Das Wollhaus zwischen Zukunftsängsten und Hoffnung auf den Neuanfang
Vor der Zwangsversteigerung am 23. September fordern Mieter im Heilbronner Wollhaus Planungssicherheit und ein einheitliches Konzept für das Einkaufszentrum. Die Stadt hält sich vor der Auktion bedeckt.

Im September wird ein Teil des Wollhauses zwangsversteigert. Das Leben vor Ort indes geht weiter und sucht seinen Weg. Auf dem Busbahnhof, inmitten der grauen Beton- und Autowüste um das Wollhaus, sitzt ein kleiner Igel. Da, auf dem Arm von Simone Lösch. "Das ist ein Zufallsfund", sagt Lösch sichtbar glücklich. Freund und Tochter sind dabei, während sie das Tierchen streichelt. "Der ist für den Garten unseres Häuschens." Der Igel aber, er ist nicht echt. Wie der Großteil der Wollhaus-Umgebung ist auch er aus Stein.
Erste Anlaufstelle Wollhaus
Ein Schnäppchen aus Tedy, dem Ein-Euro-Laden im Untergeschoss. "Wir gehen gern durch die Geschäfte und schauen, was wir finden", erzählt Lösch, während Tochter Justine und Freund Christian Peter-Hänsel zustimmend nicken. Die drei fahren jedes Jahr aus Mudau im Odenwald nach Heilbronn. "Das Wollhaus ist unser Start- und Endpunkt, Das kennt und findet jeder", erzählt Peter-Hänsel. Es gebe Parkplätze und den Busbahnhof, die Lage sei zentral. Gut seien die "preiswerten Angebote". Ein Elektronikmarkt wie Saturn oder eine Zoohandlung, so Peter-Hänsel, könne das vorhandene Angebot gut ergänzen.
Zum jährlichen Ritual der Familie gehört auch ein Besuch im chinesischen Restaurant Ham Ham Go neben dem Haupteingang. Die wenigen Tische sind gemäß den AHA-Regeln besetzt, von der Theke des familiengeführten Restaurants winkt eine goldene Katze, unermüdlich wie ein Metronom, das zur Arbeit den Takt vorgibt.
Das Bild vermittelt in seiner Monotonie eine Verlässlichkeit, die sich auch der Restaurantbesitzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, für die Zukunft wünscht: "Es wird viel geredet, aber wir Mieter wissen nicht, wie es weitergeht", sagt der Familienvater im Gespräch mit einem weiteren Mieter. Es fehle ein gemeinsames Konzept und klare Zuständigkeiten beispielsweise bei Sanierungen. Beide wünschen sich Planungssicherheit.
50 Prozent weniger Kundschaft

"Ich bin nun bereits seit 15 Jahren hier", erzählt der zweite Mieter und zeigt auf den zugemauerten Durchgang zu dem Gebäudeteil, in dem sich einst eine Kaufhof- und später eine Mediamarkt-Filiale befanden. "Seit der Schließung habe ich 50 Prozent weniger Kundschaft." Umso wichtiger sei es, dass neue Mieter und Mieterinnen für die Fläche gefunden würden. "Ein Primark könnte viele Menschen anziehen", schlägt der Einzelhändler vor.
Aktuell sind drei Ladenflächen in der Einkaufspassage unvermietet. "Zum Zeitpunkt der Übernahme im Juli 2020 standen 13 Gewerbeflächen leer", teilte das Oedheimer Immobilienunternehmen Neufeld auf Stimme-Anfrage mit. Zum Leerstand kam es, da ein Geschäft in ein anderes Gewerbeobjekt umgezogen sei und ein weiteres coronabedingt schließen musste.
Julian Braunecker logiert bereits seit 1997 mit seinem Reisebüro im Wollhaus. Seiner Meinung nach hat das Zentrum ein Imageproblem, das vor allem auf die Berichterstattung zurückzuführen sei. "Hier tut sich einiges, das wird aber nicht wahrgenommen", resümiert Braunecker. Seit mit dem Oedheimer Immobilienunternehmen Neufeld ein neuer Eigentümer für die Ladenpassage verantwortlich sei, werde renoviert: "Sogar die Toiletten wurden neu gemacht. Seit ich hier Mieter bin, ist das nicht geschehen."
Neu eingezogen seien auch ein Friseur und ein Kosmetikstudio, auch der Kiosk hat seit Ende 2020 einen neuen Mieter. "Hier gibt es mehr als nur Kasinos und Ein-Euro-Läden." Neu ist auch ein Modegeschäft im Untergeschoss.
Mietverträge nur für ein Jahr
Dass sich das Wollhaus langsam weiterentwickle, liege auch an den komplizierten Eigentumsverhältnissen, so Braunecker. Vorgaben der Stadt bezüglich Instandsetzungsarbeiten und Dauer der Mietverträge bremsten das Zentrum. Seit 2020 gilt eine neue Sanierungssatzung, bestätigt Claudia Küpper, Pressesprecherin der Stadt. Mit der Satzung verbunden sei "eine Genehmigungspflicht für Mietverträge von mehr als einem Jahr Dauer durch die Stadt Heilbronn".
Weiter wolle sie die Einflussmöglichkeiten der Stadt nicht benennen, "um das Entwicklungsgeschehen beim Wollhaus nicht zu beeinflussen". Favorisiert sei eine Mischung aus Handel, Gastronomie, Wohnen, Büros und Praxen. Das Rathaus wolle den Standort "als zuverlässiger und konstruktiver Partner begleiten".
Julian Braunecker hat einen Vorschlag für die Zukunft des Kolosses - zumindest was den Außensanstrich betrifft: "Ich kann mir gut eine Holz- statt einer Betonfassade vorstellen."