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Vier junge Landwirte aus der Region über ihre Zukunft: Herausforderungen, Sorgen und Möglichkeiten

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Landwirte haben in den vergangenen Tagen im ganzen Land demonstriert. Gesetze und Regelungen betreffen die nächste Generation besonders. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen, was sie besonders beschäftigt.

Rund 1500 Bauern haben sich letzten Donnerstag am Sinsheimer Stadion zu einer Großdemo versammelt.
Rund 1500 Bauern haben sich letzten Donnerstag am Sinsheimer Stadion zu einer Großdemo versammelt.

„Landwirte denken in Generationen, wir in Wahlperioden.“ Das sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vergangenen Donnerstag in einer Sendung des ZDF, die sich mit den aktuellen Protesten der Landwirtschaft auseinandersetzte – und spricht mit diesem Satz bereits einen Vorwurf der Landwirte an die Politik an: Zu wenig Planungssicherheit, zu viele Auflagen.

Auf den Protesten sind auch junge Landwirte mit dabei: Die nächste Generation, welche die Betriebe die nächsten Jahrzehnte führen wird. Niemanden betreffen Maßnahmen, Gesetzesänderungen und Vorgaben mehr als sie. Was haben sie zu sagen? Was ist ihnen wichtig und was fehlt ihnen? Unsere Redaktion hat mit vier jungen Landwirten aus der Region gesprochen.


 

Junge Landwirte aus der Region: "Wir suchen klar den politischen Diskurs"

Florian Mai ist Winzer in fünfter Generation. Das Weingut der Familie liegt in Unterheimbach, ein Teilort der Gemeinde Bretzfeld.
Florian Mai ist Winzer in fünfter Generation. Das Weingut der Familie liegt in Unterheimbach, ein Teilort der Gemeinde Bretzfeld.  Foto: Privat

Florian Mai und Christian Pförsich sind 26 und 25 Jahre alt, seit der Grundschule gute Freunde und beide übernehmen jeweils den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern. Florian Mai hat nach dem Abitur eine Winzerausbildung absolviert, anschließend Weintechnologiemanagement studiert und ist aktuell beim Staatsweingut Weinsberg als technischer Betriebsleiter angestellt – unabhängig vom Familienbetrieb. „Das ist gut, um Berufserfahrung zu sammeln. Aber am Wochenende und nach Feierabend bin ich immer mit dabei“, erzählt er. In den nächsten Jahren wird er den Betrieb, bestehend aus Weingut und Weinstube in Unterheimbach, übernehmen.

Christian Pförsich ist nach seinem Landwirtschaftsstudium dagegen schon voll im eigenen Betrieb angekommen. Auf 150 Hektar bewirtschaftet die Familie unter anderem Feldfrüchte, Raps, Zuckerrüben und Erbsen. Die beiden Landwirte waren gemeinsam bei verschiedenen Protesten dabei, unter anderem am Dienstag in Erlenbach, als Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zum Bürgerdialog gekommen waren.

Christian Pförsich ist 25 Jahre alt und nach seinem Landwirtschaftsstudium direkt in den elterlichen Betrieb mit eingestiegen und wird ihn übernehmen. Der Hof liegt in der Gemeinde Bretzfeld.
Christian Pförsich ist 25 Jahre alt und nach seinem Landwirtschaftsstudium direkt in den elterlichen Betrieb mit eingestiegen und wird ihn übernehmen. Der Hof liegt in der Gemeinde Bretzfeld.  Foto: Privat

„Wir suchen klar den politischen Diskurs. Wir wollen mitgestalten, wir haben eigene Ideen und Lösungsvorschläge in der Branche. Die wollen wir auch vermitteln und nicht alles blockieren. Das bringt keinen weiter“, stellt Christian Pförsich klar. Mit der Dialogbereitschaft der am Dienstag anwesenden Politiker, zeigt er sich zufrieden: „Wir haben eigentlich die gleichen Ziele gehabt und es war ein gutes Gespräch. Es wurde uns zugehört und unsere Anliegen wahrgenommen.“

"Kein Vertrauen mehr in den Berufsstand"

Für die jungen Landwirte ist eine Entwicklung der letzten Jahre besonders belastend: Immer neue Regelungen, Gesetze und Verordnungen. „Die kommen sehr kurzfristig, dann muss man sich anpassen, sie sind nicht praxistauglich formuliert. Dann wird nachgebessert, es gibt zig Ausnahmen und es ist so kompliziert gestaltet, man blickt fast nicht mehr durch. Die Arbeit verschiebt sich ganz klar ins Büro“, sagt Christian Pförsich. Beide haben grundsätzlich Verständnis, doch die Fülle und und sehr enge Dokumentation erwecke oft den Eindruck, „als ob man gar kein Vertrauen mehr in den Berufsstand hätte“, fasst Florian Mai zusammen.  

