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Die Corona-Krise hat Hotels in der Region voll getroffen

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Auch Hotels in Heilbronn und Umgebung mussten von einem Tag auf den anderen schließen. Schaffen sie es noch, sich finanziell über Wasser zu halten? Erfahrungsberichte über eine dramatische Situation in der manchen nichts bleibt, als zu hoffen.

Die Rollläden der Zimmer sind heruntergelassen − seit Anfang März ruht der gesamte Betrieb im Insel Hotel in Heilbronn. Viele andere Häuser erleben derzeit das selbe Schicksal. Foto: Mario Berger
Die Rollläden der Zimmer sind heruntergelassen − seit Anfang März ruht der gesamte Betrieb im Insel Hotel in Heilbronn. Viele andere Häuser erleben derzeit das selbe Schicksal. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

"Soll ich gleich anfangen zu heulen", sagt Emina Peric (49) traurig am Telefon. Die Pächterin des Hotels Urbanus an der Heilbronner Urbanstraße erklärt klipp und klar: "Wenn es noch zwei, drei Monate so weitergehen sollte wie jetzt, dann mache ich den Laden dicht. Dann kann ich mich nicht mehr halten. Ich verdiene mit den Monteuren, die im Haus sind, nicht mal die Stromkosten." 60 Betten hat das Zwei-Sterne-Hotel.

Seit der Corona-Pandemie ist die Situation in der Hotellerie dramatisch. Die meisten Übernachtungsbetriebe in der Stadt und im Landkreis Heilbronn haben geschlossen, viele Unternehmen haben für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet.

Zeit für einen gründlichen Frühjahrsputz

So wie das Insel Hotel in Heilbronn. "Nur noch die Geschäftsleitung und die Verwaltung arbeiten aktuell", sagt Patricia Mayer. Seit Anfang März sind das Schwäbische Restaurant geschlossen und der Hotelbetrieb mit seinen 125 Zimmern und Suiten eingestellt: "Dass unser Haus von heute auf morgen zu ist, das habe ich noch nie erlebt. Das leere Haus tut weh", zeigt sich die Geschäftsführerin schockiert. Genutzt wird die freie Zeit zu einem "gründlichen Frühjahrsputz". Begleitet werden diese Arbeiten von der Hoffnung, dass "es einen Fahrplan gibt, wer wann wieder öffnen darf und dass wieder Normalität einkehrt".

Herrscht Normalität erst wieder im Herbst?

Beinahe-Normalität herrscht im Harbr Hotel im Heilbronner Zukunftspark. "Wir haben geöffnet und etwa 20 Prozent unsrer 127 Zimmer sind belegt", sagt Sebastian Huber. Jeder Übernachtungsgast musste ein Formular ausfüllen, mit dem bestätigt wird, dass er geschäftlich unterwegs ist. In der momentan schweren Zeit hilft dem Harbr Hotel nach den Worten des Hoteldirektors der "hervorragende Umsatz" während der Bundesgartenschau. Persönlich glaubt Sebastian Huber, dass "nicht vor September wieder Normalbetrieb herrscht".

Ganz nach dem Motto außergewöhnliche Umstände erfordern kreative Maßnahmen denkt Michael Aritsch vom Mercure Hotel am Heilbronner Bollwerksturm darüber nach, einige der 136 Zimmer als Tages-Homeoffice anzubieten. In Großstädten hat sich dieses Geschäftsmodell bereits etabliert. "Hier lässt sich besser in Ruhe arbeiten als zuhause, wo es doch viele Ablenkungen gibt", erklärt der Hoteldirektor diese Alternative.

Nachdenklich macht Aritsch die Frage, ob angesichts der vielen Video-Konferenzen und des Homeoffice Konferenzräume in Hotels je wieder wie vor der Corona-Krise gebucht werden? Seine Umsatzeinbußen aufgrund ausbleibender Restaurant-, Bar- und Übernachtungsgäste beziffert er auf "etwa 95 Prozent".

Mit Hinweisen wie beispielsweise im Hotel Central am Heilbronner Hauptbahnhof machen Übernachtungsbetriebe auf die aktuelle Situation aufmerksam. Foto: Mario Berger
Mit Hinweisen wie beispielsweise im Hotel Central am Heilbronner Hauptbahnhof machen Übernachtungsbetriebe auf die aktuelle Situation aufmerksam. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Viele Betriebe sind finanziell auf Naht genäht

"Wir brauchen eine klare Strategie von der Politik, wie es weitergehen soll", fordert Knut-Philip Möller vom Hotel Neues Tor in Bad Wimpfen eine Perspektive. In der Karwoche hat der Hoteldirektor die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Um sich finanziell ein wenig über Wasser zu halten, bietet das 50-Zimmer-Haus einen Liefer- und Abholservice von Speisen an. Die Krise, glaubt Möller, wird 50 Prozent plus X der Gastronomiebetriebe das Genick brechen: "Fast alle sind doch finanziell auf Naht genäht."

