Der Ablauf des Volksbegehrens in Kürze: Wer ein Volksbegehren starten möchte, braucht dafür 10.000 Unterschriften auf speziellen Formblättern, die den Vorgaben des Innenministeriums entsprechen. Die Unterschriften müssen gemeinsam mit einem Gesetzentwurf an das Innenministerium geschickt werden. Die Behörde entscheidet dann, ob sie das Volksbegehren zulässt. Maßgeblich dafür ist, ob alle Unterschriften korrekt sind und es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt. Anschließend brauchen die Initiatoren Unterschriften von zehn Prozent der Wahlberechtigten in Baden-Württemberg, das sind aktuell rund 770.000 Unterschriften. Dafür sind sechs Monate lang Zeit. Ist diese Schwelle erreicht, ist der Landtag am Zug. Er kann unverändert zustimmen. Macht er das nicht, entscheiden alle Baden-Württemberger, nötig ist dann eine einfache Mehrheit. Seit 2011 gab es neun Volksbegehren und Volksanträge (diese sind ohne Gesetzentwurf). Die meisten Vorhaben wurden nicht zugelassen oder scheiterten an zu wenigen Unterstützern.
Warum ab Mai wieder Unterschriften gegen einen XXL-Landtag gesammelt werden
Das Volksbegehren der FDP für einen kleineren Landtag startet bald. Warum das Vorhaben eine turbulente Vorgeschichte hat und was es von der zuletzt gescheiterten Privatinitiative unterscheidet.
Der Streit um einen XXL-Landtag in Baden-Württemberg geht in eine neue Runde. Ab 5. Mai können alle Baden-Württemberger ein Volksbegehren der FDP im Land unterschreiben. Sechs Monate sind dafür Zeit, drei Monate lang liegen Unterschriftenlisten in jeder Stadt und Gemeinde aus.
Es ist bereits das zweite Volksbegehren, mit dem eine Landtags-Verkleinerung erreicht werden soll. Auslöser ist das neue Zwei-Stimmen-Wahlrecht, das die grün-schwarze Landesregierung 2022 eingeführt hat. Es gilt erstmals 2026, die Baden-Württemberger wählen dann wie bei der Bundestagswahl mit zwei Stimmen.
Laut Berechnungen von Experten dürfte der ohnehin zu große Landtag mit aktuell 154 Sitzen dadurch auf mehr als 200 Sitze anwachsen. Das würde für Mehrkosten von 200 Millionen Euro pro Wahlperiode sorgen, außerdem hätte das Ländle dann eins der größten Parlamente aller Bundesländer.
Baden-Württemberg: Erstes Volksbegehren gegen XXL-Landtag scheitert an zu wenigen Unterschriften
Der Privatmann Dieter Distler aus Bietigheim hatte deshalb ein Volksbegehren gestartet. Seine Idee: Die Zahl der Wahlkreise wird von 70 auf 38 halbiert und die Mindestgröße des Landtags von 120 auf 68 gesenkt - weniger Wahlkreise, weniger Abgeordnete. Allerdings kamen am Ende nur 128.900 von 767.104 Stimmen zusammen, weshalb das Begehren scheiterte.
Die Südwest-FDP begrüßte Distlers Arbeit, wollte sich aber nicht mit den Rentner zusammentun. Die Partei stieß ein eigenes Volksbegehren an und hatte die nötigen 10.000 Unterschriften für die Zulassung des Begehrens schnell zusammen. Allerdings kämpft die Partei für einen leicht anderen Ansatz: Sie will die Wahlkreise zwar ebenfalls fast halbieren, die Sollgröße von 120 Abgeordneten aber beibehalten. Dadurch würden mehr Landtagsabgeordnete über Parteilisten einziehen als aus den Wahlkreisen.
Innenministerium lehnt FDP-Volksbegehren ab – und kassiert Schelle des Verfassungsgerichtshofs
Für das Innenministerium war das der Grund, das Volksbegehren nicht zuzulassen. Die Behörde beurteilte die Pläne als „verfassungswidrig“. Die überraschende Begründung: Weil die Landesverfassung die Persönlichkeitswahl (Direktabgeordnete im Wahlkreis) zuerst nenne, dürfe dieser Aspekt nicht zu sehr „verdrängt“ werden.
Die Liberalen klagten dagegen, 15 Monate lang dauerte das Verfahren. Mit Erfolg: Der Verfassungsgerichtshof kassierte die Begründung des Innenministeriums in allen Punkten und betonte ausdrücklich, dass 38 Abgeordnete ausreichend wären und es gute Gründe gäbe, die Bundestagswahlkreise im Land zu übernehmen.
Das Innenministerium musste das Volksbegehren daraufhin zulassen. Man habe die Pläne „allein unter rechtlichen Gesichtspunkten“ bewertet, erklärte die Behörde. „Es ging uns nicht um die Frage, ob es sinnvoll ist, die Anzahl der Landtagswahlkreise und damit der zu verteilenden Direktmandate zu verringern.“
Baden-Württemberger können ab 5. Mai in ihrer Stadt oder Gemeinde unterschreiben
Am 30. April hat die Südwest FDP eine Pressekonferenz angesetzt, in der die Partei auf das Volksbegehren aufmerksam machen will. Am 5. Mai geht dann die Unterschriftensammlung los. Sechs Monate lang sammelt die Partei, drei Monate lang können die Bürger in ihrer Stadt oder Gemeinde unterschreiben. Nötig ist dafür ein Personalausweis.
Online abstimmen ist nicht möglich. Und: Auch wer schon für die Zulassung des FDP-Volksbegehrens oder das von Dieter Distler unterschrieben hat, muss wieder unterschreiben.
Keine Werbung von Städten und Gemeinden für Volksbegehren
Gesonderte Werbung oder ein Schreiben an alle Baden-Württemberger, dass sie abstimmen dürfen, gibt es nicht. Das kritisiert Philip Nellißen, Sprecher der Landes-FDP. Die Städte und Gemeinden seien lediglich verpflichtet, einen Hinweis in ihrem Amtsblatt abzudrucken. Die FDP plane deshalb eine Internetseite mit Informationen und eine Kampagne in sozialen Netzwerken. „Wir werden unser Möglichstes tun, das publik zu machen.“
Allerdings: Auf die Landtagswahl 2026 dürfte das Volksbegehren keinen Einfluss mehr haben. Sie findet am 8. März statt und bis das Volksbegehren durch wäre, haben die Parteien längst ihre Kandidaten nominiert. Das weiß auch die FDP: Landeschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, das Wahlrecht könne durch das Volksbegehren erst für 2031 geändert werden.

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