Thomas Strobls größte Krise
Thomas Strobl hat in seinem Leben schon einige Niederlagen wegstecken müssen. Meistens entzog ihm seine Partei die Zuneigung und durchkreuzte bei wichtigen Wahlen die politischen Karrierepläne des Heilbronners. Dieses Mal brachte aber ein Fehler im Umgang mit einem heiklen Anwaltsschreiben, das er an einen Journalisten weitergab, zumindest zeitweise den heute 62-Jährigen an den Rande des Rücktritts.

Es scheint, als würde Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Sturm politisch überstehen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält auch nach den jüngsten Entwicklungen zu seinem Innenminister. Bei der CDU stärken ihm zudem Landtagsfraktion und Landespartei, deren Vorsitzender er bereits seit 2011 ist, den Rücken. Die Opposition hingegen ist entsetzt, hält Strobl für untragbar und fordert mehr denn je dessen Rücktritt. Das ist die aktuelle Gemengelage, die es genauer zu beobachten lohnt.
U-Ausschuss tagt erneut
Freitag 9 Uhr, Stuttgarter Landtag, Anna-Blos-Saal. Es ist der nächste Akt in der Causa Strobl. Der Untersuchungsausschuss des Landtags tagt. Am Abend zuvor gab der Innenminister bekannt, dass er das Angebot der Stuttgarter Staatsanwaltschaft annimmt. Strobl zahlt eine Geldauflage in Höhe von 15000 Euro, die Staatsanwaltschaft stellt im Gegenzug das Ermittlungsverfahren ein. Ebenfalls am Donnerstagabend holte sich Strobl die Rückendeckung der CDU-Landtagsfraktion und bei einer Präsidiumssitzung auch die des Landesverbands. „In diesem möglichen Sachverhalt zur Einstellung des Verfahrens sieht die CDU-Landtagsfraktion keinen Grund für einen Rücktritt“, sagt Fraktionschef Manuel Hagel. Der Mann, der die Zügel bei der Südwest-CDU in die Hände nehmen müsste, würde Strobl zurücktreten. Das bleibt aber zunächst nur im Konjunktiv.
De facto haben sich die Reihen in der grün-schwarzen Koalition in den vergangenen 48 Stunden geschlossen. Entscheidend ist jedoch, was Kretschmann sagt. „Die Sache ist für mich geklärt und wir werden in der Koalition weiter gut und vertrauensvoll mit Thomas Strobl zusammenarbeiten“, so der Regierungschef. Es bestehe aus Sicht der Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, erläutert er eher deskriptiv die Situation. Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz überlässt im Sinne einer „vom gegenseitigem Vertrauen geprägten Zusammenarbeit“ die Bewertung innerhalb der Koalition der CDU. Man werde mit Strobl weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten, sagt auch Schwarz. Strobls politisches Aus scheint in diesen Stunden jedenfalls in weite Ferne gerückt zu sein.
Strobl verteidigt und rechtfertigt seine Entscheidung
Und was sagt Strobl selbst? Er argumentiert staatsmännisch, er wolle das Verfahren schnellstmöglich beenden und sich wegen der ernsten Sicherheitslage wieder auf seine Aufgabe als Innenminister konzentrieren, lässt er zunächst per Pressemitteilung verlauten. Es sind Worte, die er auch im Untersuchungsausschuss wiederholt. Der CDU-Politiker erklärt explizit, er habe bei seiner Entscheidung nicht auf den Rat seiner Anwälte gehört, die ihm einen anderen Weg empfohlen hätten. Übersetzt heißt dies: Meine Anwälte sind sicher, dass ich vor Gericht nicht verurteilt würde. Trotzdem zahle ich die 15000 Euro, um mich nach der Verfahrenseinstellung wieder auf die politische Arbeit konzentrieren zu können. „Mit der Einstellung des Verfahrens gelte ich als unschuldig.
Die Geldzahlung ist alleine der zügigen Beendigung des Verfahrens geschuldet“, sagt Strobl. Gleichwohl räumt er erneut ein, die Information der Öffentlichkeit über den Inhalt des Schreibens hätte besser umgesetzt werden können. Bedeutet: Die Weitergabe des Anwaltsschreibens an einen Journalisten war ein Fehler. Strobl beruft sich auf die Bewertung mehrerer renommierter Anwälte und Rechtswissenschaftler, die die Weitergabe des Schreibens nicht als Straftat bewerten. Soweit die Position Strobls.
Opposition ist entsetzt über den CDU-Innenminister
Die Welt der Opposition sieht anders aus, was kaum verwundert. Jedenfalls hat sich die Hoffnung von SPD und FDP zerschlagen, dass es zu einem schnellen politischen Rückzug Strobls kommt. Die Rücktrittsforderungen werden am Freitag im Umfeld des Untersuchungsausschuss jedenfalls trotzdem stakkatoartig wiederholt. Die SPD mit Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch und General Sascha Binder sowie die FDP mit Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke fordern weiter den Rücktritt Strobls. Der Heilbronner FDP-Rechtspolitiker Nico Weinmann weist trotz des grün-schwarzen Schulterschlusses darauf hin, dass im Untersuchungsausschuss weitere Informationen ans Tageslicht kommen könnten. So sei immer noch unklar, wie der Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, also der ranghöchste Polizist im Land, überhaupt ins Amt gekommen sei.
Sex-Affäre in Spitze der Landespolizei
Die sexuellen Avancen des Ex-Inspekteurs im Zusammenhang mit der Beförderung einer jungen Kriminalkommissarin erschütterten die Landespolizei – und waren der eigentlich zentrale Skandal der ganzen Sache. Wie konnte so ein Mann mit solch einem Charakter in ein so hohes Amt kommen? Ist bei seinem beruflichen Aufstieg alles regelkonform abgelaufen? Wie ist es um die Beförderungspraxis und Personalrekrutierung bei der Landespolizei überhaupt bestellt? Ist sexuelle Belästigung in der Polizei generell ein Problem? Für den Untersuchungsausschuss gibt es tatsächlich noch vieles aufzuarbeiten. Die Weitergabe des Briefes scheint Strobl jedoch zunächst nicht weiter zuzusetzen.
Opposition hat noch viele Fragen
Die Opposition tobt am Freitag. „Strobl hat gesagt, er sei für Deals nicht zu haben. Er hat die Öffentlichkeit mehrmals belogen“, poltert SPD-Politiker Binder. Nun habe er sich von den Vorwürfen freigekauft. Strobl habe jede Würde verloren. „Es gibt keinen Respekt mehr vor diesem Innenminister“, sagt Binder. „15000 Euro sind richtig heftig, das ist nicht im Bagatellbereich“, erläutert FDP-Politikerin Julia Goll, wie Binder Mitglied des Untersuchungsausschusses. Das Gremium tagt wieder bis weit in die Abendstunden. Fortsetzung folgt.
Vergleichbarer Fall in Berlin
Die Staatsanwaltschaft kann Verfahren bei geringfügigen Vergehen mit Auflagen einstellen. Einen ähnlichen Fall gab es im vergangenen Jahr in Berlin, als ein Verfahren gegen den angehenden Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) gegen eine Auflage in Höhe von 5000 Euro eingestellt worden ist. In seiner Funktion als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium postete Schmidt zuvor Auszüge eines Gerichtsbeschlusses im Zusammenhang mit Durchsuchungen im Finanzministerium der Staatsanwaltschaft Osnabrück.