Befürworter des Aquatolls in Neckarsulm haken das Bad ab
Die Stadtverwaltung Neckarsulm diskutiert mit Aquatoll-Fans und bittet sogar den Landkreis um finanzielle Unterstützung. Ohne Erfolg.

Ernüchternd haben Aquatoll-Befürworter zur Zukunft der Badelandschaft reagiert: Die Neckarsulmer Stadtverwaltung und Aquatoll-Werkleiter standen am Dienstagabend gut 150 Interessierten in der Ballei Rede und Antwort. Kaum jemand rechnete im Anschluss an diese Veranstaltung aber noch damit, dass der Gemeinderat bereit ist, Saunalandschaft und Freizeitbad finanziell zu unterstützen.
Nach den Osterferien entscheidet der Gemeinderat
Der Gemeinderat entscheidet Ende April, ob er einen mittleren zweistelligen Millionen-Betrag für die Sanierung der Technik und die Modernisierung des Aquatolls in die Hand nehmen will. Danach sieht es nicht aus. Unklar ist, ob sich ein privater Betreiber für die Anlage oder zumindest die Sauna findet, Gespräche werden derzeit geführt. Ohne diese Unterstützung von außen folgt in einem weiteren Schritt vermutlich der Abriss.
Die Stadt überlegt, stattdessen ein Hallenbad mit wenigen 25-Meter-Bahnen zu errichten. Vielleicht lässt sich dabei das jüngste Aquatoll-Kind, die Piratenwelt für die kleinen Besucher, integrieren. Details würden mit den Neckarsulmern und den Vereinen erarbeitet, sollte sich der Gemeinderat dafür aussprechen.
Ehemalige Mitarbeiterin erkennt Fehler

"Wo kein Wille ist, da ist kein Weg", sagte nach der Veranstaltung eine ehemalige Aquatoll-Mitarbeiterin. Sie ist enttäuscht, dass dem Bad das Aus droht und dass für die Verantwortlichen im Rathaus und Gemeinderat keine abgespeckte Variante denkbar ist. Sarkastisch meinte sie: Die Stadt müsse schon sehr reich sein, wenn sie es sich leisten könne, das Aquatoll abzureißen. Einige Fehler sind ihrer Ansicht nach in der Vergangenheit gemacht worden. Man hätte sich viel früher von der Sole, die Leitungen aggressiv angreift, verabschieden müssen. Zahlreiche Werkleiter hätten das Bad auch nicht vorangebracht.
Die Sauna ist beliebt - aber im Vergleich zu günstig
Jürgen Kühner, der seit Jahren die Sauna besucht, hoffte, dass zumindest dieser Bereich privat geführt werden kann. Die Atmosphäre werde doch gelobt, berichtete er von Gesprächen unter Stammgästen. Andere Bäder hätten ein solches Flair nicht, andernorts fühle er sich eingeengt. Die Preise fürs Aquatoll gelten als niedrig, unter privater Regie dürfte sich das ändern. Jürgen Kühner ist aber nach eigenen Angaben bereit, einen höheren Eintritt zu bezahlen.
Zwar gelten städtische Bäder generell als Zuschussgeschäft, die Stadt Bad Rappenau war aber viele Jahre stets stolz auf ihre Sauna, die Teil des Rappsodie mit Hallen- und Freibad ist. Verwaltungsintern wurde dort die Sauna oft als Cashcow des Rappsodie bezeichnet, also als der Bereich, der einen Überschuss erwirtschaftet. Beim Aquatoll in Neckarsulm galt das aber nicht.
Werkleiter Lars Nielsen berichtete beim Infoabend beispielsweise vom letzten Jahr vor Corona: Vierte Quartale gelten für Saunen als die umsatzstärksten Monate. In den letzten drei Monaten 2019 hätte die Stadt aber bei der Aquatoll-Sauna dennoch 4000 Euro drauflegen müssen. Der Eintritt in den Wellnessbereich sei "extrem günstig", so Lars Nielsen.

