Faktencheck: Alarmierende Asylbewerberzahlen?
Berlin - Immer mehr Flüchtlinge landen in Deutschland. So viele wie lange nicht. Bundesinnenminister Friedrich (CSU) bezeichnete die Zahlen als "alarmierend". Sind sie das wirklich? Stimme.de macht den Faktencheck.

Berlin - In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen betitetelte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die steigenden Asylbewerberzahlen als "alarmierend". "Wir werden noch in diesem Jahr die Marke von 100 000 Asylerstanträgen erreichen", sagte er.
Wirklich ein Grund, Alarm zu schlagen? Stimme.de checkt die Fakten.
Fakt ist: Der Zustrom von Asylbewerbern nach Deutschland ist derzeit so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Insgesamt haben 2013 bisher 52.754 Menschen erstmalig Asyl beantragt. Das sind 90 Prozent mehr als in den ersten sieben Monaten des Vorjahres.
Aber: Zur Zeit des Kosovo-Krieges 1992 hatte die Bundesrepublik weit über 400.000 Asylbewerber. Die Zahl ist seit den 90er-Jahren fast kontinuierlich gesunken, bis sie seit 2008 wieder von Jahr zu Jahr anstieg. Die aktuelle Zunsahme ist also im Vergleich zu den 90er-Jahren keineswegs alarmierend. Deutschland hat schon weit mehr Asylbewerber aufgenommen, als es derzeit der Fall ist.
Wahr ist: Die von Friedrich angesprochenen 100.000 Asylanträge im Jahr 2013 sind durchaus eine realistische Zahl. Das liegt vor allem an der aktuell unruhigen weltpolitischen Lage. Davon sind aber alle EU-Staaten betroffen. Das Hilfswerk World Vision mahnte etwa angesichts von etwa einer Million syrischer Flüchtlingskinder ein stärkeres Engagement von Politik und Gesellschaft an. „Alle sollten mehr dafür tun, damit aus diesen Kindern keine verlorene Generation wird", sagte der Vorstandsvorsitzende Christoph Waffenschmidt.
In Deutschland ist die Situation also nicht dramatischer als anderswo. Zwar hat die Bundesrepublik absolut betrachtet die meisten Asylbewerber. Sie ist aber auch der größte EU-Staat. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es deshalb in Deutschland weniger Asylbewerber als etwa in Schweden oder in Belgien.
Aber: Deutschland ist derzeit schlecht vorbereitet auf vielen Asylbewerber. Aufgrund der sinkenden Zahlen seit den 90er-Jahren wurden viele Flüchtlingsheime geschlossen. Hier besteht Nachbesserungsbedarf, um die Flüchtlinge aufnehmen und menschenwürdig unterbringen zu können. Die Organisation Pro Asyl fordert, Flüchtlinge in kleinen Wohnungen statt großen Sammelunterkünften unterzubringen und aktiv mit Sprachkursen zu integrieren. Es dürfe keine rassistische Stimmung entstehen, in der die Flüchtlinge auf Ablehnung stießen, sagt der Geschäftsführer Günter Burkhardt. van/dpa
Weiterführende Links:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Aktuelle Zahlen zu Asyl, Juni 2013
Dossier zum Thema Asyl
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