Nico Weinmann und Thomas Strobl: Zwei Heilbronner streiten in Stuttgart
Der FDP-Abgeordnete Nico Weinmann ist in der Affäre um unerlaubte Weitergabe von Informationen derzeit der schärfste Kritiker von Innenminister Thomas Strobl. Dabei verbindet die beiden seit Jahren mehr als nur ihre Heimatstadt.

Als Nico Weinmann 1999 als seinerzeit jüngster Stadtrat in den Heilbronner Gemeinderat einzog, war Thomas Strobl schon ein alter Hase im kommunalpolitischen Geschäft. Seit zehn Jahren saß er bereits im Gremium und war Vorsitzender der CDU-Fraktion. Weinmann, dessen Vater Manfred zu Beginn jenes Jahres noch Oberbürgermeister der Stadt gewesen war, kandidierte damals für die Freie Wähler Vereinigung und ist heute Landtagsabgeordneter und rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.
Als solcher gehört der 49-Jährige derzeit zu den schärfsten Kritikern Strobls: Seit gegen den baden-württembergischen Innenminister wegen verbotener Mitteilungen über eine Gerichtsverhandlung ermittelt wird, hat Weinmann mehrfach den Rücktritt des 62-Jährigen gefordert. Beide Heilbronner kennen sich schon seit Jahren. "Das macht die Situation nicht leichter", bekennt Weinmann. Aber er sei gewählt, um sein Amt "ohne Ansehen auf die Person" wahrzunehmen. Als Vertreter der Opposition sei es seine Aufgabe, einen kritischen Blick auf das Handeln der Regierung zu werfen.
Strobl argumentiert mit Transparenz
Die FDP hat Strafanzeige wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses gegen Strobl gestellt. Der Innenminister hatte in einem Verfahren wegen sexueller Belästigung gegen den ranghöchsten Polizeibeamten des Landes ein anwaltliches Schreiben an einen Journalisten weitergegeben, auch gegen diesen wird ermittelt. Der Polizist ist suspendiert. Das fragliche Schreiben habe keine Dienstgeheimnisse enthalten, argumentiert Strobl gegen den Vorwurf des Geheimnisverrats. Er habe den Brief aus Gründen der Transparenz weitergegeben.
Diese Begründung hatte Weinmann im Gespräch mit der Heilbronner Stimme als "völlig abenteuerlich" bezeichnet. Der Innenminister flüchte in eine Scheinwelt, postete Weinmann vergangene Woche auf Instagram und warf dem einstigen Stadtratskollegen, der wie er selbst Jurist ist, fehlenden Respekt vor dem Rechtsstaat vor. Strobl verdrehe die Tatsachen und verliere sich in Wortklaubereien.
Um der Strafanzeige wegen Geheimnisverrat nachzugehen, braucht die Staatsanwaltschaft die Ermächtigung durch das Innenministerium. "Wer Transparenz predigt, muss sie auch herstellen", fordert Weinmann. Es könne nicht sein, dass der Innenminister das Verfahren gegen sich selbst verhindert. "Niemand steht über dem Gesetz." Sollte Strobl das glauben, müsse der Ministerpräsident handeln. Doch Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich hinter seinen Innenminister gestellt. Ein Untersuchungsausschuss sei unausweichlich, sagt hingegen Weinmann. "Es sind viele Fragen offen, die dringender Klärung bedürfen." SPD und FDP seien dazu in enger Abstimmung, noch vor der Sommerpause könnte der Beschluss fallen.
Wechselnde Positionen auf dem politischen Parkett
Einem Ausschuss sehe er gelassen entgegen, so Strobl vergangenen Woche. Einen Rücktritt lehnte er ab, die Ermittlungen seien "völlig in Ordnung" und Teil des Rechtsstaats. Weinmann hatte betont, der Innenminister habe eine besondere Verantwortung und müsse zurücktreten. Deutliche Worte des Abgeordneten an den Vize-Ministerpräsidenten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten begegnen sich beide in wechselnden Positionen auf dem politischen Parkett.
Sie kennen sich jedoch schon wesentlich länger. Als Strobl mit 17 Jahren in die CDU eintrat, war Weinmanns Vater Manfred Vorsitzender der christdemokratischen Fraktion im Heilbronner Gemeinderat, seit 1966 hatte er einen Sitz im Ratsrund. Sein Sohn Nico trat 33 Jahre später in seine Fußstapfen, allerdings für die FWV. 2006 wechselte er zur FDP, für die er 2016 in den Stuttgarter Landtag einzog - wo er wieder auf Thomas Strobl traf.
Treffen im Ratssaal statt auf der Schulbank
Beide Männer verbindet nicht nur ihre Heimatstadt. Die Rechtsanwälte haben das Robert-Mayer-Gymnasium besucht, allerdings war Weinmann erst sechs Jahre alt, als Strobl dort sein Abitur ablegte. Auf der Schulbank trafen sie sich also nicht, dafür 20 Jahre später im Ratssaal, wo sie gelegentlich auch einer Meinung waren, zum Beispiel als sie 2008 eine Resolution gegen Stellenabbau bei der Polizei ablehnten oder 2009, als sich beide für den Ausbau der A6 stark machten. Sechs Jahre haben sie gemeinsam im Regionalverband Heilbronn-Franken gesessen, dem Weinmann noch immer angehört.
Vergangenes Jahr kämpften beide im Wahlkreis Heilbronn um den erneuten Einzug in den Landtag, Weinmann sicherte sich schließlich einen Sitz, Strobl kehrte ohne Mandat als Innenminister nach Stuttgart zurück.
Angespannte Situation unter Bekannten
Nach seinem Einzug in den Landtag 2016 hatte Weinmann noch ausdrücklich Strobls Innenpolitik gewürdigt und betont, man sei "gut befreundet". Heute spricht er von einer "sehr guten Bekanntschaft", Thomas Strobl wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Dass die Situation angespannt sei, könne jeder nachvollziehen, sagt Weinmann: "Da macht man es sich nicht einfach." Er habe sich intensiv mit der Sach- und Rechtslage beschäftigt. Der Umgang miteinander sei nach wie vor professionell: "Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit", findet Weinmann. Der Wähler erwarte zu Recht Aufklärung in der Sache: "Fragen brauchen Antworten."