Doppelgängerin-Mord an Eppingerin: Wer war Khadidja O.?
Vor zwei Jahren ist Khadidja O. grausam in Bad Rappenau-Fürfeld ermordet worden. Ihre beste Freundin spürt den Verlust jeden Tag. In einem sehr persönlichen Gespräch erzählt sie, wer Khadidja O. war.
Als sie sich kennenlernten, war Leyla 14 Jahre alt und Khadidja zwölf. Heute ist Leyla 27 und Khadidja tot. Ermordet am 16. August 2022 im Wald zwischen Massenbachhausen und Bad Rappenau-Fürfeld. Khadidja O. fehlt ihrer besten Freundin Leyla D. unglaublich. „Ein Teil von mir ist weg, und der ist nicht zu ersetzen“, sagt die Heilbronnerin.
Weil sie beruflich viel Kontakt zu anderen Menschen hat und nicht von jedem auf den Mord angesprochen werden möchte, möchte Leyla D. ihren Nachname nicht öffentlich machen. In einem persönlichen Gespräch erzählt sie, wer Khadidja war – eine junge Frau, die es im Leben nicht leicht hatte und sich nicht unterkriegen ließ.

Doppelgängerinnen-Mord: Khadidja und Leyla – Kindheit im Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Waldenburg
„Sie war herzlich und wunderschön“, sagt Leyla. In allem habe „Didja“, wie Leyla sie nennt, etwas Positives gefunden. Lernten die beiden jemand kennen, über den sie schon Schlechtes gehört hatten – verurteilte Khadidja die Person nicht gleich. „Gib dem eine Chance, wir sind im Hier und Jetzt und nicht in der Vergangenheit.“
Beide Frauen verbrachten in der Jugend einige Jahre im Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Waldenburg im Hohenlohekreis. „Sie war am Anfang ein ruhiges, unscheinbares Mädchen“, erinnert sich Leyla. In der Mädchenwohngruppe sei immer etwas losgewesen. „Wir hatten Spaß und viel gelacht.“ Khadidja habe von ihrer Heimat Algerien erzählt. In dem nordafrikanischen Land wuchs sie bei der Oma auf. Mit etwa acht Jahren kam sie nach Deutschland zu ihrem Vater.
„Sie hat Gewalterfahrungen und schlimme Dinge erlebt“, erzählt Leyla. Diese Erlebnisse hätten Khadidja oft eingeholt. Aber sie sei eine Kämpferin gewesen. „Wir haben uns nicht ohne Grund gefunden und uns gesagt: Wir sind nicht die Opfer unserer eigenen Geschichte.“
Eine innige Freundschaft fühlt sich wie Familie an
Khadidja zog von Waldenburg nach Leingarten und später nach Eppingen. Zuletzt wohnte die 23-Jährige dort in der Johannes-Kleinheins-Straße. Die meiste Zeit habe sie aber bei ihr in Heilbronn verbracht, sagt Leyla. Wenn sie vom Leben mit ihrer Freundin erzählt, setzt manchmal eine Stille ein. Es scheint unbegreiflich, dass Khadidja tot ist.
Die jungen Frauen taten, was viele in dem Alter tun: Sie arbeiteten, trafen sich mit Freunden am Neckar, gingen mal in Heilbronn ins Hip Island oder ins Malinki in Bad Rappenau. Oder sie schauten zu Hause spannende Filme. Sie richteten Snacks her und machten es sich im Bett gemütlich.
Die Beziehung war innig. Die beiden waren wie Familie: „Sie war meine Schwester“, beschreibt Leyla die Verbindung. Sie erzählt von einer ihrer liebsten Erinnerungen: Sie kam nach einer Arbeitswoche im Krankenhaus in Schwäbisch Hall nach Hause. In der Heilbronner Innenstadt habe Khadidja sie entdeckt, sei auf sie zugerannt, habe sie minutenlang gedrückt und in den Armen gehalten. So lange, dass Leyla sagte: „Es reicht jetzt.“ Khadidja habe nur geantwortet. „Ich habe dich so vermisst. Das muss du jetzt aushalten.“
Khadidja O. kellnerte in einem Heilbronner Café
Die beiden Frauen schworen, immer aufeinander aufzupassen. Sie lernten, wie wichtig Kommunikation ist, Dinge an- und auszusprechen. Sie suchten und fanden ihren Weg. „Wir waren erwachsene Frauen“, sagt Leyla. „Wir waren endlich angekommen.“ Khadidja kellnerte in Heilbronn im Café Schümli und im Hans im Glück. Sie war unheimlich sprachbegabt. Sie wollte Dolmetscherin werden, heiraten, Kinder bekommen.
Mitarbeitern im Schümli ist der Medienrummel, den der Mord und der Gerichtsprozess auslösen, zu viel. Zeitungen und Produktionsfirmen, die den Fall für Streamingdienste aufbereiten, fragen nach Infos. Das Team habe sich zusammengesetzt und beschlossen, sich nicht zu äußern, sagt Schümli-Geschäftsführer Ergjan Terzici. Nur so viel: „Khadidja war ein toller Mensch.“
Leyla plant, das Grab von Khadidja O. in Algerien zu besuchen
Yassin Benchaa (28) ist Leylas Freund. Er habe Khadidja nicht kennengelernt, aber er kenne deren Heimatort in Algerien sehr gut: die Küstenstadt Oran am Mittelmeer, eine Metropole mit knapp 700.000 Einwohnern. Benchaas Familie stammt ebenfalls aus Algerien. Die Menschen in Oran erlebe er überwiegend als herzlich und offen.
„Es fühlt sich so an, als würden sich alle kennen“, sagt er. Leyla und er planen, nächstes Jahr Khadidjas Grab auf einem riesigen Friedhof in Oran zu besuchen. Mit ihr beerdigt sind alle Träume und Pläne der Getöteten. „Sie hat immer gesagt: Mit 80 sitzen wir zusammen auf der Terrasse und trinken Schwarztee“, erinnert sich Leyla. „Ich vermisse die Zukunft, die wir nicht mehr haben.“