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Würth-Chef: Deutschland wird weiterhin erfolgreich sein

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Bei 20 Milliarden Euro Umsatz hat Robert Friedmann allen Grund, zufrieden auf das Geschäftsjahr zurückzublicken. Mit Innovationskraft und der richtigen Arbeitsmoral werde es Deutschland gelingen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein, erklärt er im Interview mit unserer Redaktion.

"Vorurteile gab es auch, als ich jünger war", sagt Würth-Konzernchef Robert Friedmann zur Diskussion über die vermeintliche Anspruchshaltung der Nachwuchsgeneration. Er blickt optimistisch in die Zukunft.
"Vorurteile gab es auch, als ich jünger war", sagt Würth-Konzernchef Robert Friedmann zur Diskussion über die vermeintliche Anspruchshaltung der Nachwuchsgeneration. Er blickt optimistisch in die Zukunft.  Foto: Mario Berger

"Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste", sagt Würth-Konzernchef Robert Friedmann im Interview mit unserer Redaktion. Das Unternehmen hat gerade ein weiteres Rekordjahr beendet. Konkreten Anlass zur Sorge sieht er nicht, weder was die Würth-Gruppe angeht, noch in Bezug auf die allgemeine Situation in Deutschland.

 

Was wünschen Sie sich für das neue Jahr, Herr Friedmann?

Robert Friedmann: An erster Stelle das, was wir uns alle als Menschen wünschen: Frieden auf dieser Welt. Wir haben zu spüren bekommen, was es bedeutet, wenn es keinen Frieden gibt.

 

In einigen Tagen legt Würth die vorläufigen Geschäftszahlen vor. Sie stehen vor einer bemerkenswerten Marke, werden möglicherweise die 20 Milliarden Euro Umsatz übertreffen. Schaffen Sie es denn?

Friedmann: Es wird knapp. Es geht um wenige Millionen hin oder her. Diese 20 Milliarden sind natürlich eine magische Zahl. Entscheidend ist aber, dass wir uns das vor einem Jahr noch gar nicht hätten vorstellen können. Wir hatten 2021 einen Umsatzzuwachs von 2,7 Milliarden Euro, 2022 von voraussichtlich 2,9 Milliarden Euro. Das ist zusammengenommen über die letzten beiden Jahre ein absoluter Umsatzzuwachs von 5,6 Milliarden Euro - zwei Rekordjahre, die uns als Konzern in eine neue Größenordnung katapultiert haben. Ich erinnere mich noch an das Gefühl im März 2020, zu Beginn von Corona, als wir alle in großer Sorge waren. Wir haben damals an unserer Strategie festgehalten. Jetzt merken wir, sie greift - und zwar nicht nur in guten, sondern offensichtlich auch in schwierigen Zeiten.

 

 

Beschreiben Sie kurz diese Strategie.

Friedmann: Dezentralität, Internationalisierung, Multikanalität und Digitalisierung. Gleichzeitig setzen wir konsequent auf unseren Vertrieb. Und ein ganz wichtiger Faktor: Die Stabilität, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Familie Würth spüren.

 

Und das mündet in solchen deutlich zweistelligen Wachstumszahlen?

Friedmann: Ein paar Faktoren haben das begünstigt. Wir haben einen Währungseffekt, der knapp zwei Prozentpunkte stark ist, und dazu die Inflation: Höhere Preise schlagen sich direkt im Umsatz nieder.

 


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Der größte Umsatz hilft nichts, wenn die Gewinnzahlen nicht stimmen. Wie sieht denn die Ergebnisseite aus?

Friedmann: Ein Leitsatz von Reinhold Würth lautet "Wachstum ohne Gewinn ist tödlich." Angelehnt daran gilt auch: Umsatzwachstum ohne Ertragswachstum ist schwierig. In unserem Fall wächst auch der Ertrag. Das ist erstaunlich, weil es uns zuletzt nicht mehr gut gelungen ist, die Preise an die Kunden weiterzugeben. Aber wir haben jetzt auch das zweite Jahr in Folge über zehn Prozent Produktivitätswachstum.

 

 

Reinhold Würth hat die Belegschaft frühzeitig darauf eingestimmt, dass es so nicht weitergehen wird. Warum?

Friedmann: Ich glaube, Reinhold Würth ist ein Unternehmer, der in seinen gut 73 Berufsjahren alles erlebt hat. Bisher sind seine Befürchtungen in dieser Hinsicht gottseidank nicht eingetroffen. Das ist gut so. Aber wir sind auf alles vorbereitet.

 

Was heißt das für das Unternehmen?

Friedmann: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wir werden im ersten Quartal 2023 zum Beispiel neue Bauprojekte nicht beginnen. Aber die Planungen laufen weiter - etwa für unser neues Verwaltungsgebäude hier in Gaisbach. Und laufende Projekte werden fertiggestellt. Dann sehen wir weiter.

 

Ein Sparprogramm gibt es nicht?

Friedmann: Nein. Das Geschäftsjahr lief hervorragend. Deswegen haben wir uns auch zu der 1000-Euro-Nettoprämie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Adolf Würth GmbH & Co. KG entschlossen. Auch in anderen Unternehmen der Würth-Gruppe erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Nettoprämie. Die Familie hat das entschieden. Im Konzern sind das knapp 50 Millionen Euro, die zusätzlich ausgeschüttet werden.

