Baden-Württemberg schließt alle Schulen bis Ostern
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, schließen im Südwesten alle Schulen und Kitas bis nach Ostern. Die Zwangsferien haben massive Folgen. Elternvertreter warnen vor Chaos.

Wegen der Coronavirus-Pandemie und nach dem zweiten Virustoten in Baden-Württemberg schränken Land und Kommunen das gesellschaftliche und öffentliche Leben im Südwesten weiter drastisch ein. Von Dienstag an sind alle Schulen, Kitas und Kindergärten geschlossen. Sie sollen erst nach den Osterferien wieder öffnen, entschied das Kabinett am Freitag in Stuttgart.
Gestern hatte bereits das Hohenlohe-Gymnasium in Öhringen den Betrieb eingestellt, das Technische Gymnasium in Heilbronn war nach kurzzeitiger Schließung hingegen seit Mittwoch wieder geöffnet.
Besuchsverbot für Pflegeheime und Krankenhäuser
Für Alten- und Pflegeheime sowie für Krankenhäuser gilt ein weitgehendes Besuchsverbot. Außerdem würden öffentliche Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern in geschlossenen Räumen untersagt, kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann an.
Die baden-württembergische Landesregierung beschloss die Maßnahme am Freitag bei einer Sondersitzung des Kabinetts. In Baden-Württemberg besuchen derzeit rund 1,5 Millionen Schüler allgemeinbildende oder berufliche Schulen. Rund 444.000 Kinder wurden 2019 in Kindertageseinrichtungen betreut.
„Es ist ein Kraftakt. Und es ist auch eine Notfallsituation“
Kultusministerin Susanne Eisenmann
Eisenmann: Schüler werden keinen Nachteil erleiden
Die Schüler im Land werden nach Angaben von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) keinen Nachteil wegen der flächendeckenden Schulschließungen erleiden. Alle anstehenden Abschlussprüfungen werde man gewährleisten, sagte Eisenmann. Man arbeite an verschiedenen Szenarien und Notfallplänen, teilte das Ministerium mit. Man prüfe in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden die Möglichkeit für Prüfungen in kleinen Gruppen auch während der Schließungen. Eine weitere Option sei, in diesem Jahr verstärkt flexible Nachtermine anzubieten.
„Die Schülerinnen und Schüler werden keinen Nachteil erleiden“, sagte Eisenmann. Am Montag finde der Schulbetrieb noch regulär statt, um einen geordneten Übergang zu ermöglichen. Schulen und Lehrkräfte müssten noch Zeit haben, den Schülern Vorbereitungsinhalte, Lernpakete, Aufgaben oder Lernpläne zusammenzustellen und zu übermitteln.
Elternbeirat erwartet umfassende Antworten von der Regierung
Das Land ist aus Sicht des Elternbeirates auf allgemeine Schulschließungen bis Ostern absolut nicht vorbereitet. „Wir haben keine Möglichkeiten, auf digitale Bildungsangebote auszuweichen, weil wir nach wie vor in der Steinzeit sind“, sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Carsten Rees, der Deutschen Presse-Agentur vor der Kabinettssitzung. Rees wies auf die Lage von Schülern hin, die mitten in Prüfungsvorbereitungen steckten, etwa aufs Abitur lernen. Der Elternbeirat erwarte umfassende Antworten von der Regierung.
Die Schließung aller Schulen und Kindergärten im Land hätte nach Ansicht der Gymnasiallehrer deutlich früher beschlossen werden müssen. „Das Bewusstsein für den Ernst der Lage ist bei der Landesregierung erst langsam gereift“, sagte Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg. Die Schulen hätten zu lange für sich und unterschiedlich entschieden.
Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung seien dringend nötig, damit sich in den kommenden Wochen in Baden-Württemberg nicht Zehntausende infizierten. Kultusministerin Eisenmann hatte sich bislang gegen pauschale Schulschließungen ausgesprochen und die Forderung des Philologenverbands nach einer präventiven Schließung aller Schulen als „unverantwortlich“ bezeichnet.
„Es wäre hilfreicher gewesen, früher zu reagieren.“
Christoph Franz, Schulleiter
Christoph Franz, Schulleiter der Peter-Bruckmann-Schule in Heilbronn, nannte die Entscheidung überfällig, besonders weil viele seiner 2100 Schüler in medizinischen Berufen tätig sind und jede Woche dreieinhalb Tage in Altenheimen, Arztpraxen und anderen Betrieben eingesetzt sind. "Es wäre hilfreicher gewesen, früher zu reagieren." Viele Schüler kämen mit Infizierten in Kontakt, Verdachtsfälle habe es aber noch nicht gegeben.
Heute Morgen haben Franz und seine Kollegen erneut konferiert, um sicherzustellen, dass der Kontakt zu den Schülern auch bei einer Schließung aufrecht erhalten bleibt. "Die Lehrer werden die Schüler weiter betreuen", erklärt der Schulleiter.
Falschmeldung schreckt Eltern auf
Das gilt auch an anderen weiterführenden Schulen. Am Eppinger Hartmanni-Gymnasium hatte eine Falschmeldung im Internet am Morgen Schüler und Eltern aufgeschreckt, die die Schulschließung verkündete. "Der Unterricht läuft heute ganz normal", erklärte hingegen Direktor Ulrich Müller auf Anfrage.
„Schulen sollten als letztes schließen.“
Ulrich Müller, Direktor
Allerdings haben seit dieser Woche alle 961 Schüler einen Moodle-Zugang. Über diese Online-Plattform werden die Lehrer Aufgaben zur Verfügung stellen, wenn kein Unterricht mehr stattfindet. "Wir sind bestens vorbereitet", betont Müller. Trotzdem finde er eine Schließung "überzogen". Die Panik sei größer als der Anlass: "Schulen sollten als letztes schließen", sagt der Schulleiter, der derzeit auf die Anweisung des Gesundheitsamtes wartet.
Neuer Stoff zum Üben
Auch die Schüler der Heilbronner Heinrich-von-Kleist-Realschule werden im Notfall online mit Aufgaben versorgt. "Den Unterricht ersetzt das nicht", erklärt Rektorin Melanie Haußmann. Auch sie hält die Schließung für "immer realistischer". In den vergangenen Tagen haben die Lehrer deshalb neuen Stoff in den Klassen eingeführt, der zu Hause geübt werden kann. "Wir wollen lieber vordenken als hinterherrudern."
„Das ist eine Situation, die wir so noch nicht hatten.“
Andreas Meyer, Direktor
Vorkehrungen hat auch das Heilbronner Mönchsee-Gymnasium getroffen. Die Schließung sei sehr wahrscheinlich, sagt Direktor Andreas Meyer. "Das ist eine Situation, die wir so noch nicht hatten." Alle Schüler sollen heute ihre Schließfächer leeren, auch am Samstag sei das Schulhaus geöffnet, damit alle ihr Material mit nach Hause nehmen können. "Schüler und Eltern gehen aber ganz ruhig mit der Situation um", erklärt Meyer. Aktuell befinden sich vier Jugendliche in häuslicher Quarantäne, es gebe aber keinen Corona-Verdachtsfall, so der Schulleiter. "Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme."
Alle Schulen wollen Eltern und Schüler auf ihrer Homepage informieren, wenn eine Entscheidung getroffen ist.