Polizeiaffäre: Auch gegen Heilbronner Strobl wird ermittelt
Für den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl wird es eng. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Hintergrund ist seine Rolle in einem Sex-Skandal eines hochrangingen Polizisten. SPD und FDP fordern seinen Rücktritt.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt im Zusammenhang mit der Affäre um Belästigungs-Vorwürfe gegen einen hochrangigen Polizisten nun auch gegen Innenminister Thomas Strobl. Hintergrund ist, dass der Heilbronner CDU-Politiker ein Schreiben des Anwalts des Polizisten an einen Journalisten weitergab. Die Staatsanwaltschaft erklärte am Mittwochabend, man habe ein Ermittlungsverfahren gegen den Journalisten wegen des Verdachts verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen und Strobl wegen des Verdachts der Anstiftung hierzu eingeleitet.
Nico Weinmann: "Keine Petitesse"
Der Vorfall sei keine Petitesse, betont der Heilbronner Landtagsabgeordnete Nico Weinmann, der sich am Abend auch auf Instagram zu dem Vorgang geäußert hatte. Die Weitergabe von Dienstgeheimnissen sei ein Vertrauensbruch. Vor dem Hintergrund des nun eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erwartet der rechtpolitische Sprecher der FDP-Fraktion den Rücktritt Strobls. Es gehe um die Integrität der Polizei. "Da hat ein Innenminister eine besondere Verantwortung", so Weinmann. Die Argumentation Strobls sei nicht nachvollziehbar: "Wie ich in einem laufenden Verfahren auf die Idee kommen kann, einen Brief durchzustechen, erschließt sich mir nicht." Die vom Innenminister Strobl angeführten "Gründe der Transparenz" seien "völlig abenteuerlich".
Zur Aufklärung des Falls hält Weinmann einen Untersuchungsausschuss nach eigenen Worten für geboten, für die Einsetzung müssen sich allerdings zumindest zwei Fraktionen im Landtag aussprechen.
Hat er sich etwas zu schulden kommen lassen?
Noch am Mittag hatte es trotz Rücktrittsforderungen von SPD und FDP im Landtag gegen Strobl nicht so ausgesehen, als ob der Innenminister ernsthaft im Amt gefährdet sei. Die Frage, ob Strobl (CDU) sich mit der Weitergabe des Schreibens etwas zu schulden hatte kommen lassen, hatte am Vormittag in einer Sondersitzung den Landtagsinnenausschuss beschäftigt. Der Vorwurf: Strobl habe Dienstgeheimnisse öffentlich gemacht, seine Fürsorgepflicht als Dienstherr verletzt und gegen den Datenschutz verstoßen. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sprach von einem in der Geschichte des Landes einmaligen Vorgang. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: "Bei den Abgründen, die sich auftun, kann dieser Minister nicht mehr im Amt bleiben."
Hintergrund war das Ermittlungsverfahren gegen einen ranghohen Polizeibeamten des Landes, der im Zentrum eines Sex-Skandals steht und gegen den seit November 2021 wegen des schweren Vorwurfs sexueller Belästigung ermittelt wird. Der Mann ist seitdem suspendiert und steht im Verdacht, eine junge Polizeibeamtin sexuell belästigt und bei einem Videotelefonat mit Verweis auf seine Mitsprache bei ihrer weiteren Karriere zu sexuellem Kontakt aufgefordert zu haben. In dem Verfahren gibt es seit Monaten kaum Bewegung, auch regelmäßige Anfragen beschied die Stuttgarter Staatsanwaltschaft bis zuletzt stets mit dem Verweis darauf, dass es keinen neuen Ermittlungsstand gebe.
Schreiben an Journalisten weitergegeben
Nun steckt auch Strobl ganz tief in der Affäre. Die Staatsanwaltschaft, die nach der Veröffentlichung des Schreibens Geheimnisverrat und ein Leck im Innenministerium gewittert hatte, wollte Ermittlungen aufnehmen, das Innenministerium aber lehnte das ab. Jetzt kam heraus, warum: Strobl selbst hatte den Brief am Rande eines Interviews einem Stuttgarter Journalisten zukommen lassen. Mit der Absicht, maximale Transparenz und Öffentlichkeit herzustellen, wie Strobl am Mittwoch erklärte. Straftatbestand oder einen Verrat von Dienstgeheimnissen sah er darin nicht. Nun steht er selbst im Fokus von Ermittlungen.
Einen Fehler räumte Strobl lediglich bei der Kommunikation ein: Sein Ministerium hätte früher klarmachen müssen, selbst das Schreiben öffentlich gemacht zu haben. Regierungschef Kretschmann hatte ihm am Nachmittag noch das Vertrauen ausgesprochen. Am Abend war aus dem Staatsministerium keine Antwort mehr darauf zu erhalten, ob sich daran etwas geändert hat. Strobl selbst hatte im Landtag klargemacht, dass er sein Amt nicht aufgeben will: "Ich wüsste nicht, warum", sagte er.
Kretschmann spricht ihm volles Vertrauen aus
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, Strobl habe staatsanwaltschaftliche Ermittlungen unterbinden und das Disziplinarverfahren gegen den Beamten torpedieren wollen. "Das ist ein fundamentaler Anschlag auf den Rechtsstaat durch den Verfassungsminister." Auch SPD-Innenexperte Sascha Binder will sich mit der Erklärung Strobls nicht zufriedengeben. "Strobl hat die gesamte Öffentlichkeit hinters Licht geführt und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit von Behörden wird erschüttert", so Binder, "der Ministerpräsident muss dafür sorgen, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Innenminister wegen des Verrats eines Dienstgeheimnisses ermitteln kann." Winfried Kretschmann stärkte seinem Vize am Mittwochnachmittag noch den Rücken: "Ich habe mir den Sachverhalt vom Innenminister schildern lassen. Er hat mir glaubhaft dargelegt, dass kein Rechtsverstoß vorliegt und es ihm darum ging, Transparenz herzustellen. Ich schätze Thomas Strobl sehr und er hat weiter mein volles Vertrauen".