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Vermieter und Kunden sollen Solidarität zeigen

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Mit den Maßnahmen, die meisten Geschäfte zu schließen, steht der Einzelhandel auch in Heilbronn vor schweren Zeiten. Stadtinitiative-Vorsitzender und Geschäftsinhaber Thomas Gauß spricht über die Folgen und fordert auch von Akteuren Solidarität.

von Bärbel Kistner
Performa in der Hafenmarktpassage hat die allgemeine, erwartete Zwangsschließung der Geschäfte am Montag bereits vorweggenommen.
Foto: Dennis Mugler
Performa in der Hafenmarktpassage hat die allgemeine, erwartete Zwangsschließung der Geschäfte am Montag bereits vorweggenommen. Foto: Dennis Mugler  Foto: Mugler, Dennis

Sind harte Maßnahmen wie die Schließung der meisten Geschäfte gerechtfertigt?

Thomas Gauß: Das ist definitiv der Fall. Und es ist nachvollziehbar, dass eine Grundversorgung, nicht nur mit Lebensmitteln, gewährleistet sein muss. Menschen müssen ihr Auto betanken können, um damit zur Arbeit zu kommen. Auch Apotheken und Banken müssen geöffnet bleiben. Für alle anderen gilt, die Schließungen sind gerechtfertigt.

 

Wie groß sind Ihre Sorgen um den Einzelhandel?

Gauß: Es ist eine hoch kritische Situation. Für viele wird es sehr schwer, kaum einer wird die Corona-Krise unbeschadet überstehen. Es ist nicht damit getan, günstige Kredite über die KfW in Aussicht zu stellen. Die Regierung muss temporäre Subventionen beschließen. Kreditrückzahlungen zu stunden, genügt nicht. Denn wenn Läden nicht öffnen dürfen, bleiben die Kosten, aber die Einnahmen sind gleich Null.

 

Ein Heilbronner Vermieter von Ladenflächen hat bereits angekündigt, Mieten nicht nur zu stunden, sondern so lange kein Geld zu verlangen, bis die Läden wieder öffnen. Sollte das nicht Schule machen?

Gauß: Das muss unbedingt Schule machen, Vermieter müssen in dieser Situation mit ins Boot. Ich würde jedem Immobilienbesitzer dazu raten, auch zur perspektivischen Absicherung seiner Miete. Wenn keine Einnahmen fließen, reicht eine Stundung der Mieten nicht aus.

 

Können auch Kunden durch ihr Handeln die viel beschworene Solidarität unter Beweis stellen?

Gauß: Solidarität hört nicht bei den Vermietern auf. Die Gesellschaft kann sich in der Krise beweisen, indem auch Kunden Haltung zeigen. Und eben nicht durch ihre Internet-Bestellung einem amerikanischen Online-Riesen Umsätze bescheren, sondern Anschaffungen so lange zurückstellen, bis der Handel vor Ort wieder geöffnet hat. Es muss in die Köpfe, dass wir alle in einem Boot sitzen und möglichst in die gleiche Richtung rudern sollten, damit der Kahn sich nicht im Kreis dreht oder gar untergeht. Dazu gehört es, den regionalen Wirtschaftskreislauf zu unterstützen. Das ist auch ein Akt der Solidarität. Regionale Händler zahlen Gewerbesteuer, die in den städtischen Haushalt fließt. Davon wird die Infrastruktur einer Stadt finanziert.

 

Ausgerechnet Online-Händler wie Amazon sind die großen Profiteure. Was muss geschehen?

Gauß: Amazon könnte nichts Besseres passieren, für das Unternehmen ist die Krise ein Traum. Ausgerechnet ein in Deutschland keine Steuern zahlender Konzern ist Profiteur. Amazon als Kriegsgewinnler zu bezeichnen, ist eine markante Formulierung, aber sie ist berechtigt. Jetzt wäre endlich der richtige Zeitpunkt, auf europäischer Ebene die Steuerschlupflöcher zu schließen und ein Zeichen zu setzen. Der stationäre Einzelhandel in ganz Europa ist von der Krise betroffen.

 

Thomas Gauß, Foto: Berger
Thomas Gauß, Foto: Berger

Befürchten Sie Entlassungen?

Gauß: Um das zu verhindern, brauchen wir Subventionen. Das kostet den Staat deutlich weniger als nachher die Folgen von Arbeitslosigkeit abzufangen. Für mein Unternehmen kann ich, Stand heute, Entlassungen verneinen. Durch Kurzarbeit lässt sich das hoffentlich vermeiden. Mitarbeiter bekommen 67 Prozent vom Nettolohn, ohne Kinder sind es sogar nur 60 Prozent. Auch deshalb hoffe ich, dass alle Mitarbeiter bald wieder arbeiten können. Wenn die drastischen Maßnahmen gegen Corona greifen, werden wir in absehbarer Zeit zur Normalität zurückkehren können.

 

Die Stadtverwaltung Heilbronn hat zugesichert, Gewerbetreibende zu unterstützen. Was heißt das konkret?

Gauß: Ich habe mit Oberbürgermeister Harry Mergel gesprochen. Sein Ziel ist es, Betriebe und Arbeitsplätze zu erhalten. Eine Möglichkeit ist die Stundung oder Aussetzung der Gewerbesteuer. Das ist zunächst eine Absichtserklärung, noch keine verbindliche Zusage.

 

Könnte Verkaufspersonal nicht im Lebensmittelhandel unterkommen, der durch den Ansturm über Personalengpässe klagt?

Gauß: Das kann nur kurzfristig eine Möglichkeit sein, es ist keine Lösung von Dauer. Die Nachfrage wird nicht auf dem Niveau bleiben. Die ganzen getätigten Hamsterverkäufe wollen erstmal verbraucht sein.


Keine Mitgliedsbeiträge

Die Händlervereinigung Stadtinitiative kommt ihren Mitgliedern entgegen und erlässt die Mitgliedsbeiträge, die im April fällig geworden wären. "Das hat der Vorstand einstimmig beschlossen", sagt der Vorsitzende Thomas Gauß. Damit wolle die Stadtinitiative auch selbst ein Zeichen der Solidarität in der Corona-Krise setzen. Die Summe, die den 179 Mitgliedern erlassen wird, beträgt 125.000 Euro. 

 

 

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