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Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters: Das Heilbronner Wollhaus und seine Geschichte

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Historismus, Brutalismus, Gegenwart: Wo einst das historische Stadtbad stand, sorgt heute das in die Jahre gekommene, seelenlose Wollhaus für Diskussionen.

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Viele Jahre war das Wollhauszentrum mit Kaufhof, später Galeria Kaufhof, und Ladenpassage zeitgemäße Antwort auf die Anforderungen an den Einzelhandel. Foto: Archiv/Seidel
Viele Jahre war das Wollhauszentrum mit Kaufhof, später Galeria Kaufhof, und Ladenpassage zeitgemäße Antwort auf die Anforderungen an den Einzelhandel. Foto: Archiv/Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. In den 70er Jahren als städtebaulicher Wurf gefeiert, spricht der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Urteil vom 16. November 2016 vom „städtebaulichen Missstand“ des Heilbronner Wollhauszentrums. Dabei verfügt der nach den Plänen der Phillip Holzmann AG 1974 fertig gestellte Gebäudekomplex im Stil des Brutalismus über markante Details.

Der Brutalismus, jene Bauweise, die mit Sichtbeton arbeitet, also rohem Beton – französisch béton brut –, hat mit dem Adverb brutal im Sinne von gewalttätig nichts zu tun. Architekturkritikern gilt der Brutalismus als Signum der Moderne. Ob es sich nun beim  Heilbronner Wollhauszentrum, das hauptsächlich als Einkaufszentrum diente, um ein gelungenes Beispiel dieser Stilrichtung handelt, sei dahin gestellt.

Benannt nach dem historischen Wollhaus der Stadt

Der zehnstöckige Büroturm und der flache, asymmetrische Kaufhaustrakt lösten bereits vor seiner Realisierung Diskussionen aus. Verkehrstechnisch ist der Wollhausplatz mit dem innerstädtischen Busbahnhof nach wie vor von Bedeutung, unter dem Komplex befindet sich die mehrstöckige Tiefgarage.

Benannt sind Gebäude und Platz nach dem historischen Wollhaus der Stadt. 1818 erhielt Heilbronn neben vier weiteren württembergischen Städten die Erlaubnis, Wollmärkte abzuhalten. Vor allem Schafwolle wurde in Heilbronn gehandelt, die die Erzeuger an Kaufleute, weniger an private Verbraucher verkauften.


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1891 wurde hier das Heilbronner Stadtbad gebaut

Das erste Heilbronner Wollhaus wurde 1852/53 beim Fleinertor erbaut. Hier wurde die Wolle gelagert. Doch der industrielle Wandel machte den Heilbronner Wollmarkt mit der Zeit bedeutungslos. 1905 wurde er aufgehoben, statt der Wollmärkte wurde hier nun der Pferdemarkt abgehalten. Dort, wo heute das Wollhauszentrum steht, wurde 1891 das Heilbronner Stadtbad gebaut.

Zusammen mit der alten Synagoge, dem alten Stadttheater und der Festhalle Harmonie machte das historistische Stadtbad die Prachtmeile Allee komplett. Beim Luftangriff am 4. Dezember 1944 wurde das Bad zerstört, nach dem Krieg als Stadtbad wiederaufgebaut und 1972 schließlich abgerissen. Ein Gewerbeneubau sollte besser zum Zeitgeist jener Jahre passen.

Abriss oder Neubau?

Wo Heilbronner einst baden gingen:  Das Stadtbad im Jahr 1972, kurz darauf wurde es abgerissen. Der Wollhausplatz diente damals auch als Parkplatz.  Foto: Archiv/Eisenmenger
Wo Heilbronner einst baden gingen: Das Stadtbad im Jahr 1972, kurz darauf wurde es abgerissen. Der Wollhausplatz diente damals auch als Parkplatz. Foto: Archiv/Eisenmenger

Im Lauf der Jahrzehnte aber wurde der neue Gebäudekomplex sichtbar sanierungsbedürftig. 2013 verkündigte der damalige Hauptmieter, Galeria Kaufhof, die Filiale schließen zu wollen. Zuerst standen alle Zeichen auf Abriss und Neubau eines Handels- und Dienstleistungszentrums. Doch dagegen sprachen sich die Eigentümer der Ladenpassage und der einzelnen Geschäftsflächen aus.

Im Juli vergangenen Jahres wurden mit der Ladenpassage Teile des Wollhauszentrums zwangsversteigert. Der neue Eigentümer, Neufeld Wohnheim aus Oedheim, hat mehrere Flächen im Turm erworben. Der überwiegende Teil, der ehemalige Kaufhof, ist nach wie vor im Besitz eines dänischen Fonds. Die Stadt selbst hat kein Eigentum im Wollhaus. Ihre Rolle sieht sie in der städtebaulichen Begleitung. Zu den komplexen Eigentumsverhältnissen kann und möchte die Stadt keine Angaben machen. 


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Überzeugt, „dass wir in diesem Jahr einen entscheidenden Schritt nach vorne gehen“

„Wir sind in guten Gesprächen mit einem Projektentwickler“, lässt Oberbürgermeister Harry Mergel auf Anfrage unserer Redaktion mitteilen. „Es besteht die Hoffnung, dass es dabei zu einer zunächst temporären Aufwertung der Ladenpassage und des Turms kommt, aus der sich eine langfristige Perspektive für den Gesamtkomplex ergibt.“ Der OB ist überzeugt, „dass wir in diesem Jahr einen entscheidenden Schritt nach vorne gehen“.

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Kommentare

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Thomas Gaukel am 07.09.2022 09:13 Uhr

Wenn es nicht so schwarz-fleckig verratzt wäre, würde es rein optisch finde ich auch nicht schlechter aussehen als die Stadtgalerie. Der Asemwald in Stuttgart, oder das Barbican in London zeigen ja, dass solche Gebäude, wenn sie denn besser gepflegt wären, durchaus nicht hässlich sein müssen.

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