Regionales Handwerk in großer Sorge
Die Vollversammlung der Handwerkskammer Heilbronn-Franken diskutiert über die Preisrallye und den Personalmangel. Präsident Bopp fordert ein Umdenken bei den Arbeitszeitmodellen.

Die hohen Preise bei Energie und Rohstoffen sowie der sich zuspitzende Personalmangel machen dem regionalen Handwerk schwer zu schaffen. Das wurde bei der Sitzung der Vollversammlung der Handwerkskammer Heilbronn-Franken am Montagnachmittag deutlich. Kammerpräsident Ulrich Bopp sprach von einer "waschechten Energiekrise", die in Kombination mit Preissteigerungen, Lieferengpässen und Auftragsstornierungen zu Existenzängsten in vielen Handwerksbetrieben führe.
Weil die Rücklagen schmelzen, seien die Handwerker auf Unterstützung der Banken angewiesen. "Doch auch diese handeln angesichts der aktuellen Krise zurückhaltend", so Bopp.
Lob für die Staatshilfen
Der Präsident lobte zugleich die beschlossenen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung, für die das Handwerk lange und hart gekämpft habe. Bopp nannte den Abwehrschirm in Höhe von 200 Milliarden Euro, der auch kleinen und mittelständischen Betrieben zugute kommen soll sowie die Gas- und Strompreisbremse.
Metzgereien-Sterben und Bäcker-Sorgen
In der Aussprache wurde deutlich, wie dramatisch die Situation in einigen Gewerken ist. "Die hohen Preise sind für uns brutal", sagte Harald Hohl, Obermeister der Fleischer-Innung Heilbronn-Hohenlohe-Schwäbisch Hall. Der Ruf der Politik, vor allem auf regionale und Bio-Produkte zu setzen, funktioniere nicht mehr, weil die Kunden sich das schlicht nicht mehr leisten könnten. "Die gehen dann zum Discounter", sagte Hohl. In der Folge nehme das Metzgereien-Sterben zu.
"In meiner Innung knipsen sieben Betriebe zum Jahresende das Licht aus." Ähnlich sieht es in der Bäckerbranche aus. Bernhard Kuhn, Obermeister der Bäcker-Innung Heilbronn, forderte auch für die Betreiber von Öl- und Pelletöfen staatliche Unterstützung. "Rund 70 Prozent der Bäckeröfen laufen mit Öl", macht Kuhn die Dimension deutlich.
Bopp fordert mehr Flexibilität bei Arbeitszeiten
Emotional wurde es beim Thema Personalmangel, unter dem alle Gewerke leiden. "Wir müssen alle umdenken", appellierte Bopp an seine Kollegen. Der Präsident berichtete von einem jungen Installateur, der die Vier-Tage-Woche eingeführt habe und sich vor Bewerbungen kaum retten könne. "Er hat jetzt sechs Mitarbeiter, nächstes Jahr werden es zwölf sein", so Bopp. Auch Hauptgeschäftsführer Ralf Schnörr plädierte dafür, neue Wege bei der Fachkräftegewinnung und Arbeitszeitmodellen zu gehen. "Es darf keine Denkverbote geben."
Kritik an der Anspruchshaltung der Jugend
Einige Vollversammlungsmitglieder äußerten sich skeptisch, ob eine Vier-Tage-Woche das Personalproblem lösen kann. "Das kann nicht funktionieren", meinte Peter Scheuermann, Obermeister der Fach-Innung Uhren-Schmuck-Zeitmesstechnik Heilbronn-Franken. Auch Sven Blümel lehnt das ab. "Wenn das die Zukunft ist, dann gute Nacht um sechs", sagte der Obermeister der Fliesenleger-Innung Heilbronn-Franken. Kreishandwerksmeister Ralf Rothenburger vermisst in dieser schwierigen Zeit "die deutsche Mentalität des Ärmel-hochkrempelns". Er kritisierte die Konsumhaltung vieler junger Menschen, denen oft die Erdung fehle.
Geordnete Finanzen
Finanziell steht die Handwerkskammer Heilbronn-Franken gut da, wie der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Achim Hofmann berichtete. Das Jahr 2021 schloss die Kammer mit einem Jahresergebnis in Höhe von 1,179 Millionen Euro ab. Für das Jahr 2023 rechnet Hofmann mit Erträgen von 12,22 Millionen Euro, denen Aufwendungen in Höhe von 12,44 Millionen Euro gegenüberstehen. Damit erwartet die Kammer, die keine Bankschulden hat, ein negatives Jahresergebnis in Höhe von 215.000 Euro. Die Beiträge für die Mitglieder bleiben stabil.