Urban Future Kongress: Was grüne Städte und Bürgerräte gemeinsam haben
Beim Klimaschutz können vergleichweise kleine Projekte erfolgreich sein, wie etwa bepflanzte Autobahnen in Mexico. Bei größeren Vorhaben wie Bürgerräten kann der Erfolg dagegen ausbleiben. Warum das so ist, war Thema beim Zukunftskongress Urban Future in Stuttgart.

Anfangs hat Fernando Ortiz Monasterio nur eine Idee: Er will die graue mexikanische Hauptstadt grüner machen und ihren Einwohnern ein Stück Natur zurückgeben. "Das Problem ist: Es gibt einfach nicht genug Platz." Also überlegt sich der Architekt, Flächen zu nutzen, die es in Mexico City reichlich gibt: Brückenpfeiler und Lärmschutzwände an Autobahnen.
Weil das Geld fehlt, geht er auf Sponsorensuche. Er startet eine Petition, gewinnt Schauspieler, die für die begrünte Autobahn werben. "Du musst solche Transformationen sexy für die Menschen machen", sagt Monasterio. Später wollen 98 Prozent der Unterzeichner das Projekt realisiert sehen, die Regierung will ihn unterstützen.
Bepflanzte Autobahnbrücke und Grünflächen
Gemeinsam mit Sponsoren gelingt das. Seit fünf Jahren ranken sich Pflanzen an Mexicos meistbefahrener Autobahnbrücke empor. In dieser Zeit hat die kleine Firma Viaverde außerdem Flächen in Städten weltweit begrünt. "Wichtig ist, dass man mit einer Vision startet. Sonst wird man seine Ziele nie erreichen."
Die Geschichte, die Monasterio auf dem Urban-Future-Kongress in Stuttgart erzählt, ist eine der kleinen Erfolgsgeschichten in Sachen Klimaschutz. Doch es gibt auch die andere Seite, wie das Projekt Pocket Gardens in der argentinischen Stadt Rosario zeigt. Luisina Perassi beschreibt die Idee so: Bürger spenden Brachflächen an die Stadt, aus denen temporäre Parks, Spielplätze und Grünflächen entstehen. Im Gegenzug winken den Besitzern Steuervergünstigungen und ein Schuldenerlass. Zehn Mini-Parks entstehen in der 1,2-Millionen-Einwohner-Stadt, weitere sind geplant. "Aber nicht alle davon sind grüne Oasen", räumt Perassi ein.
Wie es gelingen kann, Bürger in Stadtplanung einzubeziehen
Im Gegenteil: Wo eigentlich Wiesen zum Spielen einladen und Bäume Schatten spenden sollten, ist vielerorts nur eine Brachfläche zu sehen, die sich in keinster Weise verändert hat. "Das Problem ist, dass das Projekt kein Teil einer größeren Zukunftsvision war", erklärt die Stadtplanerin. Zudem habe die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Bevölkerung nicht funktioniert, Freiwillige hätten sich nicht ausreichend um die Plätze gekümmert. Eine Vorstellung, die Perassi im Nachhinein ohnehin etwas naiv vorkommt. "Es steht und fällt mit der Beteiligung der Bürger."
Eine vergleichsweise neue Art, die Bürger einzubeziehen, sind Bürgerräte. Wie sie funktionieren, ist Teil eines anderen Vortrags auf dem Zukunftskongress in Stuttgart. "In den vergangenen Jahren sind Klima-Bürgerräte förmlich explodiert", sagt Ieva Cesnulaityte, Gründerin einer Forschungsgruppe zu dem Thema. Es funktioniert fast immer gleich: Eine zufällig ausgewählte Gruppe von Bürgern, die die Bevölkerung möglichst gut abbildet, beschäftigt sich eine Zeit lang mit wichtigen Fragen zum jeweiligen Thema und wird dabei von Experten, Unternehmen und anderen Interessengruppen begleitet.
Am Ende steht eine Reihe von Empfehlungen, die an die Regierung übergeben werden. "Ich denke, dass Bürgerräte ein gutes Werkzeug sind, das aber keinen großen Effekt hat", sagt Cesnulaityte. Bestätigen kann das Scarlett Voit. Sie war Teil eines Klima-Bürgerrats in Österreich und hat dann einen Verein gegründet, der überwacht, ob die Ratschläge der Bürger umgesetzt werden. "So gut wie keine unserer 90 Empfehlungen wurde bisher umgesetzt." Das bedeute jedoch nicht, dass der Bürgerrat nichts gebracht hat. Sie selbst hatte zuvor wenig mit Klimawandel zu tun. "Das hat sich während des Bürgerrats drastisch verändert." Die Erfahrung habe ihre Denkweise verändert.
Keine Verbindung zu Fridays for Future
Mit Organisationen wie Fridays for Future oder der "Letzten Generation" habe der Klima-Bürgerrat allerdings nichts zu tun, stellt Voit klar. "Wir wollen solche Verbindungen vermeiden, weil wir die Menschen erreichen wollen, die diese Gruppen nicht erreichen."
Aber was bringt ein Bürgerrat, wenn seine Empfehlungen nicht verpflichtend sind, will ein Zuhörer wissen. "Ich denke, dass Bürgerräte in gewisser Weise verbindlich sein sollten", findet Expertin Cesnulaityte. Sie plädiert für ein Modell, wie es in Belgien geplant ist: Dort soll ein Bürgerrat Forderungen aufstellen, die ins Parlament gehen. Dann überwacht ein Teil der Teilnehmer, ob die Ratschläge umgesetzt werden.
"So könnten wir Bürgerräte in den politischen Prozess einweben." Bjørn Bedsted, der ebenfalls zu Bürgerräten in Europa forscht, hält davon nichts, jedenfalls noch nicht. "Ich glaube nicht, dass unsere Demokratien dafür bereit sind." Einig sind sich beide Experten, dass die Macht gewählter Politiker künftig stärker infrage gestellt werden wird. "Wir müssen künftig noch öfter darüber sprechen, was Demokratie für uns bedeutet", fordert Cesnulaityte.