Heilbronns erster und einziger Unverpacktladen schließt: "In den letzten Wochen alle Emotionen durchlaufen"
Der Unverpacktladen Liva in der Heilbronner Allee schließt – fünf Jahre nach der Eröffnung. Was sind die Gründe für das Aus?
Schon nach kurzer Zeit ist eine Wand im Laden vollgeschrieben mit guten Wünschen für ein nachhaltiges Heilbronn. Da erhofft man sich ein Ende der Raserszene, mehr Rücksicht aufeinander sowie Unterstützung für Gründer im Nachhaltigkeitsbereich. Der Eintrag eines Gastes – „ein Unverpackt 2.0“ – ruft die meisten Reaktionen hervor: „Unbedingt“, „Bitte, ja“, „Wünsche ich mir auch“ steht daneben.
Vorläufig markiert die Wünschewand jedoch das Ende von Heilbronns erstem und einzigen Unverpackt-Laden Liva. Inhaber Patrick Wimmer legt Wert darauf, dass die Wand zur Geltung kommt. Was er sich für ein nachhaltigeres Heilbronn wünscht? „Ich habe bis heute keine Antwort darauf.“
Nach knapp fünf Jahren geben Patrick Wimmer und Linda Tiedemann ihr Geschäft auf, in dem es Lebensmittel und Produkte möglichst plastik- und verpackungsfrei zu kaufen gab. Beim Abschiedsfest mit Stammkunden, Freunden und Bekannten am Samstag gibt es für die beiden Gründer viel Lob, es schwingt aber auch Bedauern mit.

Unverpacktladen Liva in Heilbronn schließt: Viele Andrang bei Räumungsverkauf
Vor dem Laden wird die Livemusik vorbereitet, im Inneren drängen sich die Gäste, es gibt vegane Gerichte und Getränke. Im hinteren Ladenbereich, vor den Regalen mit Bienenwachstüchern, Zahnbürsten und Nachfüll-Shampoo, läuft eine Aktion zum Upcycling von T-Shirts.
Viele Leute nutzen den Räumungsverkauf. Die haltbaren Lebensmittel in Spendern und Schütten gibt es günstiger, die Maisstärke sogar umsonst. Was heute nicht weggeht, wird noch an einzelnen Öffnungstagen verkauft. Ende September zieht Liva endgültig aus den Räumen aus.
In dem Trubel sind Wimmer und Tiedemann als Gastgeber gefordert. Trotz der Anspannung überwiegt die Erleichterung. „Wir haben in den letzten Wochen alle Emotionen durchlaufen“, sagt Wimmer.
Mit ihrem Konzept für nachhaltiges, entschleunigtes Einkaufen trafen Linda Tiedemann und Patrick Wimmer vor fünf Jahren den Nerv der Zeit. Als Liva am 28. September 2019 öffnete, hatten Unverpackt-Läden bundesweit Hochkonjunktur. In der Heilbronner Allee standen die Kunden bei der Eröffnung Schlange, und die Gründer starteten zuversichtlich. Nun der Abschied. „Viele glauben, dass es an Heilbronn liegt“, sagt Patrick Wimmer auf die Frage, ob der Standort richtig gewählt war, „aber Liva ist nicht der erste Unverpackt-Laden, der schließen muss.“

Warum muss der Heilbronner Unverpacktladen Liva schließen?
Liegt es an der zunehmenden Bequemlichkeit der Kunden, die schnelles Einkaufen vorziehen, besonders nach der Corona-Zeit? Auch das nicht, so Wimmer: In der Pandemie hielt der Unverpackt-Trend an, der Heilbronner Laden ging trotz leichter Umsatzeinbußen nicht schlecht daraus hervor. Die Pandemie schärfte sogar das Bewusstsein für nachhaltiges Einkaufen.
Folgenreicher ist für Liva dagegen der russische Angriffskrieg auf die Ukraine seit 2022. Die Frachtkosten steigen, die Gründer haben Mühe, die Mindestbestellmengen zu erreichen. Immerhin seien „schöne Kooperationen“ mit der Jugendherberge und einer Heilbronner Kita entstanden, die sich auch nach dem Aus von Liva weiter von einem Unverpacktladen beliefern lassen wollen, sagt Wimmer. „Corona und der Krieg waren Wandlungsbeschleuniger. Dadurch haben wir gute zehn bis 15 Jahre übersprungen.“ Offenbar zu schnell für den Unverpacktladen.
Inhaber von Liva: "Ich würde es jederzeit wieder tun"
Zuletzt standen Patrick Wimmer und Linda Tiedemann selbst an der Kasse, um Personalkosten zu sparen, mittwochs ist der Unverpacktladen geschlossen. Im Oktober 2023 steht Liva kurz vor dem Aus. Der Einstieg von Lisa Hahn-Woernle und Jochen Peschke als Mitgeschäftsführer bringt nur kurzzeitig Entlastung. Wer auf Trends setzt, geht Risiken ein.
Auf die vergangenen fünf Jahre möchte er Patrick Wimmer dennoch nicht verzichten, obwohl sie auch mit Existenzsorgen verbunden waren. „Ich habe eine neue Wertschätzung für Selbstständigkeit entwickelt“, sagt der gelernte Zimmermeister, der bei einem nachhaltigen Energieunternehmen als Projektleiter in Vollzeit weitermacht. Auf die Zeit mit Liva blickt er wohlwollend zurück: „Ich würde es jederzeit wieder tun."
Zahl der Unverpacktläden geht in Deutschland zurück
Laut Chrissi Holzmann vom Verband Unverpackt ist die Zahl der Läden in Deutschland rückläufig. Aktuell sind im Verband 222 Läden registriert, 2020 waren es 300. Viele Läden schlossen wegen zu wenig Kundschaft. Die Schließungen der Unverpacktläden sei jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass das Interesse an Nachhaltigkeit nachlässt, sondern am strukturellen Wandel des Einzelhandels. Andere Branchen kämpften ebenso mit Umsatzrückgängen. „Der Unverpackt-Handel hatte vor den Krisen keine Zeit, sich vollständig zu etablieren.“

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