 

 

Die Prämie läge bei 3000 Euro, wäre Würth im Metalltarifvertrag.

Friedmann: Wir werden uns bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG an die Inhalte des Tarifabschlusses anlehnen - wie bereits auch schon in der Vergangenheit. Auf die bereits bezahlten 1000 Euro netto kommt dann also die Inflationsprämie von 3000 Euro netto obendrauf.

 

Audi-Werkleiter Fred Schulze hat kürzlich gewarnt, dass Deutschland ins Hintertreffen im weltweiten Wettbewerb geraten könnte. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Friedmann: Mit dem Wandel hin zur E-Mobilität ist die Situation in der Automobilbranche etwas anders als bei uns.

 

Sie haben also keine Sorge, dass China Deutschland den Rang abläuft?

Friedmann: In den 1970er und 80er Jahren gab es große Angst, dass die Japaner mit Kaizen und anderen Methoden die Welt überrollen. Heute ist Japan eine stabile, prosperierende Volkswirtschaft. Aber die Japaner haben nicht die Welt übernommen. Dennoch ist es unbestritten, dass China nicht nur den Anspruch hat, sondern es vermutlich auch erreichen wird, die größte Volkswirtschaft der Welt zu werden. Die Frage ist, wie sich Deutschland in dieser veränderten Welt behauptet. Ich bin optimistisch, dass es Deutschland auch zukünftig gelingen wird, durch Innovationskraft, aber auch über den Arbeitsethos, erfolgreich zu sein.

 

 

Nach der Pandemie bleiben die Vorstellungen der Mitarbeiter von flexiblen Arbeitsbedingungen, der "New Work". Hat das auch Schattenseiten?

Friedmann: Über New Work kann man sicher sehr kontrovers diskutieren. Frithjof Bergmann, Begründer der New-Work-Bewegung, hat damals gesagt: Arbeit soll den Menschen stärken. Das bezieht sich auf vielerlei Dinge: die Arbeitszeit, wie man miteinander umgeht, wie viel man arbeitet, wo man arbeitet. Viele Facetten, die wir im geplanten neuen Verwaltungsgebäude berücksichtigen wollen. Dort sollen sich die Leute begegnen. Sodass wir auch die nachfolgende Generation überzeugen können, dass man gar nicht mehr an einem festen Ort arbeiten muss, dass es aber sehr schön ist, ins direkte Gespräch zu gehen.

 

Die Generationenfrage beschäftigt derzeit viele. Haben Sie auch das Gefühl, dass die jungen Leute keine Lust mehr aufs Arbeiten haben?

Friedmann: Nein. Ähnliche Vorurteile gab es auch, als ich jünger war. Wichtiger ist, wie wir uns in dieser schnell verändernden Welt positionieren und anpassen - auch mit der Art und Weise, wie wir arbeiten und aufeinander zugehen.

 

 

Reinhold Würth hat zuletzt geregelt, wie es mit der Familie in den Kontrollgremien des Unternehmens weitergeht. Wie wichtig ist diese Klarstellung nach außen?

Friedmann: Reinhold Würth hat immer frühzeitig Klarheit geschaffen. Er hat 1987 seine Firmenanteile in privatnützige Familienstiftungen eingebracht, da war er 52. Mit 58 Jahren hat er die Geschäftsleitung abgegeben, das war Ende 1993. Der Übergang auf die nächste Generation ist jetzt die dritte große Maßnahme, die er ergreift, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

 

Zur rechten Zeit?

Friedmann: Vor fünf Jahren wäre es aus meiner Sicht zu früh gewesen. Ich bin jedenfalls überzeugt, er macht es besser als andere Unternehmer, die durch Untätigkeit, was die Nachfolge betrifft, den Fortbestand ihres Lebenswerks gefährden - und damit auch die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter.

 

Jetzt sind auch für Sie ein paar Stimmen mehr zu hören...

Friedmann: Es sind aber keine divergierenden Stimmen. Alle im Unternehmen haben ähnliche Vorstellungen davon, wohin das Unternehmen soll, wo es seine Stärken hat und wo seine Schwächen. Natürlich sieht die jüngere Generation der Familie das an manchen Stellen etwas anders. Dieser Diskurs bringt das Unternehmen aber nur noch weiter. Und das ist gut so.

 

Und Reinhold Würth?

Friedmann: Er ist nach wie vor präsent und in die wichtigsten Unternehmensentscheidungen als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats involviert. Wir sind froh darum, weil auch die letzten zweieinhalb Jahre wieder gezeigt haben, wie wichtig es ist, wenn man auf den Rat von einem der erfahrensten Unternehmer Nachkriegs-Deutschlands zurückgreifen kann.

 


Zur Person

Robert Friedmann (56) ist seit 17 Jahren Konzernchef der Würth-Gruppe mit ihren mittlerweile mehr als 85.000 Mitarbeitern. Friedmann wuchs in Lindau am Bodensee auf, lernte Industriekaufmann und studierte in Pforzheim Betriebswirtschaftslehre. In Indiana in den USA machte er den Master of Business Administration (MBA) und wurde anschließend bei Würth Assistent in der Konzernführung. 1997 wechselte er zum Würth-Tochterunternehmen Hahn+Kolb nach Stuttgart, bevor er 2004 nach Gaisbach zurückkehrte.

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