Bauern versammeln sich in Flein und fahren von dort aus nach Berlin
Die Pläne aus Berlin für ein Ende der Diesel-Subventionen haben unter Bauern enormen Ärger ausgelöst. In Flein haben sich am Sonntag etwa 200 Landwirte mit ihren Traktoren getroffen, um gegen die Agrar-Politik zu protestieren.
Am Ende waren es mehr Teilnehmer als noch am Freitag erwartet. Etwa 200 Landwirte mit ihren Traktoren trafen sich am Sonntagvormittag in Flein, um gegen die Agrarpolitik der Ampel-Regierung zu demonstrieren. Zuvor war von 100 Teilnehmern die Rede gewesen. Fünf Kilometer lang ist die Kolonne, schätzt Martin Linckh vom Pulverdinger Hof bei Vaihingen/Enz. Er ist Organisator des Treffens.
Der Großteil der Teilnehmer kommt aus dem Landkreis Ludwigsburg. Das verraten die Kennzeichen an den Traktoren. Die Versammlung markiert den Abschluss des einwöchigen Protests. Vergangenen Montag hatten Bauern deutschlandweit zum Auftakt den Verkehr mit ihren Traktoren behindert. Am Donnerstag folgte eine Sternfahrt zur Pro-Zero-Arena in Sinsheim. Dazwischen immer wieder Mahnfeuer auf den abgeernteten Feldern.
Bauernproteste in ganz Deutschland: Mahnfeuer mit 1500 Besuchern
Am Montag ist in Berlin eine Großkundgebung geplant. Aus ganz Deutschland werden Landwirte erwartet. Die genaue Teilnehmerzahl ist schwer vorherzusagen. Der Frust der Bauern ist groß. Ebenso wie die Solidarität der Menschen im Land. Bei einem Mahnfeuer am Samstag auf dem Hof von Linckh seien 1500 Besucher gekommen.
Einen Tag später sind zwei seiner Traktoren mit dabei in Flein. Einer seiner Fahrzeuge hätte das Zeug für jeden Faschingsumzug. "Die Landjugend Bad Wimpfen hat das initiiert", sagt der 40-Jährige. Ein grüner VW Polo ist auf der Anhängekupplung des Traktors montiert. Das Auto prallt gegen eine Ampel und ist demoliert. Eine Anspielung auf das Regierungsbündnis in Berlin. Am Auto ist eine Tafel mit der Aufschrift: "Bauer in Not" angebracht.
Linckh geht davon aus, dass sie 20 Stunden unterwegs sein werden. Die Tour geht grob in Richtung Möckmühl, Würzburg, Schweinfurt, Erfurt, Leipzig, Berlin. Sie wären vielleicht gerne über die Autobahn gefahren. Dafür habe es aber keine Genehmigung gegeben. Linckhs Partnerin Melanie Weissert (22) fährt ebenfalls mit. "Unser Ziel ist das Brandenburger Tor. Ich hoffe, dass wir rechtzeitig da sind."
Ungleiche Wettbewerbsbedingungen
Das hofft Wolfgang Kölle vermutlich auch. Der 48-Jährige ist Landwirt, fährt aber nicht mit. Er betreibt eine Pensionspferdehaltung auf seinem Hof in Bönnigheim. Eine Vertretung zu finden, sei nicht so einfach. Also unterstützt er den Protest am Montag von zu Hause aus. Kölle ist Schatzmeister bei der 2019 gegründeten Bauern-Bewegung "Land schafft Verbindung". Ungleiche Wettbewerbsbedingungen treiben die Bewegung um. "Das Hauptproblem ist, dass Politiker ohne Sachverstand über unsere Köpfe hinweg entschieden haben." Finanzielle Einbußen seien die Folge. Auch er fordert eine Kurskorrektur.
Mit der Gruppe in Flein fährt Bio-Landwirt Gerd Sommer nach Berlin. Gemeinsam mit seinem Sohn und einem Mitarbeiter fahren sie mit drei großen Traktoren in die Bundeshauptstadt. Seit Mittwoch ist er am Organisieren. Auch auf seinem Hof in Untereisesheim geht die Arbeit weiter. Darum kümmert sich sein zweiter Sohn. Für Gerd Sommer (56) geht es jetzt darum, den Protest und die Forderungen zu unterstützen. Wie 2020 schon einmal. Damals war das Interesse weitaus geringer.
Worum dreht sich der Streit?
Mit Trecker-Korsos machten Landwirte in den vergangenen Tagen quer durch die Republik Front gegen schon abgeschwächte Einsparpläne der Bundesregierung für den Haushalt 2024. Konkret soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung wegfallen. Noch können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich sollte die Hilfe sofort ganz wegfallen. Nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen.
Was fordern die Bauern?
Der Bauernverband hält die Korrekturen für unzureichend und fordert eine Rücknahme der Mehrbelastungen. «Ein fauler Kompromiss, wie er derzeit auf dem Tisch liegt, kann keine Lösung sein – denn der wird keinen Traktor von der Straße holen», hatte Bauernpräsident Joachim Rukwied deutlich gemacht. Am Wochenende legte er mit Blick auf das Gespräch mit der Ampel-Koalition nach: «Wir setzen darauf, dass die Fraktionsvorsitzenden am Montag zum Agrardiesel eine Lösung vorlegen.» Man gehe davon aus, «ernsthafte Vorschläge» zu erhalten. Und: «Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Beim Gespräch am Montag kann es zunächst nur um den Agrardiesel gehen.»
Wie ist die Position der Regierung?
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere andere Ampel-Politiker haben angesichts des Proteststurms schon Verständnis und Dialogbereitschaft signalisiert. Konkrete weitere Zugeständnisse beim Agrardiesel waren vorerst aber nicht in Sicht. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne), der sich schon geballtem Unmut von Bauern stellte, dringt darauf, der Branche gerade jetzt neue Chancen und Planungssicherheit zu eröffnen - etwa mit einer dauerhaft gesicherten Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung hin zu besseren Bedingungen über eine Tierwohlabgabe. Finanzminister Christian Lindner (FDP), der am Montag bei der Demo reden will, brachte weniger Regulierung und Bürokratie ins Spiel.
Was bedeutet der Agrardiesel-Streit finanziell?
Das Ende der Vergünstigungen beim Agrardiesel ist zu einem Symbol geworden - wobei es konkret im Schnitt etwa 3000 Euro Mehrkosten pro Jahr und Betrieb bedeutete, wie die Bundesregierung erläutert. Der Bauernverband warnte in einer Stellungnahme für eine Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags am Montag, besonders die Hofnachfolge werde zunehmend gefährdet, da sich die Planungssicherheit im Hinblick auf die Einkommenssituation weiter deutlich verschlechtere.