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Kaum jemand will Bürgermeister werden – drohen jetzt Gemeindefusionen? 

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Für die Wahlen in kleinen Gemeinden im Raum Heilbronn und Hohenlohe finden sich immer weniger Bewerber. Drohen bald Zusammenschlüsse von Kommunen, wenn der Chefsessel im Rathaus leer bleibt? 


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In Löwenstein tritt der Bürgermeister zurück, weil er als Nicht-Verwaltungsfachmann hat erkennen müssen, dem Amt nicht gewachsen zu sein. Noch immer liegt kein Haushaltsplan 2026 für die Stadt vor. In Talheim sind drei Kandidaten für die Nachfolge von Gemeindechef Rainer Gräßle angetreten, denen es ebenfalls an fundiertem Fachwissen fehlt. In Hohenlohe werden im März die Chefsessel in Pfedelbach und in der kleinsten Hohenloher Kommune, Zweiflingen, neu zu besetzen sein. 

Der ehemalige baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall hält es angesichts der Entwicklungen für geboten, gemeindeübergreifende Zusammenarbeit anzugehen und zu forcieren. Viele Kommunen täten sich mehr als schwer, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Bandbreite der Möglichkeiten sei groß, reichten von Verwaltungsverbänden bis hin zu Gemeindefusionen.

Bürgermeistermangel im Raum Heilbronn und in Hohenlohe: Warum Kommunen kaum qualifizierte Kandidaten finden

Martin Piott, Bürgermeister in Bretzfeld, lenkt den Blick auf Paragraf 63 der Gemeindeordnung Baden -Württemberg: Die besagt, es besteht die Möglichkeit, in direkt benachbarten kreisangehörigen Gemeinden gleichzeitig Bürgermeister zu sein, wenn in jeder Gemeinde ein separater Wahlgang durchgeführt wird. Im Falle Bretzfelds wäre das Pfedelbach. Dort wird am 8. März der Nachfolger von Torsten Kunkel gewählt.

 Warum die Bewerberlage bei Bürgermeisterwahlen oft so dünn ist? Das liegt zum Beispiel an der sich verschärfenden Finanzsituation, am Personalmangel, an überforderten Bürgermeistern, an der Komplexität der Aufgaben überhaupt. „Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an ihren Bürgermeister sind hoch, während die rechtlichen und finanziellen Spielräume oft gering sind“, bringt es Christopher Heck für den Gemeindetag Baden-Württemberg auf den Punkt. „Diese Diskrepanz schreckt mögliche Kandidatinnen und Kandidaten ab.“

Klaus Holaschke, Eppingens Oberbürgermeister und Vizepräsident des Gemeindetags, ist skeptisch, ob Gemeindeverbünde oder Fusionen eine Antwort sind. „Das ist kein Allheilmittel.“ Man können den Gemeinden keine Gebietsreform „überstülpen“, warnt Holaschke: „Die Identifikation kommt von unten, nicht von oben.“ 

Kleine Gemeinden tun sich schwer, geeignete Kandidaten zu finden

Bei Wahlen für das Bürgermeisteramt kandidieren immer weniger Bewerber, die vom Fach sind. Dass es gerade kleinere Gemeinden schwieriger haben, eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister zu finden, ist „eine allgemeine Entwicklung“, so Professor Rafael Bauschke von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg. „In vielen Dörfern gibt es keine oder nur einen Bewerber, da kann man ja fast schon froh sein.“ 

Wichtig sei, dass der Gemeinderat oder andere politisch Interessierte aktiv nach geeigneten Kandidaten oder Kandidatinnen suchen. „Man muss die Bewerber ansprechen, die möglichst vom Fach sein sollten.“ Dass für viele Studierende der Verwaltungswissenschaften das Berufsziel Bürgermeister nicht mehr attraktiv sei, da widerspricht der Professor für Politische Kommunikation: „Für 15 bis 20 Prozent – mit leichtem Männerüberhang – ist das durchaus das Berufsziel, und einige schaffen den Direkteinstieg aus dem Studium auf den Bürgermeisterposten.“ 

Die Erfahrung als Amtsleitung, wie bei den Wahlen jetzt in Roigheim und Oberstenfeld, sei ein veritabler Vorteil. „Es ist ein Zeichen, dass jemand das Geschäft versteht. In kleinen Gemeinden muss der Bürgermeister eh alles machen, und wenn man als Amtsleiter was kann, dann auch als Rathauschef“, so Rafael Bauschke.

Bauschke findet es durchaus wichtig, analog zum Landarztmodell den Posten des Verwaltungsleiters attraktiver zu machen, auch in finanzieller Hinsicht. Aber viele, die den Beruf anstreben, haben „eine intrinsische Motivation. Die meisten machen es, weil sie gestalten wollen.“

Was passiert, wenn sich gar kein Bewerber findet? 

Für Pfedelbach hat noch vor offiziellem Bewerbungsbeginn ein Kandidat, der sich zuvor schon für das Bürgermeisterabend in Waldenburg beworben hatte, sein Interesse bekundet. In Zweiflingen hat sich noch niemand aus der Deckung gewagt. Was wäre, wenn keiner Interesse hätte, Klaus Gross zu beerben? Zweiflingen wie auch Pfedelbach sind bereits jetzt Teil einer Verwaltungsgemeinschaft mit der Großen Kreisstadt Öhringen. Das heißt: Dort werden schon Aufgaben im Bauamt beispielsweise übernommen. Im Tourismus wie bei der Suche nach Bauflächen arbeiten beide Kommunen auch mit Pfedelbach und Bretzfeld zusammen. Pfedelbach und Bretzfeld unterstützen sich dazu bereits bei Vertretungen auf dem Standesamt. Wäre es möglich, dass die Bürgermeister der Nachbarkommunen „übernehmen“, sollte sich kein Bewerber finden? 

Patrick Wegener, frisch gewählter OB in Öhringen, sagt: „Die Entscheidung, wie eine Kommune geführt wird, treffen die dortigen Bürger – das ist ein wichtiges demokratisches Prinzip.“ Die Große Kreisstadt Öhringen stehe als Partner für die interkommunale Zusammenarbeit zur Seite – „so wie wir es bisher als Verwaltungsgemeinschaft oder im Bereich des Tourismus gemeinsam leben“.

Martin Piott, der rein theoretisch gleichzeitig Bürgermeister in Bretzfeld und Pfedelbach sein könnte, ist sicher, dass solche Überlegungen „absolut abstrakter Natur“ sind. Er geht davon aus, dass Zweiflingen und Pfedelbach so attraktiv sind, dass sich geeignete Bewerber finden und aufstellen lassen, im Idealfall sogar mehrere, damit es eine echte (Aus-)Wahl für die Bürger gebe. Würde sich tatsächlich kein Kandidat finden, brächte das eine Vielzahl weiterer Fragen mit sich. Sowohl was die Machbarkeit in den alltäglichen Arbeitsabläufen, der zeitlichen Vereinbarkeit zweier Ämter wie der Akzeptanz der Bürger betreffe.

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