Staatshilfen werden zu langsam gewährt

Seit 111 Jahren ist die Villa Waldeck in Eppingen in Familienbesitz. Seit März hat das Hotel komplett geschlossen: "Am 1. März hatten wir 890 Buchungen, Ende März sind wir mit 149 Buchungen aus dem Rennen gegangen", sagt Geschäftsführer Uwe Krepp. Um pro Monat null auf null rauszukommen, braucht er 77.000 Euro. Seine Mitarbeiter hat er bis auf die Azubis in Kurzarbeit geschickt. Geld aber hat er noch keines gesehen. Er beklagt die "zu langsame Hilfe". Inständig hofft Krepp, dass mit der Krise "das Lebenswerk Villa Waldeck nicht den Bach runtergeht".

"Ich bete, dass im Mai wieder was geht", gibt sich Diana Hoffmann, Inhaberin des Hotel-Restaurants Herzogskelter in Güglingen, optimistisch. Sie sagt aber auch: "Sollten die Beschränkungen länger dauern, dann wird es eng. Im Juni können wir die Löcher kaum noch stopfen." Buchungsanfragen für die 32 Zimmer lägen derzeit bei null: "Es ist für die Branche lebenswichtig, dass die Gäste wiederkommen."

Die Branche im Überblick

In Deutschland gab es 2019 rund 51.200 Beherbergungsbetriebe, in denen 495 Millionen Übernachtungen registriert worden waren. Der Umsatz lag bei etwa 33,6 Milliarden Euro, 2009 waren es noch 19 Milliarden Euro gewesen. Für 2020 rechnete der Hotelverband mit einem Umsatz von 35,1 Milliarden Euro, eine Zahl, die wegen der Corona-Krise bei weitem nicht erreicht werden wird.

Die Gesamtanzahl der klassifizierten Hotelbetriebe in Deutschland betrug Anfang Januar 2019 rund 8000 Hotels. Mit 4743 sind die meisten dieser Hotels mit drei Sternen klassifiziert worden. Vier Sterne erhielten 2637 Häuser, fünf Sterne wurden 124 Hotel zuerkannt. 


Kommentar "Extremsituation"

Die Hotel- und Gastronomiebranche steht vor dem Kollaps. Vor allem kleine Betriebe haben auf lange Sicht keine Chance, ihre Fixkosten zu decken. Ein Abendessen, das jetzt ausfällt, wird im Herbst nicht doppelt nachbestellt. Und das Bierchen um die Ecke fällt genauso weg - in einigen Fällen vielleicht für immer.

Nach dem eher mauen Wintergeschäft fehlt es an finanziellen Rücklagen, um Ausfälle aufzufangen. Hinzu kommt, dass massiv das Neugeschäft weggebrochen ist. Buchungen gibt es fast nicht mehr. Das Coronavirus stellt Hotels, Restaurants, Besen und Biergärten - aber eben nicht nur diesen Wirtschaftszweig - vor eine harte Prüfung.

Abhol- und Lieferdienste reichen der Hotellerie und Gastrobranche zum Überleben auf Dauer sicher nicht. Kein Gastronom plant mit dem Risiko eines 100-prozentigen Umsatzrückgangs. So gesehen greifen die vom Staat angeordneten Rettungsmaßnahmen wohl zu kurz. Neben Kurzarbeitergeld wird der Bund aller Voraussicht nach nicht umhinkommen, für einen gewissen Zeitraum auch Steuererleichterungen zu beschließen.

Und die Gastro-Szene sollte darüber nachdenken, einen Pandemiezuschlag zu erheben. 50 Cent oder einen Euro wäre fast jeder Gast gerne bereit, zu bezahlen. Es geht schließlich um Arbeitsplätze. Laut Dehoga gibt es in Baden-Württemberg rund 140.000 angestellte Teil- und Vollzeitkräfte im Gaststätten- und Hotelgewerbe.

Bei allen schlechten Nachrichten bleibt die Hoffnung, dass sich die Menschen vielleicht schon in wenigen Wochen wieder den schönen Dingen wie einen Besuch im Biergarten zuwenden können.

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