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Ärzte verzweifeln an digitalen Vorgaben

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Daten sind wichtig für die medizinische Versorgung, doch Deutschland fehlt es an einem gut funktionierenden System zur Erfassung. Bei der Einführung der digitalen Infrastruktur in Praxen beklagen Ärzte aus der Region erhebliche Komplexität.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen muss kommen, denn sie kann die Versorgung verbessern: Das formulierte der Corona-Expertenrat in seiner Stellungnahme für die Bundesregierung - und das sehen auch die großen Standesvertretungen der Ärzte im Wesentlichen so.

"Wir sind schon für eine digitale elektronische Vernetzung, aber sie muss sinnvoll sein", sagt Frank Hofmann, Vorstand der Ärztevertretung Mediverbund AG in Stuttgart.

Die Ärztevertretung Mediverbund hat Bedenken bei IT-Sicherheit und Datenschutz

Die Technik, mit der das Gesundheitswesen sicher vernetzt werden soll, die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI), funktioniere jedoch nicht. Vor allem bei der IT-Sicherheit und dem Datenschutz habe sein Verbund erhebliche Bedenken, so Hofmann. Mit einer Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart scheiterte Medi jetzt jedoch in erster Instanz.


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Meinung: Prozesse auf den Prüfstand


Der Verbund hatte im Namen seiner Mitglieder versucht, eine Honorarkürzung für Ärzte abzuwenden, die bisher keine Konnektoren in ihren Praxen installiert haben. Mit Hilfe dieser Hardware, einer kleinen Box, kann die elektronische Patientenakte (ePA) eingelesen und Daten können digital gespeichert und ausgetauscht werden.

Doch auch Ärzte, die das System bereits installiert haben und der Digitalisierung eigentlich aufgeschlossen gegenüberstehen, beklagen erhebliche Mängel. "Wir sind gezwungen, Sachen zu machen, die nicht durchdacht sind", sagt der Neckarsulmer Orthopäde Boris Brand. Das System sei derart kompliziert, dass ihm selbst sein IT-Dienstleister nicht alle Fragen zur Umsetzung in seiner großen Gemeinschaftspraxis beantworten könne. "Niemand kann mir sagen, wie es konkret laufen soll mit sechs Ärzten und acht Behandlungzimmern."

Prozesse funktionieren nicht, Fristen werden immer wieder verschoben

Hinzu kommt ein Chaos bei Funktionen wie der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Die Abläufe sollten eigentlich seit einem Jahr funktionieren. Aber nach vielen Schwierigkeiten, auch mit der Übermittlung an die Krankenkassen, ist die Übergangsfrist nun noch einmal bis Ende Juni verlängert worden. Bis dahin können Ärzte weiter den "gelben Schein" auf Papier ausstellen.

Brand sagt, er werde erst mit der digitalen Ausstellung beginnen, wenn das sicher und ohne Systemausfälle für alle Patienten möglich sei. "Ich würde das gern machen, wenn es funktionieren würde." Faktisch sei die Kommunikation mit einigen Kassen jedoch noch nicht fehlerfrei möglich. "Ich kann nicht bei jedem Patienten überprüfen, ob er bei einer Kasse versichert ist, mit der die eAU schon klappt."

Nur jeder fünfte "gelbe Schein" wird digital übermittelt

Bei der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) in Heidenheim an der Brenz mit einer Million Versicherten funktioniert die eAU zwar, jedoch kommt bisher nur jeder fünfte gelbe Schein digital an. Dass die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen kaum vorankommt, liege an starren Vorgaben, meint IT-Bereichsleiter Christian Ullrich.

So stehen die Vorgaben für die ePA-App im Sozialgesetzbuch, Spielraum für weitere Funktionen gibt es nicht. "Wir sind das einzige Land der Welt, das einen Produktentwicklungsplan ins Gesetz schreibt", sagt Ullrich. Bedürfnisse der Nutzer könnten dadurch keine Rolle spielen.

ePA kaum bekannt

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom wollen drei Viertel der Deutschen die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. Ihre Gesundheitsdaten anonym für die Forschung zur Verfügung stellen, wollen zwei Drittel der Teilnehmer. Allerdings wurde die Hälfte der Befragten noch nicht über die Anwendung informiert, weder von ihrem Arzt noch von der Krankenkasse. Weniger als ein Prozent nutzen sie bereits. Rund ein Fünftel lehnt die digitale Patientenakte ab. 

 

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