Ohne Mieterlass droht die Pleite
Ladeninhaber wie den Heilbronner Martin Ric bringen die Schließungen der Geschäfte wegen der Corona-Krise in Existenznot. Er sieht Chancen für ein Umdenken danach.

Viele Einzelhändler, Gewerbetreibende und Handwerksbetriebe bringt die Corona-Krise in große Bedrängnis. Wie wirken Hilfen, was bringt persönlicher Einsatz, und wo liegen die Chancen? Darüber spricht Martin Ric von der Möbelmanufaktur Performa.
Was haben Sie unternommen, um die Folgen der geschlossenen Läden für Sie und ihre Händlerkollegen in der Hafenmarktpassage abzufedern?
Martin Ric: Ich habe mich frühzeitig mit dem Eigentümer und Vermieter der Passage in Verbindung gesetzt, um sie über die existenzbedrohende Situation zu informieren und um eine Aussetzung der Mietzahlungen zu bitten. Unterstützt in dem Anliegen hat uns ein mir bekannter Heilbronner Eigentümer von Gewerbeimmobilien, der seinen Mietern für die Dauer der gesetzlich angeordneten Ladenschließungen die Miete ganz und für eine Anlaufzeit nach der Krise teilweise erlässt.
Was fordern Sie von Ihrem Vermieter?
Ric: Die monatliche Pacht soll für die Zeit der Ladenschließungen ausgesetzt werden. Nach Beendigung der Krise plus einem Monat Anlaufzeit wäre die Miete wieder voll zu entrichten. Ab dem sechsten Monat, nachdem die Läden wieder öffnen dürfen, erfolgt die Rückzahlung der ausgesetzten Miete zu 50 Prozent und in leistbaren Raten.
Der Vermieter müsste also bereit sein, auf die Hälfte der Miete zu verzichten?
Ric: In unserem Fall ja. Sollte die Mieteinnahme einem Vermieter die existenzsichernde Altersvorsorge sein, ist das natürlich nicht anwendbar. Unser Vorschlag würde beiden Seiten Sicherheit bieten. Und er könnte den Fortbestand der Läden und der Gastronomie in der erst kürzlich neu erblühten Hafenmarktpassage sichern. Wir freuen uns sehr über die vom Gesetzgeber beschlossenen Unterstützungsmaßnahmen. Etwa die Stundung der Sozialabgaben an die Krankenkasse oder das Kurzarbeitergeld helfen uns. Das greift kurzfristig und ermöglicht uns Kleinunternehmen überhaupt, ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Ohne diese Hilfen wären wir innerhalb kürzester Zeit weg. Allerdings haben einige von uns, gerade im Modebereich, große Warenlager mit saisonalen Produkten, die vorab bezahlt werden müssen und die jetzt nicht verkauft werden können. Alleine mit einer Stundung der Mieten kämen wir nicht über die Krise. Ein Dominoeffekt steht bevor, wenn jetzt nicht alle Ebenen solidarisch zusammenarbeiten. Anders wird es kaum möglich sein, die vielfältigen und mit Herzblut von Inhabern geführten Einzelhandelsgeschäfte zu erhalten.
Zur Person
Martin Ric (58) ist gelernter Schreiner und gründete 1999 mit Matthias Eckert die Möbelmanufaktur Performa.
Auch Sie reden von Solidarität. Wie erleben Sie den Begriff?
Ric: Ich denke zuallererst an eine wirklich gelebte Solidarität, die von Anstand, Mitgefühl und praktischem Handeln geprägt ist. Wer trotz Krise ein gesichertes Einkommen hat, sollte vor seinem Einkauf überlegen, wer die Einnahme gerade dringend braucht. Statt den Einkauf dort zu tätigen, wo es am bequemsten und am günstigsten ist. Solidarität versus Schnäppchenjagd.
Und was ist mit jenen, die von der Krise profitieren?
Ric: Die Solidaritätsmaßnahmen unserer Regierung werden aus Steuermitteln der Solidargemeinschaft finanziert. Sie können in die bedürftigen Bereiche zurückfließen, weil gut gewirtschaftet wurde. Internationalen Firmen, die auch in dieser Krise durch Steuervermeidungsstrategien Milliardengewinne erzielen, sollte endlich der angemessene Beitrag abverlangt werden. Wäre es nicht charmant, wenn die Steuereinnahmen gerade von Firmen wie Amazon zur Rettung kleiner Einzelhandelsgeschäfte verwendet werden könnten? Das hätte einen Touch von Gerechtigkeit.
Welche Chancen birgt die Krise?
Ric: Wir sollten die Corona-Krise zum Anlass nehmen, vieles, was unseren Alltag heute bestimmt, in Frage zu stellen − zugunsten einer Welt, in der wir Menschen und die Natur mehr zählen als bedingungslose Gewinnmaximierung. Die Hafenmarktpassage gibt es hoffentlich weiterhin. Meine Vision sind Geschäfte, die fair produzierte Waren aus aller Welt und hochwertige lokale Produkte verkaufen. Und Kunden, die sich Zeit nehmen und Freude an persönlichen Gesprächen mit den Ladenbetreibern haben.
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