Meinung: Prozesse auf den Prüfstand
Die mangelhafte Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ist ein großes Hindernis, argumentiert unsere Kommentatorin.
Die Digitalisierung in der Medizin wurde jahrelang vor allem von den Problemen her gedacht. Eines der Hauptargumente der Zweifler: Patienten könnten stigmatisiert oder erpressbar werden, wenn sensible, "irgendwo" gespeicherte Gesundheitsdaten in falsche Hände gelangen. Das Argument taugte vielfach als Vorwand, um die Digitalisierung grundsätzlich abzulehnen.
Die Pandemie zeigt nun, was Bedenkenträgerei und Mutlosigkeit bewirkt haben: Deutschland ist nicht in der Lage, für die Versorgung wichtige Daten, zum Beispiel zur Impfung, zeitnah zu erheben und zu verarbeiten. Zusätzlich zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die digitale Anbindung von Arztpraxen in der angedachten Form ein Rohrkrepierer ist. Die Technik, die genutzt werden soll, ist bereits bei der Einführung veraltet, störanfällig und so komplex, dass selbst gutwillige Mediziner verzweifeln.
Kassenärzte-Vertreter haben sich in Sachen Digitalisierung selbst nicht mit Ruhm bekleckert. Lange zählten sie zu den Blockierern, wollten ihre Partikularinteressen durchsetzen. Inzwischen muss man Kassenärzte-Chef Gassen beipflichten: Das System muss auf den Prüfstand. Womöglich ist es besser, es jetzt zu stoppen und ordentlich neu aufzusetzen, als noch mehr Zeit und Geld in etwas zu investieren, das erkennbar untauglich ist.


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