Innovationszentrum Curio: Würth eröffnet seine Oase der Neugier
Bei der Einweihung des 75 Millionen Euro teuren neuen Gebäudes am Unternehmenssitz in Gaisbach verspricht Reinhold Würth: Das wird die Entwicklung von Produkten hier "rabiat" beschleunigen. Trotzdem hat er noch eine große Sorge.

Das Würth-Innovationszentrum in Künzelsau ist eröffnet. "Curio" lautet sein Name, abgeleitet vom lateinischen Curiositas. "Diese Neugier steht am Anfang von allem", sagt Hausherr Heiko Roßkamp, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Er freue sich über die "75 Millionen Euro Vertrauensvorschuss", die das Unternehmen in Gebäude und Technik investiert hat, und auf die 250 Menschen, die hier demnächst arbeiten werden.
Der Eigentümer setzt auf Mund-zu-Mund-Propaganda
Reinhold Würth trommelt in seiner Ansprache am Mittwochnachmittag vor den Oberbürgermeistern und Landräten der Region, vor den Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, vor Weggefährten und dem Würth-Spitzenpersonal dafür, dass auch die letzten offenen Stellen noch besetzt werden können: "Da Sie ja über entsprechende Kontakte verfügen: Wir sollten noch 30, 40 zusätzliche Ingenieure und Ingenieurinnen haben, um die Anlage auch auslasten zu können."
Völlig unbeschwert konnte der 87-Jährige diesen Tag allerdings nicht feiern. Die Weltlage macht ihm weiterhin Sorgen. "Ich hoffe, dass der dritte Weltkrieg an uns vorbeigeht." Doch halte er es mit Martin Luther: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
Selbstredend, wo er dieses Bäumchen pflanzt: natürlich in seiner Heimat, in Hohenlohe, am Unternehmenssitz in Künzelsau-Gaisbach. Das würdigte auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann - der seinen geplanten Besuch absagen musste - in einer Videobotschaft. Hohenlohe sei die "Wiege der Hidden Champions". Würth habe schon immer mutig vorausgedacht. "Ich bin sicher, das neue Zentrum wird dem Würth'schen Innovationsgeist noch weiteren Schub geben."

Die Ansprüche an das Zentrum sind hoch
Das Wo des neuen Entwicklungszentrums war Reinhold Würths Entscheidung, der Name nicht. Und so war es Bettina Würth, Beiratsvorsitzende der Würth-Gruppe, die das "Curio" mit Leben füllte, aus dem Innovationszentrum eine Innovationsoase machte. "Das Curio soll wie eine Oase ein Ort der Begegnung, der Inspiration, des Austauschs und ein fruchtbarer Boden für Innovationen werden."
Die Ansprüche an das neue Zentrum sind zugleich hoch. Mehrfach wird an diesem Abend betont, dass die Forschung und Entwicklung hier "rabiat" beschleunigt wird, wie Reinhold Würth es ausdrückt. Komplizierte Messvorrichtungen und andere Geräte seien bislang nur bei den Universitäten oder Materialforschungsanstalten vorhanden gewesen - oft ausgebucht auf Wochen. "Jetzt laufen wir nur durch die Türe, und dann ist alles da".
Ganz schön viele Löcher werden jedes Jahr gebohrt
Beim Rundgang konnten sich die Gäste dann selbst noch einen Eindruck davon verschaffen, was das bedeutet. Ob im Maker Space oder der großen Dübelhalle, wo Erdbeben simuliert werden können, hier kommen Wissenschaft und Handwerkstechnik zusammen.
Welche Rolle die Befestigungstechnik - in einem einfachen Fall eine Schraube und ein Dübel - heute auf der Welt spielt, illustrierte Jan Hofmann, Professor und stellvertretender Direktor des Instituts für Werkstoffe im Bauwesen an der Uni Stuttgart: Jedes Jahr würden zehn Dübel pro Einwohner dieser Erde produziert und verkauft. "Ich frage mich immer: Wer bohrt die ganzen Löcher?" Allein der Bohrstaub würde 15.000 Überseecontainer füllen.
Dicke Bretter bohren
Würth arbeitet hier also an noch besseren Dübeln und Schrauben. Die bekannte Assy-Holzschraube gibt es bereits in der vierten Generation, und die fünfte soll natürlich noch einmal besser werden.
Dass manche offenbar gute Lösung aber auch auf Widerstand stoßen kann, zeigt die Würth-Entwicklung Relast. Mit den Bohr-Ankern sollen Brücken und Betondecken saniert werden können anstatt sie zu ersetzen. Doch die öffentliche Hand tut sich schwer, die neue Technik einzusetzen. Landrat Matthias Neth bedauert das. "Es gibt doch so viele marode Brücken, selbst bei uns in der Region."
Gestalter und Umsetzer
Die Verzögerungen im Bauablauf hielten sich zuletzt in Grenzen, doch zu spät war es nun für einen grünen Rasen. Auf Rollrasen wurde verzichtet. Für die Außengestaltung verantwortlich ist K3 Landschaftsarchitektur aus Villingen-Schwenningen. Die "polygonale Architektur" des aus mehreren Gebäudeteilen bestehenden Innovationszentrums stammt vom Planungsbüro Obermeyer aus Stuttgart, die Gebäudetechnik von Fact aus Böblingen.