Der 28-jährige Tim Specht führt aktuell den Hof gemeinsam mit seinen Eltern. In Orendelsall im Hohenlohekreis betreibt die Familie Ackerbau, Schweine- und Hühnerhaltung sowie eine eigene Nudelproduktion.
Der 28-jährige Tim Specht führt aktuell den Hof gemeinsam mit seinen Eltern. In Orendelsall im Hohenlohekreis betreibt die Familie Ackerbau, Schweine- und Hühnerhaltung sowie eine eigene Nudelproduktion.  Foto: Privat

Das belastet auch den 28-jährigen Tim Specht. Gemeinsam mit seinen Eltern führt er den Familienbetrieb in Orendelsall und wird den Hof übernehmen. „Das war eigentlich erst nach der Ausbildung richtig klar“, erklärt er. Wie Christian Pförsich hat auch er Landwirtschaft in Triesdorf studiert. Neben 150 Hektar Ackerbau besitzt die Familie 2000 Plätze für Schweinemast, 6000 Legehennen sowie eine eigene Nudelproduktion. Für Kontrolle in der Tierhaltung hat Tim Specht Verständnis, doch bei großen Kontrollen sei man teils stundenlang beschäftigt. „Das führt so weit, dass man das Gefühl bekommt, es geht nicht mehr darum Dinge wirklich richtig zu machen, sondern darum, sie richtig zu dokumentieren.“

„Landwirtschaft am Schreibtisch“, fasst Landwirt Raphael Fleisch aus Pfedelbach diese Entwicklung etwas zerknirscht zusammen. Der 30-jährige ist Landwirtschaftsmeister und führt den elterlichen Betrieb mit Ackerbau und Schweinemast in die nächste Generation.

Mangelnde Wertschätzung und Vorteile der Direktvermarktung

Raphael Fleisch ist 30 Jahre alt und führt den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie in Buchorn, einem Teilort von Pfedelbach, aktuell noch gemeinsam mit seinen Etern.
Raphael Fleisch ist 30 Jahre alt und führt den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie in Buchorn, einem Teilort von Pfedelbach, aktuell noch gemeinsam mit seinen Etern.

Ein wichtiger Punkt ist für Christian Pförsich die mangelnde Wertschätzung. Man sei über die letzten Jahre mit vielen typischen Klischees konfrontiert worden. „Ihr vergiftet unser Grundwasser, unsere Nahrung mit Pestizidrückständen. Wir wurden irgendwie für alles Übel verantwortlich gemacht." Florian Mai ergänzt: „Das tut schon weh.“ Ganz so deutlich erfährt Tim Specht das nicht, doch das hat seiner Ansicht nach auch einen konkreten Grund: „Durch unsere Direktvermarktung, durch die Eier und Nudeln, da spürt man die Wertschätzung schon. Gerade bei den Nudeln hören wir oft, dass es ein gutes Produkt ist – den Vorteil haben wir einfach.“

Hört man den vier jungen Männern zu, wünschen sie sich alle mehr Vertrauen in ihre Arbeit und mehr Vertrauen in ihr Fachwissen. „So gut wie wir ausgebildet sind, das gab es wahrscheinlich noch nie. Mit Abitur, Ausbildung, Studium. Das ist eine lange Zeit, um sich Wissen und dadurch eine Meinung anzueignen“, sagt Florian Mai.

Planungsunsicherheit als zentrale Zukunftssorge

Doch ihr Alltag und ihre Zukunftsplanung wird nicht nur durch die bereits vorhandene Bürokratie belastet, sondern auch durch die, die vielleicht noch kommt: Planungsunsicherheit ist für alle ein zentrales Problem. Man könne nicht wissen, welche Regelungen in ein oder zwei Jahren gelten, welche Auflagen und Richtlinien hinzukämen. Das mache es unmöglich verlässlich zu planen, doch das sei dringend notwendig. „Man baut beispielsweise einen Stall nicht für fünf Jahre. Das ist eine Rieseninvestition, die man abzahlen muss. Dann sollte man zumindest die Sicherheit haben, dass man weiter produzieren kann, bis man das eben abbezahlt hat“, erklärt Tim Specht.

Dass sich manches ändern müsse, das bestreitet keiner der Landwirte. Im Gegenteil: „Wir sind vom Klimawandel direkt betroffen. Es beeinflusst unser tägliches Tun. Wir sind gewillt, das mitzuverändern, und das ist auch notwendig. Es müssen aber praxistaugliche Maßnahmen ergriffen werden“, stellt Christian Pförsich klar. Er selbst versucht auf seinem Hof Wasser effizienter zu nutzen, zu speichern und neue Wege auszuprobieren.

Kein Pessimismus trotz Herausforderungen

Die Streichung der Agrardieselrückvergütung hält Tim Specht aus Gründen fehlender Alternativen aktuell für falsch: „Es heißt: Streichung von klimaschädlichen Subventionen, aber was passiert dann? Wir können keinen anderen Kraftstoff verwenden. Solange es keine Alternative gibt, was soll ich machen?“ Hier gehe es auch um Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland, die dadurch nochmals schwieriger werden würde.

Trotz Herausforderungen haben sich alle vier dafür entschieden, den Familienbetrieb weiterzuführen und scheinen grundsätzlich positiv gestimmt. Sie haben Vertrauen in die Struktur und Anpassungsfähigkeit ihrer Familienbetriebe sowie in die vielfältigen Möglichkeiten der Landwirtschaft. Und Christian Pförsich hat noch eine direkte Bitte: „Kauft regionale Produkte. Es wird wirklich an der Ladenkasse entschieden.“ Dem hat Florian Mai nur einen Satz hinzuzufügen: „Die Wege sind so kurz, nachhaltiger und mit besserer CO2-Bilanz geht es nicht.“

 

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