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Hohe PFAS-Werte in Bad Wimpfen: Expertin warnt vor Gesundheitsrisiken

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Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) schlägt Alarm angesichts der PFAS-Verschmutzung in Trinkwasser, Böden, Natur und Umwelt. Eine Rolle spielt dabei auch die Einleitung von TFA in den Neckar durch die Bad Wimpfener Firma Solvay. 


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Vor einigen Wochen wurde bei der Beprobung von Quellen in Bad Wimpfen und Untereisesheim eine erhöhte Konzentration von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) nachgewiesen, dabei waren vor allem die Trifluoracetat-Werte (kurz TFA) auffällig hoch, was Verunsicherung bei der Bevölkerung auslöste. Denn die Ewigkeitschemikalie gilt als schwer abbaubar und steht in der Kritik, gesundheitliche Erkrankungen hervorzurufen. Auch in zahlreichen Alltagsprodukten wie beschichteten Pfannen, Backpapier und Verpackungen kommt PFAS vor.

Hohe PFAS-Werte bei Bad Wimpfen: Experten bei Infoveranstaltung

Im Rahmen einer gut besuchten Infoveranstaltung im evangelischen Gemeindehaus von Bad Wimpfen ging der BUND unter der Moderation von Gunter Haug mit Experten aus den Bereichen Trinkwasserversorgung, pharmazeutischer und medizinischer Chemie und der Chemikalienpolitik Fragen zur Gesundheitsgefährdung und den langfristigen Folgen auf den Grund.

Experte: 20 Prozent der Jugendlichen haben einen zu hohen PFAS-Wert im Blut

„Untersuchungen des Meeresschaums, des Bodens und des Regens zeigen, dass unsere Umwelt bereits weitläufig mit PFAS imprägniert ist“, erklärte Janna Kuhlmann, Chemikalienexpertin des BUND aus Berlin. Auch Nahrungsmittel wie Fisch, Muscheln, Tierinnereien seien stark belastet. Hinzu komme PFAS im Bereich der Industrie in Form von Abbauprodukten wie es beim Wimpfener Unternehmen Solvay der Fall ist. Was das für die Bevölkerung bedeute, stellt Kuhlmann schonungslos dar: So habe die Erhebung der Deutschen Umweltstudie 2020 gezeigt, dass 20 Prozent der Jugendlichen einen zu hohen PFAS-Wert im Blut haben.

Unsichtbare Gefahr: Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen kommen in Gewässern wie dem Neckar vor, aber auch in Alltagsprodukten.
Unsichtbare Gefahr: Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen kommen in Gewässern wie dem Neckar vor, aber auch in Alltagsprodukten.  Foto: Seidel, Ralf

„Diese hohe Belastung kann gesundheitliche Folgen haben“, so Kuhlmann. Erste Anzeichen einer Erkrankung seien eine Schwächung des Immunsystems. Eine höhere Konzentration im Körper könne zudem krebserregend sein oder zu Unfruchtbarkeit führen. „Wir müssen PFAS dringend regulieren“, betonte Kuhlmann. Innerhalb der PFAS-Gruppe gebe es mehr als 10.000 verschiedene Verbindungen, wobei TFA das kleinste Molekül ist, und lediglich 20 davon seien aktuell reguliert.

PFAS-Belastung: BUND fordert Wasserreinigung nach dem Verursacher-Prinzip 

Doch es gebe Grund zur Hoffnung: Ein Beschlussvorschlag zur Beschränkung von PFAS werde derzeit wissenschaftlich geprüft und absehbar der EU-Kommission zur Abstimmung vorgelegt. Außerdem forderte Kuhlmann eine bessere Transparenz, was PFAS-Inhaltstoffe in Produkten angeht. Sie empfahl, über die BUND-App Toxfox per Scan Schadstoffe beispielsweise bei Kosmetik auszulesen. „Zudem müssen wir die Hersteller nach dem Verursacher-Prinzip in die Pflicht nehmen.“ Leite Solvay täglich TFA in den Neckar, müsse die Firma auch für die Reinigung des Wassers aufkommen.

PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, eine große Gruppe von mehreren tausend synthetischen Industriechemikalien. Sie sind bekannt für ihre wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften und ihre hohe Stabilität, weshalb sie in vielen Bereichen eingesetzt werden. Allerdings sind sie auch problematisch, da sie sich in der Umwelt anreichern und gesundheitsschädlich sein können. red

„Es gibt aktuell keinen Produktionsprozess ohne PFAS“, berichtete Dr. Michael Müller, Professor an der Universität Freiburg und einer der führenden Forscher im Bereich PFAS. Dabei gebe es für nahezu alle PFAS-Anwendungen Alternativen – dies schließe auch die Herstellung von Medikamenten ein. Aus Müllers Sicht ist allerdings nur das klare Verbot der Ewigkeitschemikalie dazu in der Lage, die Industrie dazu zu bewegen, diese Optionen tatsächlich zu nutzen oder weiterzuentwickeln. Das Festhalten an alten, auf PFAS basierenden Verfahren führe hingegen zu einer Deindustrialisierung. Müller: „TFA hat sich mittlerweile in nahezu allen Lebensbereichen ausgebreitet.“ Allein über den Regen würden jährlich etwa 80 Tonnen über Deutschland niederprasseln – Tendenz steigend, denn das Molekül reichere sich an.

Was PFAS für Probleme in Sachen Wasserversorgung bedeute, machte Alfred Ewen klar: „Wir müssen verhindern, dass solche Stoffe ins Grundwasser kommen.“ Diese wieder herauszuholen sei aktuell nur mittels teuren und aufwendigen Verfahren möglich. Die Wasserwerke würden beispielsweise in Mannheim kontinuierlich steigende TFA-Werte beobachten, inzwischen sei es notwendig, Wasser aus weniger belasteten Brunnen zuzumischen.

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