt.
Martin Renninger war damals Staatsanwalt in den Prozessen. Seine Behörde hatte sogar weitere zehn Jahre Mindestverbüßungszeit gefordert. Man akzeptiere die Entscheidung des Gerichts. Ohne Aufarbeitung einer solchen Tat sei eine Entlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen. Renninger ist nach wie vor von der Schuld des Bäckers fest überzeugt. Warum er seine Tat nicht aufarbeite, um in Freiheit zu kommen? Man wisse nie, in welchen Zwängen jemand stecke, eine Schuld einzuräumen oder von sich zu schieben.
Siegelsbachs Bürgermeister Tobias Haucap ist seit 2018 im Amt. Der Fall sei zuletzt kein großes Thema mehr im Ort gewesen. Geredet werde sicher über diese neue Wende. Er glaubt aber nicht, dass es emotional ein neues Entfachen gibt. Den Haftzuschlag bewerten, maßt Haucap sich nicht an. Er habe "Vertrauen in unsere Gerichte".
Kommentar: Konsequent
Nach 15 Jahren Haft für eine brutale Mordtat und zwei Mordversuche erhält der Siegelsbacher Bäckermeister B. noch mal sieben Jahre obendrauf. Das klingt erst einmal nach viel. Das deutsche Rechtssystem sieht bei Lebenslang-Urteilen aber nach 15 Jahren generell vor, dass eine mögliche Bewährung erst einmal geprüft werden muss.
Und wenn ein Täter für eine besonders verwerfliche oder brutale Tat mit einer besonders schweren Schuld verurteilt worden ist, dann ist eh die Regel, dass nach 15 Jahren keine Entlassung stehen kann. Dann legt die zuständige Vollstreckungskammer eine weitere Mindesthaftdauer fest, der vielzitierte Nachschlag für besondere Grausamkeit.
Der 62-Jährige hat die Zusatzstrafe mit zu verantworten. Sie ist hoch, aber konsequent. Keine Aufarbeitung der Tat, keine Reue, keine Einsicht in die eigene Schuld – das wiegt schwer. Richter müssen genau prüfen, ob ein Verurteilter weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit ist.
15 Jahre unschuldig hinter Gittern? Das ist nach der akribischen Beweisaufnahme nicht plausibel. Zu erdrückend waren die belastenden Indizien und auch Zeugenaussagen wie die der früheren Verlobten. So viele Zufälle, die auf B.s Täterschaft hindeuten, kann es nicht geben.
Er hat es selbst in der Hand, wie bald er noch einmal in Freiheit kommt. Bleibt der 62-Jährige bei seiner Haltung, droht vielleicht ein weiterer Nachschlag. Mindestverbüßungszeit heißt eben auch: In rund sechs Jahren werden sein Fall und eine mögliche Freilassung erneut geprüft – Ausgang offen. Eine Kriminalstatistik zeigt: Im Schnitt waren zu lebenslanger Haft Verurteilte in Deutschland zwischen 2002 und 2015 18,9 Jahre im Gefängnis. 13 Prozent saßen indes länger als 25 Jahre.

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