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Ein Überlebender denkt täglich an den Banküberfall von Siegelsbach

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Der Raubmord des früheren Bäckers von Siegelsbach ist im Ort immer noch Thema. Vor allem Auswärtige haben teilweise makabere Fragen. Vor genau 10 Jahren hatte der Bundesgerichtshof das Lebenslänglich-Urteil bestätigt.

Von Simon Gajer
Während des Prozesses kam das Heilbronner Landgericht zu einem Vor-Ort-Termin nach Siegelsbach. Mittlerweile gehört die Immobilie der Gemeinde. 
Foto: Archiv/Veigel
Während des Prozesses kam das Heilbronner Landgericht zu einem Vor-Ort-Termin nach Siegelsbach. Mittlerweile gehört die Immobilie der Gemeinde. Foto: Archiv/Veigel  Foto: Veigel

Ein Bäcker hat im Oktober 2004 die Sparkassen-Filiale in Siegelsbach überfallen, eine Frau erschossen und zwei Männer lebensgefährlich verletzt: Am 9. Dezember 2008 hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil des Landgerichts Stuttgart bestätigt. Lebenslänglich muss der Mann im Gefängnis bleiben.

Für die Juristen ist der Fall abgeschlossen, für einen der beiden Überlebenden immer noch nicht. Auch 14 Jahre nach dem Überfall. Auch zehn Jahre nach der BGH-Bestätigung.

Der Überlende kann nachts nicht schlafen

Hermann C. hat beim Raubmord seine Ehefrau Gisela verloren. Er war mit ihr damals in der Bank und überlebte einen Genickschuss des Täters. Knapp. "Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden", sagt der Rentner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Bei ihm sei das nicht so. "Ich muss jeden Tag daran denken", erzählt Hermann C., der weiterhin im Kraichgau lebt. Nachts sei es besonders schlimm. "Ich schlafe schlecht." Auch der Bankangestellte, der an diesem Nachmittag in Siegelsbach Dienst hatte, überlebte. Gegenüber unserer Redaktion will er sich nicht äußern.

Die Sparkassen-Filiale ist verschwunden

Die Gemeinde hat die ehemalige Bank gekauft und umgebaut. Ein Bäcker betreibt dort mittlerweile ein beliebtes Café. Kunden von auswärts haken immer mal wieder nach, ob das der Tatort sei.
Foto: Simon Gajer
Die Gemeinde hat die ehemalige Bank gekauft und umgebaut. Ein Bäcker betreibt dort mittlerweile ein beliebtes Café. Kunden von auswärts haken immer mal wieder nach, ob das der Tatort sei. Foto: Simon Gajer  Foto: Gajer, Simon

Die Sparkassen-Filiale in der Ortsmitte ist Geschichte, die Gemeinde kaufte den Flachbau und baute ihn um. Eine Bäckerei aus einem anderen Ort betreibt nun darin eine Filiale und ein Café. Dessen Außenbereich ist im Sommer ein beliebter Treffpunkt. "Mach mal Pause und genieße" steht an dem schmalen Häuschen, das seinen Platz an der Ortsdurchfahrt zwischen katholischer und evangelischer Kirche hat.

Neugierige, die sich nach dem Raubmord erkundigen, gebe es gelegentlich immer noch, sagen zwei Bäckereiangestellte. Auswärtige seien es, die immer mal wieder reinkämen und fragten: War das die Bank?

Die Neugierde nimmt stellenweise fast schon makabere Züge an. Es gebe sogar Kunden, sagen die Bäckerei-Frauen, die würden es ganz genau wissen wollen: Wo war das alles?

An die Bankgeschäfte erinnert 14 Jahre nach der Tat nichts mehr. Der Eingang ins Häuschen wurde versetzt. In jenem Bereich, in dem früher ein Automat stand, befinden sich nun unter anderem ein Getränkeautomat sowie ein Regal, auch Tische sind aufgestellt.

Die ehemalige Bäckerei des Verurteilten ist noch vorhanden

Die Bank ist aus dem Ortsbild verschwunden, der Name des verurteilten Bäckers nicht. An seiner einstigen Filiale werben in den Fenstern weiterhin verblasste Werbebanner für ihn und sein Handwerk. Im Verkaufsraum steht noch immer die Theke mit der Glasfront, angebracht sind sogar die Ablagen für Einkaufskörbe oder Handtaschen.

Nur der Staub und der Schmutz auf den Fliesen und aufgetürmtes Mobiliar lassen erahnen, dass in diesen Räumen weder Brötchen noch Brezeln verkauft werden.

Dass der Schriftzug mit dem Namen noch immer hängt, löst bei Siegelsbachern unterschiedliche Reaktionen aus. "Ich sehe es zwar, nehme es aber nicht zur Kenntnis", sagt einer.

Ein anderer, der einen näheren Bezug zum Verurteilten hat und ihn seit vielen Jahrzehnten kennt, sieht das anders. Er nehme den Namen gerade deshalb immer wieder wahr. Er wünscht sich, dass sich die Fassade ändere. "Der Schriftzug ist überholt."

Der Name des Bäckers ist schon lange nicht mehr gefallen

Viele Siegelsbacher haben mit dem Überfall abgeschlossen. "Ich habe den Namen des Bäckers schon lange nicht mehr gehört", heißt es bei Personen, die im Ort vernetzt sind. Doch die Bürger wissen, dass das überregionale Interesse vorhanden ist. Ihren Ortsnamen verbinden manche Auswärtige nur mit dem Banküberfall.

Das merken beispielsweise Mitglieder in Vereinen. Einzelne werden von Arbeitskollegen nach dem Verbleib des Bäckers ausgehorcht. Auch Bürgermeister Tobias Haucap, der Anfang des Jahres das Amt übernahm, registriert, dass es Auswärtige seien, die zum Raubmord nachfragen.

Bürgermeister sagt: Das Thema habe der Ort gut verarbeitet

Haucap merkte es an seiner vorherigen Arbeitsstelle in Heilbronn: Da konnten Kollegen mit der Gemeinde nur den Überfall verbinden. "Hier vor Ort ist das Thema gut verarbeitet." In persönlichen Gesprächen sei das mit ihm nicht thematisiert worden.

Die Erinnerungen sind dennoch da. Ein Siegelsbacher erzählt vom letzten Aufeinandertreffen mit dem Bäcker und an sein Grüßen nur wenige Stunden vor dem Überfall. Auch die letzte Tüte mit Brezeln, die er vom Bäcker erhielt, blieb im Gedächtnis. Zwei Fragen stellt sich der ältere Siegelsbacher: Ob der Bäcker jemals aus dem Gefängnis kommt. Und ob er dann wieder zurückkommt. "Für ihn ist es nicht wünschenswert. Für die Gemeinde auch nicht."

Mehr zum Thema: Wie lang der Bäcker hinter Gittern bleibt, wird 2020 geprüft

 
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