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Digitalisierung der Medizin kommt nicht voran

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Das E-Rezept ist vorerst gestoppt, die elektronische Patientenakte wird nicht nachgefragt. Mediziner aus der Region berichten von technischen Hürden, die SLK-Kliniken von fehlenden Komponenten.

Eigentlich sollte das E-Rezept die Zettelwirtschaft zwischen Arzt, Patient und Apotheke beenden. Doch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den flächendeckenden Start der Anwendung verschoben, weil die technischen Voraussetzungen noch nicht überall erfüllt sind. Es seien "schlicht zu viele Player involviert". Das mache jede Änderung langwierig und kompliziert, sagt Johannes Fechner, Vize-Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Land.

Seit 2021 gibt es die elektronische Patientenakte

Das E-Rezept ist nicht die einzige Anwendung, bei der es hakt. Die elektronische Patientenakte (ePA) ist zwar seit einem Jahr eingeführt und seit 2022 auch theoretisch mit weiteren Funktionen versehen. Allerdings fragten Patienten die ePA kaum nach, sagt ein KV-Sprecher. "Der Mehrwert wird vom Patienten bisher nicht angenommen." Patienten haben seit Mitte 2021 einen Anspruch darauf, dass der Arzt Dokumente wie Befunde oder Arztbriefe elektronisch an sie weitergibt, seit 2022 umfasst das auch das Zahnbonusheft oder den Impfpass. Allerdings müssen sie zuvor einige technische Hürden überwinden und zum Beispiel eine neue Versichertenkarte mit elektronischer Schnittstelle beantragen. Der Prozess sei wohl für viele zu aufwendig, so der Sprecher weiter.


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Schlimm sei, dass viele Unternehmen in der Region sich nicht mit der Digitalisierung auseinandersetzen, findet unser Autor.
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"Die Probleme mit der IT sind der Wahnsinn"


Zahnarzt Peter Fuchs hält die Handhabung für zu komplex

Zahnarzt Peter Fuchs aus Neckarsulm sagt, innerhalb des Praxisteams hätten sie die Übertragung digitaler Daten auf die ePA schon eingeübt, "wir könnten theoretisch sofort loslegen", allerdings sei die Funktion bisher nicht gefragt gewesen. Für den Patienten ist es nach Fuchs" Meinung "absolut sinnvoll", über seine Daten verfügen zu können, "zum Beispiel bei einem Praxiswechsel". Er bemängelt jedoch, dass die vorgesehenen Prozesse zwar "supersicher" aber so komplex seien, dass sie niemand verstehe, "der nicht absolut technik-affin ist".

Auch der Heilbronner Kardiologe Jürgen Münch sagt: "Wir müssen digitalisieren, aber das ist alles noch sehr holprig." Das Verfahren beim E-Rezept etwa habe den Zeit- und Ressourcenverbrauch sogar erhöht. Bis sich alle den QR-Code für das Rezept auf ihr Handy übertragen ließen, müsse dieser ausgedruckt werden - großformatig, auf Papier.

Der Neckarsulmer Hausarzt Tobias Neuwirth berichtet von gravierenden Problemen bei der technischen Umsetzung der ePA. Das System sei enorm störungsanfällig, Kartenlesegeräte seien seit Monaten nicht lieferbar und die IT-Dienstleister überlastet angesichts des großen Unterstützungsbedarfs in Praxen.

Die SLK-Kliniken warten noch auf Schnittstellen

Probleme gibt es auch in den Kliniken. Der SLK-Verbund habe die technische Infrastruktur für E-Rezept und ePA aufgebaut, für die Umsetzung fehlten jedoch noch erweiterte Funktionen im digitalen Krankenhausinformationssystem, teilt SLK mit. "Grundsätzlich geht es um den Nutzen für Patienten. Der ist erst gegeben, wenn die Funktionsweise des E-Rezepts ausreichend geprüft ist und flächendeckend funktioniert", sagt ein Sprecher.


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Meinung zur Digitalisierung im Gesundheitsbereich: Verfahrene Lage


Die Wertung der Krankenkasse Barmer fällt positiv aus

Eine positive Wertung kommt dagegen von der Krankenkasse Barmer. Die ePA ermögliche es, medizinische Dokumente sicher und dauerhaft zu speichern und vor Verlust zu schützen. "Jetzt kommt es darauf an, dass sich alle Ärzte, Kliniken und Therapeuten anschließen, damit die ePA ihr volles Potenzial entfalten kann."

Fragwürdig

Ein Sprecher der Verbraucherzentrale im Land sieht viele Probleme bei der ePA. Das System sei aufwendig, Datenschutz und Sicherheit seien fragwürdig, sagt er. Durch die jahrelangen Verzögerungen sei das Image der ePA außerdem schlecht. "Dieses Herumlaborieren erweckt nicht den Eindruck, es sei ein gutes Produkt, das jeder haben muss." 

 

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