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Post-Covid-Betroffene: „Manchmal verlasse ich das Haus 14 Tage lang nicht“

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Sie ist gerade einmal 50 Jahre alt und steht kurz vor der Frühpensionierung: Seit einer Covid-Erkrankung vor über einem Jahr ist eine Beamtin aus dem Landkreis Heilbronn chronisch krank. 


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Daniela D. ist 50 Jahre alt (Name von der Redaktion geändert). Eine Frau in einer festen Beziehung, mit einer Lieben zu Katzen und Hardrock-Musik. Eine Frau, die seit ihrem 16. Lebensjahr in Vollzeit gearbeitet hat, und jetzt sagt: „Manchmal verlasse ich das Haus 14 Tage lang nicht, nicht mal, um zum Briefkasten zu gehen. Ich mache fast nichts mehr mit Freunden und habe mich komplett zurückgezogen.“

Daniela D., Beamtin aus einer Gemeinde im nördlichen Landkreis Heilbronn, steht kurz vor der Frühpensionierung. „Früher habe ich viel gearbeitet, organisiert, war für Menschen da“, sagt sie. Heute schaffe sie es an machen Tagen nicht, ohne Hilfe einen Brief zu formulieren. Die Konzentration reicht dafür nicht. „Ich komme mir nutzlos vor.“

Post-Covid-Betroffene auf dem Landkreis Heilbronn: Erst Covid, dann eine Influenza

Im Dezember 2023 ist Daniela D. an Covid erkrankt, sie hatte vorher schon einmal eine Infektion durchgemacht, war geimpft, der Verlauf war mild, alles harmlos, dachte sie. Dann, vier Wochen später, erwischt sie eine Influenza. „Ich war komplett am Ende, vier Tage lang konnte ich gar nichts machen.“ Danach muss sie sich durch ihre Wohnung zur Toilette schleppen.

Vom Bett aus schafft sie ein paar Schritte bis in den Flur, muss dort auf einem Stuhl pausieren, schleppt sich weiter. „Ich habe geschwitzt wie noch nie in meinem Leben, hatte Schwindel, mein Kreislauf hat komplett versagt.“ Fürs Duschen und Anziehen braucht sie in dieser Zeit über eine Stunde, danach legt sie sich wieder hin, so fertig ist sie von der Anstrengung. Tagelang, wochenlang hofft Daniela D. im Frühjahr 2024 darauf, dass sich ihr Zustand bessert, „aber es hat sich fast gar nichts getan“.


Post Covid: Hausarzt sagt, sie müsse abwarten

Irgendwann bestätigt ihr damaliger Hausarzt, was sie schon ahnt: „Das wird Post Covid sein.“ Vorschläge, um ihre Situation zu verbessern, habe er keine gehabt, nur gesagt: „Da müssen Sie abwarten.“ Oder: „Was soll das bringen, zu einem anderen Arzt zu gehen?“ Er habe wohl gedacht, sie simuliere, erzählt sie.

In ihrer Verzweiflung kümmert sich Daniela D. selbst um Termine. Geht zum Kardiologen, zum Neurologen, zum Orthopäden und zum Lungenfacharzt. „Er war der erste, der zugehört und mich ernst genommen hat“, sagt sie. Der Umgang mit ihr innerhalb des Systems sei „niederschmetternd“ gewesen, so empfindet sie das.

Aus ihrem Umfeld kommen in dieser Zeit häufig Kommentare wie „dann arbeite halt im Homeoffice“. Solche Äußerungen seien „vernichtend“, sagt sie. In den ersten Monaten habe sie an manchen Tagen kämpfen müssen, überhaupt aus dem Bett zu kommen. 16 Stunden Schlaf seien die Norm gewesen.

Post Covid: Die Leistungsfähigkeit ist weg 

Heute, gut ein Jahr und 2 Monate nach ihrer akuten Covid-Infektion, sagt Daniela D.: „Während der Pandemie war alles geregelt, die Leute durften nicht aus dem Haus gehen, um ihre Gesundheit zu schützen. Heute kümmert sich niemand mehr um uns Kranke. Es heißt: Macht doch, was ihr wollt.“ Bei 30 Prozent ihrer früheren Leistungsfähigkeit sei sie inzwischen wieder angelangt, schätzt sie. Im Rückblick seien kleine Fortschritte erkennbar, immerhin: „Inzwischen brauche ich nur noch zwölf Stunden Schlaf am Stück.“


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Eine Therapie hat sie sich selbst organisiert

Und sie hat sich selbst eine Therapie organisiert: Zwei- bis dreimal pro Woche fährt sie ins Heidelberger Therapiezentrum, um sich dort behandeln zu lassen - und vor allem den Umgang mit den Einschränkung ihres neuen Alltags zu lernen.

Sie absolviert dort eine Art Höhentraining, das das Immunsystem aktivieren soll. Zusätzlich hat sie die Löffeltheorie kennengelernt. Sie sei hilfreich, um ihren Zustand zu verstehen, sagt Daniela D. und holt zur Veranschaulichung zwei Gläser mit bunten Plastiklöffeln an den Tisch.

Post Covid: Löffeltheorie soll Überlastungen sichtbar machen

Die Löffel in dem vollen Glas stehen für die Menge an Energie, die sie täglich zu Verfügung hat - bei gesunden Menschen sind es nach erholsamem Schlaf theoretisch unendlich viele, bei chronisch Kranken nur wenige. An schlechten Tagen können kleine Aktivitäten schon mehrere Löffel kosten, die wandern dann vom vollen Glas ins leere. Betroffene sollen so lernen, ihr Aktivitätsniveau besser auszubalancieren und drohende Überanstrengung früher zu erkennen.

„Ich musste erst lernen, Pausen zu machen. Mich hinzusetzen und nichts zu tun“, sagt Daniela D. Auch dass sie in Heidelberg eine Anlaufstelle hat und sich jemand die Zeit nimmt, ihr zuzuhören, tut ihr gut: „Vorher hat das niemanden interessiert, wie es mir geht. Für die meisten Ärzte bin ich eine Last.“ Ob ihre private Krankenversicherung und die Beihilfe des Landes Baden-Württemberg allerdings die Kosten von rund 1000 Euro im Monat für die Therapie übernehmen werden, ist noch nicht sicher. 

Ihr Traum: Zurück in den Job können und wieder aktiv sein

Was Daniela D. sich wünscht? Am Wochenende mal wieder etwas unternehmen zu können mit ihrem Freund. Vor ihrer Erkrankung sind sie zusammen Tandem gefahren, gereist und auf Konzerte und Feste gegangen, jetzt sitzen sie meist nur auf dem Sofa und halten Händchen. „Er ist mein Fels in der Brandung“, sagt sie und dass sie ihm unendlich dankbar sei für seine Geduld und seine Unterstützung. Arbeiten würde sie auch gern wieder. „Ich hatte mein Traumjob.“ Ihre frühere Leistungsfähigkeit wieder zu erlangen, erscheint ihr derzeit allerdings noch nicht realistisch. „Wenn ich wieder bei 70 Prozent lande, bin ich glücklich.“ 

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