Analyse: Wie steht es um den Windkraft-Ausbau in der Region?
Was muss geschehen, um die ambitionierten Ziele von Landes- und Bundesregierung vor Ort wirklich zu erreichen - und warum kommt der Bau neuer Windräder nur schleppend voran?

Die gute Nachricht zu Beginn: Es tut sich etwas. Anfang Februar hat das Landratsamt des Hohenlohekreises fünf Windräder auf der Karlsfurtebene genehmigt. Und kurz darauf gingen die drei Anlagen des Bürgerwindparks Hohenlohe auf Obersulmer und Bretzfelder Gemarkung in Betrieb. Wie steht es um den Windkraft-Ausbau in der Region? Der Versuch eines Überblicks.
Im Landkreis Heilbronn sind damit, wie das dortige Landratsamt mitteilt, aktuell 21 Anlagen am Netz. Allesamt wurden sie in der Zeitspanne der vergangenen zehn Jahren genehmigt. Doch der für eine gelingende Energiewende nötige Ausbau stockt hier ganz besonders. Denn: Es gibt derzeit dort kein einziges laufendes Genehmigungsverfahren mehr. Dabei bietet der Landkreis Heilbronn laut einer gemäß des jüngsten Windatlas" gefertigten Analyse ein theoretisches Flächenpotenzial "für 604 Anlagen auf geeigneten Flächen und 141 auf bedingt geeigneten Flächen", wie die Landesregierung unlängst auf eine Kleine Anfrage von Rainer Podeswa, AfD-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Eppingen, mitgeteilt hat. Das tatsächliche Potenzial sei jedoch geringer. Auf 13,1 Prozent der gesamten Landkreis-Fläche wehe jedenfalls ausreichend Wind.
Flaute statt Rückenwind
Im Stadtkreis Heilbronn wurden "bisher noch keine Windkraftanlagen beantragt und somit auch nicht genehmigt", sagt Sprecherin Claudia Küpper. Man registriere aber aufgrund des angestrebten Ziels der neuen Bundesregierung, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft auszuweisen, vor Ort "derzeit ein verstärktes Interesse für Standorte der Windkraftgenerierung".
Dennoch werden aller Voraussicht nach weder im Land- noch im Stadtkreis Heilbronn in den nächsten Jahren neue Windräder in Betrieb genommen werden können. Und die Ablehnungs-Quote von Anträgen ist nicht unerheblich: "Bestandskräftig abgelehnt wurden im Landkreis Heilbronn seit 2010 insgesamt fünf Anlagen", teilt Sprecherin Tamara Waidmann mit. Dies betraf im Harthäuser Wald auf den Gemarkungen der Kommunen Widdern drei Anlagen und bei Hardthausen und Möckmühl je eine.
Natur- und Artenschutz, Forst- und Planungsrecht, Raumordnungsmaßgaben und Denkmalschutz standen auch in Hohenlohe öfters den Plänen der Projektierer im Wege: Im Hohenlohekreis wurde, wie Kreis-Sprecher Sascha Sprenger informiert, seit 2010 vier Anlagen die Genehmigung versagt - dabei handelt es sich um die avisierten Windräder von Abo Wind zwischen Waldenburg, Neuenstein und Öhringen-Michelbach. Unlängst hat der Projektierer angekündigt, von den Plänen für zumindest zwei der von ihm beklagten Anlagen Abstand zu nehmen. Auch im Hohenlohekreis fällt die Zahl der sich überhaupt im Genehmigungsverfahren befindlichen Windräder überschaubar aus - es sind lediglich die zwei Anlagen bei Pfedelbach-Gleichen.
