So sichert sich Würth seinen Platz an der Spitze
Ein exklusiver Rundgang durch das neue Innovationszentrum des Schraubenhändlers Würth am Heimatstandort in Gaisbach zeigt: Ausnahmsweise ist der Arbeitsplatz Homeoffice nicht erwünscht.

Endspurt für viele der 90 Gewerke auf der Baustelle des Würth-Innovationszentrums in Gaisbach. Letzte Fliesen werden verlegt, Trennwände eingezogen. Hier sollen bald die nächsten Schrauben und Schrauber entwickelt werden. Kurz vor der offiziellen Eröffnung gehen Norbert Heckmann, Chef der Adolf Würth GmbH & Co. KG, Einkaufs-Geschäftsführer Thomas Klenk und Heiko Roßkamp, Leiter Forschung und Entwicklung, mit unserer Zeitung auf eine exklusive Tour durch das Gebäude.
Kein Chefbüro, wo man es vermuten könnte
Es ist ein repräsentativer Neubau mit Ecken und Kanten. Allzu viele rechte Winkel sind dabei nicht zu finden. Besonders deutlich wird das am westlichen Ende. Ein dreieckiger Raum, geöltes Parkett, großflächige Glasfront mit Aussicht über das Hohenloher Land.
"In so einem Eck würde man normalerweise ein Chefbüro vermuten", sagt Thomas Klenk. "Bei uns wird es die Teeküche für die Mitarbeiter." Norbert Heckmann ist mit diesem Begriff allerdings unglücklich: "Nennen wir es doch Mitarbeiter-Lounge." Heiko Roßkamp meint beim Blick aus dem Fenster: "Professor Würth sagt ja, wir sollen wissen wollen, was ums Eck und hinterm Berg ist. Von hier aus sieht man's."
75 Millionen Euro investiert Würth hier. Dass sich die Mitarbeiter dann auch wohl fühlen, dafür setze sich die Beiratsvorsitzende der Würth-Gruppe, Bettina Würth, mit vielen eigenen Ideen ein, erzählen die Verantwortlichen. Denn auch wenn das Homeoffice inzwischen einen festen Platz im Konzern hat, sollen die Leute im Innovationszentrum zusammenkommen - in den Büros, den Kleinlaboren, der Gastronomie. "Diese kreativen Prozesse funktionieren im Homeoffice nicht", ist Heckmann überzeugt.
Wissenschaftler, Kunden, Vertriebler und Entwickler kommen hier zusammen
Produktmanager und Kollegen aus Forschung und Entwicklung werden also gemeinsam an neuen Lösungen arbeiten, in den interaktiven Werkstätten können Kunden und Vertriebsmitarbeiter angeleitet werden und alles testen. Es gibt einen Maker Space für Studenten und andere Wissenschaftler von den Partnerhochschulen. Das alles findet sich jetzt an einem Ort.

Roßkamp ist die Vorfreude anzumerken. "Wir bekommen beispielsweise auch eine Prototypen-Walzmaschine", erzählt er. Bisher habe es schon mal Monate gedauert, bis man eine neu entwickelte Schraube in der Hand hatte. "Jetzt ist das eine Sache von Tagen." Nach drei bis vier Wochen sei sie getestet, mit den Ergebnissen könne man dann weiterarbeiten.
Die Entwicklung gehe selbst bei der Schraube weiter. Jede Verbesserung wird von der Konkurrenz irgendwann übernommen. "Ein sicherer, magnetfreier Halt ist etwas, an dem wir derzeit arbeiten", verrät Roßkamp. Die entscheidende Rolle spielt schließlich, wie komfortabel und verlässlich Würth-Produkte verarbeitet werden können.
Wie viel Kraft hat der passende Akkuschrauber? Wie minimiert man den Klebstoffeinsatz? 60 Prozent des Umsatzes macht Würth mit Produkten aus dem eigenen Haus. Vieles davon wird im nahen Umkreis in eigenen Werken hergestellt.
5,50 Meter hohe Büros
Der Neubau ist an manchen Ecken so großzügig geplant, dass man auch im Nachhinein noch kreativ werden kann. Auf dem Weg zur Dübelhalle etwa sind die Büros luftige fünfeinhalb Meter hoch. "Da überlegen wir, in einem Teilbereich eine Zwischendecke einzuziehen, um Platz für eine gemütliche Ecke zu schaffen", sagt Roßkamp.

Die volle Höhe braucht es in der imposanten Dübelhalle. Zwei Deckenkräne sind dort in der Lage, jeweils fünf Tonnen zu heben und synchron zu bewegen. So ist es beispielsweise möglich, Brücken- oder sonstige Betonteile punktgenau zu manövrieren. An ihnen wird dann beispielsweise getestet, wie gut eine Sanierung mit Würth-Technik funktioniert.
"Bei Parkhäusern und Tiefgaragen bekommen die Decken oft dort Risse, wo sie abgestützt werden", erzählt Heckmann. "Die können wir mit unseren Relast-Ankern ertüchtigen. Und hier können wir dann schauen, was passiert, wenn wir so eine Stütze mit 200 Tonnen gegen die Decke pressen." Solche Testumgebungen gebe es weltweit nur sehr selten.
Nach dem Spatenstich im März 2019 und dem Abriss der Gebäude auf dem Gelände kam Corona und die Baustelle stand still. Zwei Jahre nach dem Baubeginn im Oktober 2020 wird das Innovationszentrum nun aber in zwei Wochen offiziell eröffnet. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird dazu erwartet. Dann werden nach und nach die 250 Mitarbeiter einziehen. 30 Stellen sind noch nicht besetzt. Ansonsten habe die Personalabteilung offenbar ganze Arbeit geleistet, wie Thomas Klenk betont. "Fachkräfte zu finden ist derzeit für jedes Unternehmen schwierig."