Mehr Investitionen im Ausland: Folgen bei regionalen Firmen spürbar
Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht immer mehr unter Druck. Eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer zeigt, dass Firmen daraus erste Konsequenzen ziehen – auch in der Region Heilbronn-Franken.

Der Industriestandort Deutschland genießt global eigentlich ein hohes Ansehen, doch mittlerweile steht er immer mehr unter Druck. Zahlreiche Unternehmen entscheiden sich eher für Investitionen im Ausland statt in Deutschland.
Laut der Frühsommerumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) investieren 37 Prozent der mittelständischen Unternehmen aufgrund geringerer Kosten lieber im Ausland. Energieintensive Unternehmen sehen insbesondere die hohen Energie- und Rohstoffpreise im Inland als Risiko. Weiter planen 20 Prozent der befragten Unternehmen zukünftig mit weniger Mitarbeitern.
Frühsommerumfrage der DIHK: Keine Anzeichen für Aufschwung, mehr Verlagerung ins Ausland
Gegenüber der "Bild" sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben: „Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen für einen Aufschwung. Die Unternehmen drohen zusehends, das Vertrauen in die Politik zu verlieren.“ Deutschland müsse gegensteuern, sonst verliere man seine industrielle Basis.
Der Trend zu mehr Automatisierung, weniger Mitarbeitern und Produktionsverlagerung ins Ausland zeigt sich auch beim Dichtungsspezialisten Kaco aus Kirchardt. Das zur chinesischen Zhongding-Gruppe gehörende Unternehmen betreibt einen Standort in Ungarn und zwei Werke in China. Die Kaco-Geschäftsführung hatte kürzlich in der Heilbronner Stimme angekündigt, bestimmte Produkte künftig nicht mehr in Kirchardt, sondern an den Standorten in Ungarn und China herzustellen.
Konjunkturumfrage der IHK: Trend auch bei regionalen Unternehmen spürbar
Die Stimmung in der regionalen Wirtschaft hat sich laut der Konjunkturumfrage der IHK Heilbronn-Franken für das erste Quartal 2024 zwar leicht verbessert - doch die Entwicklung zu mehr Investitionen im Ausland wird auch hier deutlich.
Ein Drittel der Betriebe geht von weniger Investitionen im Inland aus, nur 17 Prozent wollen stärker in Deutschland investieren. Der Grund: Gestiegene Kosten und wirtschaftspolitische Verunsicherung. Auch was die Personalentwicklung angeht, wollten nur 14 Prozent neue Mitarbeiter einstellen, 27 Prozent gehen von einem Rückgang der Stellen aus.
Investitionen im Ausland: Deutschland zunehmend nicht mehr konkurrenzfähig
"Wir müssen derzeit davon ausgehen, dass die Industrie in Baden-Württemberg 2024 schrumpfen wird", sagt Jörg Ernstberger, Geschäftsführer der Bezirksgruppe Heilbronn-Franken von Südwestmetall.
Seit Jahresbeginn befinde sich die Metall- und Elektroindustrie im Land knapp 13 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Strategische Investitionsentscheidungen würden verstärkt für das Ausland geplant, besonders in Asien und den USA, wo attraktive Investitionsprogramme für Unternehmen angeboten werden. "Zu nennen ist hierbei insbesondere der Inflation Reduction Act. Aufgrund stark gestiegener Produktionskosten (Energie und Arbeitskosten) ist Deutschland zudem auf dem Weltmarkt zunehmend nicht mehr konkurrenzfähig", meint Ernstberger. Als wesentlichen Standortnachteil würden die Mitgliederunternehmen von Südwestmetall die hohen Arbeitskosten sehen.
Forderung an die Politik: Strukturreformen sind dringend nötig
Schon lange wird speziell von Seiten der Wirtschaft vehement gefordert, dass die Politik, beziehungsweise die Ampel-Koalition, endlich erkenne, dass dringend umfassende Reformen nötig seien, um Deutschland als Wirtschaftsstandort zu erhalten. Dem schließt sich auch Jörg Ernstberger an. Die Wirtschaft brauche "dringend valide Wachstumsimpulse". "Eine umfassende Strukturreform, welche die richtigen Leitplanken für die dringend benötigte Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit setzt, ist nach meiner Meinung unumgänglich", erklärt er.
Dass das "ansonsten bestehende Frühjahreshoch" dieses Jahr weitgehend flach ausfalle, empfindet er als "sehr bedenkliche" Entwicklung. Zudem sei der Anteil der Firmen in der Metall- und Elektroindustrie, die in den kommenden Monaten mit Kurzarbeit planen, zuletzt auf mehr als ein Fünftel angestiegen. "Umstrukturierungen in der Region, die einen Arbeitsplatzabbau zur Folge haben oder wahrscheinlich haben werden, sind daher zurzeit leider an der Tagesordnung."


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