Aktuell drehen sich im gesamten Hohenlohekreis 14 Windenergie-Generatoren - und immerhin 16 Anlagen sind seit 2010 genehmigt worden: eine bei Forchtenberg-Sindringen, fünf im Windpark Weißbach, die zwei neu in Betrieb genommenen bei Bretzfeld, drei im Windpark Krautheim-Eckigbreit sowie nun die fünf des Windparks Karlsfurtebene. Dennoch: Wenn die Ziele der Bundes- und Landesregierung erreicht werden sollen, ist das viel zu wenig. Wo hakt es beim Ausbau? Und was wäre dringend notwendig? "Wir benötigen ganz klar wesentlich kürzere Genehmigungsverfahren", sagt Anja Leipold, Sprecherin beim Energieversorger Zeag, der 17 Anlagen im Kreis Heilbronn sowie vier im Hohenlohekreis betreibt. Zusätzlich müssten viel mehr Windkraft-Flächen ausgewiesen werden, um "zunehmender Stromnachfrage und den steigenden Preisen durch mehr grüne Produktion" Rechnung zu tragen.
Lokalpolitik als Bremser?
Technische Systeme zur Vogelerkennung seien mittlerweile ausgereift: "Diese als ausreichenden Schutz für Greifvögel anzuerkennen, würde sehr helfen." Und: "Außerdem sollte der Klimaschutz dem Artenschutz gleichgestellt werden. Das hätte auch für die Rechtsprechung Vorteile, denn Richter könnten Einzelsituationen viel besser abwägen." Trotz aller Widrigkeiten und Widerstände nehme ihr Unternehmen eine "positive Akzeptanz-Entwicklung in der Bevölkerung" wahr. Man hoffe, dass "der Ausbau der Windkraft Auftrieb erhält", so Leipold: "Das nötige Potenzial an geeigneten Standorten ist in unserer Region eindeutig gegeben." Ihr Kollege Daniel Duben vom Projektentwickler Abo Wind: "Die Lokalpolitik geht beim Thema Windkraftausbau leider nicht voran, sondern bremst im Zweifel eher."
Zwischen Bürgerprotest und Bürgerbeteiligung
Es ist und bleibt ein polarisierendes Thema: Während die einen vehement gegen die "Spargel" Front machen, sehen andere sie als Zukunftsmodell - und nehmen zunehmend auch an den immer zahlreicher werdenden partizipatorischen Angeboten teil.
Die Kritiker formieren sich im Landkreis Heilbronn hauptsächlich in der "Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald", welche nach eigenen Angaben die Belange des Natur- und Artenschutzes beim Ausbau der Windkraft vertritt.
Im Hohenlohekreis existieren die Bürgerinitiativen "Gegenwind am Limes", "Windkraft Mittleres Jagsttal", "Gegenwind Waldenburg-Michelbach-Öhringen" und "Gegenwind Sindelbachtal".
Aber immer mehr Politiker, Projektierer und andere Menschen erkennen: Windkraft-Ausbau funktioniert nur, wenn auch Bürger und Kommunen von den Anlagen in der Nachbarschaft profitieren: "Aus meiner subjektiven Sicht ist durchaus Interesse an einer Bürgerbeteiligung vorhanden", sagt beispielsweise Abo-Wind-Sprecher Daniel Duben. Und so hat sein Unternehmen vor einigen Tagen auch ein Beteiligungsmodell für den geplanten Windpark Karlsfurtebene angekündigt.
Im Landkreis Heilbronn gibt es vier Bürgerwindparks: Bürgerenergie Löwenstein, Harthäuser Wald I und II und den Bürgerwindpark Bretzfeld-Obersulm. Geplant ist nach Angaben des Heilbronner Landratsamts auch der interkommunale Windpark "Waidach", an dem Roigheim , Adelsheim und Schefflenz (beide Neckar-Odenwald-Kreis) beteiligt sein werden.
Im Hohenlohekreis existieren aktuell ebenfalls bereits mehrere partizipatorische Modelle: Bürgerwindpark Hohenlohe, Bürgerenergie Krautheim, Bürgerenergie Forchtenberg, der Windpark "Auf der Höhe" sowie überdies noch der Bürgerwindpark Weißbach.