Vom Lauftraining in Erlenbach zum Berlin-Marathon: Das sind die Läufer und ihre Ziele
Der Modellathlet mit 100 Kilo Körpergewicht, die Fitnesstrainerin mit Problemen am Berg und der Familienvater: Sie trainieren für einen Marathon. Wie Lauftrainer Johannes Kaisers sie durchs Ziel bringen will.

Vor 20 Jahren hat Johannes Kaisers in Erlenbach eine Laufgruppe ins Leben gerufen. Seit zwei Jahrzehnten treffen sich ihre Mitglieder jeden Sonntag zum gemeinsamen Training – und stellen sich gemeinsam immer wieder neuen Herausforderungen wie dem New York-Marathon, dem Heilbronn-Triathlon oder dem Rennsteiglauf. In diesem Jahr ist das Ziel der Berlin-Marathon im September.
Die Gruppe besteht aus Läufern mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen: leistungsstarke Läufer, Quereinsteiger und Athleten aus anderen Sportarten. Alle bringen ihre Stärken mit und sehen sich mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Im Rahmen unserer Serie "Besser laufen" begleiten wir einige Mitglieder der Gruppe auf ihrem Weg nach Berlin.
Bianca Mühlbeyer, 51
„Die Gruppe ist ein Glücksgriff, dadurch werde ich nochmal auf ganz andere Art motiviert“, sagt Bianca Mühlbeyer. Sport ist auch der Beruf der Mutter dreier erwachsener Töchter aus Gundelsheim. Sie gibt Fitnesskurse und ist außerdem Besen-Wirtin in der Kuhberg-Schänke im Teilort Bachenau. Ihr großes Thema: den Berg hoch laufen, „das ist immer, als ob mir jemand eine Bremse reinhaut“.

Sie hat schon zahlreiche Male am Trollinger Marathon auf der Halbdistanz teilgenommen, ihre selbst gesetzten Zielzeiten dabei aber jeweils verfehlt. „Ich hab mich immer so unter Druck gesetzt und hatte mentale Probleme.“ Nach dem Lauf 2018 sagte sie sich deshalb auch „nie wieder“ - bis 2023, als sie 50 wurde und den Startplatz geschenkt bekam. „Da habe ich es dann zwar nicht ganz geschafft, mein Ziel von unter zwei Stunden zu erreichen, aber die Zeit von 2:10 Stunden ging für mich trotzdem in Ordnung.“ Im September soll es die Volldistanz beim Berlin-Marathon sein. „Davor habe ich schon Respekt“, sagt Bianca Mühlbeyer, „aber die Gruppe motiviert mich und gibt mir Halt“.
Marcel Senghas, 49
„Ich freue mich jeden Sonntag auf unser gemeinsames Laufen“, sagt Marcel Senghas aus Erlenbach. Seit ungefähr 15 Jahren ist der 49-Jährige bei der Gruppe von Johannes Kaisers dabei, ein Nachbar und Freund hat ihn mitgenommen. „Wir haben gemeinsam schon auf diverse Events hin trainiert“, sagt er. Der Zusammenhalt in der Gruppe gebe ihm Motivation, „so ist es einfacher, Ziele zu erreichen“.

Der Berlin-Marathon wäre der bisher längste Lauf für Marcel Senghas. „Es ist schon eine Herausforderung, den Körper von Einheiten über maximal zwei Stunden auf 4,5 Stunden zu bringen.“ Davor hat er Respekt, auch mental werde das nicht einfach, ist der kaufmännische Angestellte überzeugt. Aber seine Lebenssituation - eine Tochter ist erwachsen, die andere im Teenager-Alter - gibt ihm mehr Spielraum zum Trainieren. „Und es hilft, immer einen festen Zeitpunkt fürs Training zu haben.“
Sebastian Hammer, 43
Der 43-Jährige aus Erlenbach ist der Modellathlet der Gruppe. Er schwimmt, spielt Wasserball, fährt Fahrrad und macht Krafttraining, fast jeden Tag bewegt er sich. „Joggen ist für mich ein guter Ausgleich und ich kann es überall machen, auch, wenn ich beruflich unterwegs bin“, sagt der Projektmanager. Ein idealer Marathonläufer ist er mit seiner Größe von 1,95 Meter und einem Gewicht von gut 100 Kilo nicht, das ist ihm bewusst. Mit den schnellen Läufern aus der Gruppe kann er sich nicht messen, was das Tempo angeht. „Mein Ziel für Berlin ist es erstmal anzukommen“, sagt er. Die Zeit sei zweitrangig.

Und er will gesund bleiben. Vor zwei Jahren hatte Sebastian Hammer eine schmerzhafte Knochenhautentzündung - wahrscheinlich wegen einer Mischung aus schlechtem Schuhwerk, einseitiger Belastung und Übertraining. Danach hat er sich coachen lassen und dabei viel dazugelernt, über sich, seinen Körper und sinnvolles Training.
Johannes Kaisers, 53
Er ist der „Träner“, wie er selbst schreibt, und die gute Seele der Gruppe: Johannes Kaisers hat alle Läufer im Blick, Strecke und Tempo passt er an die Voraussetzungen derer an, die sonntags zum Training erscheinen. Bei Wettbewerben stellt er die eigenen Ambitionen hintenan, um alle aus dem Team durchs Ziel zu bringen, bisher sei das auch immer gelungen. „Wenn jemand Probleme hat, ziehe ich ihn mit durch. Das ist mehr Wert, als selbst fünf Minuten schneller zu sein.“

Johannes Kaisers hat eine Ausbildung zum Skilehrer und Technik-Kurse für Läufer absolviert, ansonsten „zig Bücher übers Laufen“ gelesen, wie er erzählt. Und er ist eine Frohnatur. „Ich bin immer positiv eingestellt und das vermittle ich auch.“ Selbst mit einer Verletzung am Fuß, wegen der er mehrere Wochen pausieren muss, sagt er: „Das ist halt so, ich fahre dafür dreimal in der Woche auf der Rolle, um meine Fitness zu behalten, danach steige ich beim Laufen wieder ein.“ Sein Ziel für Berlin: Alle 27 Teilnehmer gut durchs Ziel bringen. „Es ist unwahrscheinlich schön zu sehen, welche Gemeinschaft bei solchen Events entsteht.“


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