Beim Infoabend wird über vieles gesprochen
Die Stadt präsentierte die denkbaren Alternativen, die neben der Sanierung möglich sind. Die Interessierten hakten nach - zu den Zielgruppen, zu zurückliegenden Investitionen in die Technik. Lars Nielsen beschrieb mit nüchternen Worten die Situation und die Ausnahmegenehmigung beim Brandschutz, wegen der das Bad derzeit überhaupt noch geöffnet sein kann. Er dankte den Technikern, die das Aquatoll in den zurückliegenden drei Jahrzehnten am Laufen gehalten haben. Aber: Nach 30 Jahren würde bei Bädern der Lebenszyklus enden.
Die Besucherzahlen gehen zurück
Unter dem Stichwort Boosterung denkbar ist eine Lösung für zweieinhalb Millionen Euro, mit der die Technik vorübergehend am Laufen gehalten werden könnte. Sie habe Nachteile, betonten Nielsen und die Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Steffen Hertwig. Man setze nur ein kleines Geld, ohne groß voranzukommen. Kritisch gesehen wird, dass beim Aquatoll nur über die große Lösung geredet wird. Neben der eigentlichen Sanierung der Technik treibe die Modernisierung den Preis in die Höhe. Die Sauna würde neu aufgestellt, im Spaßbereich der Wildwasserkanal durch neue Rutschen ersetzt.
Dass es aus Sicht der Verantwortlichen nicht bei der Sanierung bleiben kann, begründeten sie mit den rückläufigen Besucherzahlen durch Alternativen. "Es gibt attraktive Bäder, die Publikum abziehen", sagte Steffen Hertwig. Zählte Neckarsulm zu Beginn noch 450.000 Besucher pro Jahr im Aquatoll, waren es im letzten Vor-Corona-Jahr noch 260.000 (2019). Dabei sind es vor allem Auswärtige, die nach Neckarsulm kommen, betonte Lars Nielsen. Neckarsulmer machten nur einen Bruchteil aus. Sie kommen günstiger rein, diese Ermäßigungen hätten 2019 gut 12.000 Besucher in Anspruch genommen.
Der Landkreis lehnt dankend ab
Die Stadtverwaltung hat in den zurückliegenden Monaten viele Gespräche geführt, um finanzielle Unterstützung zu bekommen und das Bad so zu erhalten. Derzeit laufen Gespräche mit einem Interessenten. OB Hertwig warnte vor zu großen Hoffnungen in einen privaten Betreiber. Der würde nicht zum Nulltarif einsteigen, sondern einen finanziellen Beitrag durch die Stadt einfordern. Auch bei den Großbetrieben in der Stadt habe der OB nachgehakt - ohne Erfolg. Sogar beim Landkreis klopfte die Stadt an und erhielt eine Abfuhr.
Landrat Norbert Heuser betonte auf Anfrage unserer Zeitung: "Natürlich ist das Aquatoll als attraktives Freizeitangebot für den Landkreis von großer Bedeutung." Er ergänzte: "Jedoch muss der Landkreis in den kommenden Jahren viele eigene bedeutende Infrastrukturprojekte finanzieren, weshalb es kaum Möglichkeiten gibt, Freiwilligkeitsleistungen in nennenswertem Umfang in einzelnen Kommunen zu unterstützen."
Denkmalschützer schauen sich die Kuppel genauer an
Die muschelförmige Kuppel ist eine Besonderheit, die Stahlkonstruktion erhielt in den 90er-Jahren sogar einen Preis. Nun prüfen Denkmalschützer des Landes, ob das Areal schutzwürdig ist. Das zuständige Regierungspräsidium in Stuttgart teilt mit, dass das gesamte Areal auf eine mögliche Kulturdenkmaleigenschaft geprüft werde. "Mit einer Entscheidung ist bis Ende April/Anfang Mai zu rechnen."
Heiko Schulz, der eine Petition zum Erhalt des Aquatolls ins Leben gerufen hat, ist skeptisch, das Bad zu retten. "Wir müssen einen Haken dranmachen."
Info-Veranstaltung zum Nachschauen
Die Einwohnerinformationsveranstaltung wurde per Live-Stream auf dem städtischen YouTube-Kanal der Stadt Neckarsulm übertragen. Hier gibt es das Video zum Nachschauen.