Falsche Grundsteuerbescheide in Neckarsulm – "massive Datenschutz-Verletzung"
In Neckarsulm wurden Grundsteuerbescheide teilweise an falsche Adressen geschickt – eine Panne, die Datenschutzbedenken aufwirft. Ein Fachanwalt rät zur genauen Prüfung.
In Neckarsulm wurden Grundsteuerbescheide von einem externen Unternehmen teilweise an falsche Adressen verschickt. „Der beauftragte Dienstleister arbeitet bereits mit Hochdruck daran, die Fehlerquelle einzugrenzen“, teilt die Stadtverwaltung dazu mit.
Wie viele der insgesamt 15.000 Bescheide falsch adressiert wurden, ist indessen noch nicht bekannt.
Grundsteuerbescheide in Neckarsulm: Wie gravierend ist die Datenpanne?
Der Neckarsulmer Fachanwalt für Steuerrecht Oliver Horn meint: „Das ist ärgerlich für die Betroffenen.“ Außenstehende könnten erkennen, wie viele Grundstücke jemand besitzt. Allerdings, und diese Einschätzung teilt auch Gerhard Schmidberger, stellvertretender Vorsitzender von Haus & Grund Heilbronn, seien Bodenrichtwerte und Grundstücksgrößen in der öffentlich zugänglichen Datenbank „Boris“ für jeden zugänglich.
Die Verletzung des Steuergeheimnisses sei also nicht gravierend. „Damit das strafrechtlich relevant ist, müsste ein Vorsatz vorliegen“, so Fachanwalt Oliver Horn. Um Fahrlässigkeit auszuschließen, müsse der beauftragte Dienstleister zuverlässig und erfahren sein, und die Stadt habe trotz der externen Vergabe des Auftrags eine Überwachungspflicht beim Versenden der Bescheide.
Bundesbeauftragte für Datenschutz prüft falsch verschickte Grundsteuerbescheide in Neckarsulm
Die Stadt Neckarsulm hatte wegen der Panne zunächst den Landesdatenschutzbeauftragen informiert, bei Behörden ist aber sogar der Bund zuständig. Die zuständige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) habe von der Panne in Neckarsulm aber noch keine Kenntnis. „Wir werden nun zunächst mit den beteiligten Stellen Verbindung aufnehmen“, teilt Pressesprecher Christof Stein auf Anfrage mit.

Grundsätzlich gebe es bei der Grundsteuerreform weiterhin rechtliche Bedenken, so Fachanwalt Oliver Horn. „Das Verfahren verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil es in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen gibt.“ Man müsse nun auf den Ausgang der Musterverfahren warten.
Grundstücke in Obersulm können nur eingeschränkt genutzt werden
In Obersulm gibt es einige Fälle, bei denen Grundstücke nur eingeschränkt bebaut werden können, der Bodenrichtwert aber für die komplette Fläche zugrunde gelegt wird. Im Untergruppenbacher Teilort Unterheinriet ist es für an der Schozach gelegene Stückle ähnlich. Solche ähnlich gelagerten Fälle bearbeite er gerade gehäuft in seiner Kanzlei, so Horn, bei denen es um diese eingeschränkte Nutzbarkeit des Grundstücks geht. „Der Bodenrichtwert gilt für das ganze Grundstück, auch wenn es wirtschaftlich nur eingeschränkt genutzt werden kann.“
Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid einzulegen, hält der Steuerfachanwalt jetzt für wenig zielführend. „Der Einspruch hätte bereits gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamts eingelegt werden sollen.“ Wer diesen noch nicht erhalten habe, solle prüfen, ob man noch dagegen vorgehen könne. Auch den – korrekt zugestellten – Bescheid solle man genau anschauen, empfiehlt Horn, ob es beispielsweise Übertragungsfehler bei den Daten gebe. „Das kommt zwar selten vor, aber es kommt vor.“
Datenpanne in Neckarsulm: Verbraucher-Zentrale sieht massive Datenschutz-Verletzung
Matthias Bauer von der Verbraucher-Zentrale Baden-Württemberg sieht in dem seiner Kenntnis nach „einmaligen Vorgang“ eine „massive Datenschutz-Verletzung“. Die Stadt müsse aktiv informieren, wessen Bescheid in einem falschen Briefkasten gelandet ist.
„Die Betroffenen müssen das Recht haben, sich zu beschweren!“ Datenschutz-Verletzungen wie fehlerhafter Post- oder E-Mail-Versand nehmen stark zu. „Das ist leider fast schon normal.“