Der Schaden des Corona-Oster-Lockdowns
Finanziell kostet ein zusätzlicher Feiertag Milliarden, vor allem aber kostet er Vertrauen. Verbandsvertreter und Unternehmenslenker kritisieren die kurzfristige Entscheidung von Bund und Ländern mit überraschend deutlichen Worten.
Update (24.03.2020, 12.15 Uhr): Die erst wenige Stunden alte und hoch umstrittene Corona-Osterruhe wird es nicht geben. Die Kanzlerin macht einen Rückzieher und übernimmt die Verantwortung für die Verwirrung.

Ein zusätzlicher Ruhetag am 1. April soll helfen, die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen. Wie genau dieses Ergebnis der Runde im Kanzleramt von den Ländern jetzt umgesetzt wird, ist derzeit noch offen. In der Wirtschaft gibt es unter jenen, die sich überhaupt dazu äußern wollen, keinerlei Verständnis für die Maßnahme.
Vieles ist unklar, die Unsicherheit ist groß
Unklar ist, was die erweiterte Osterruhe bedeutet. Ist der Gründonnerstag ein Feiertag? Wird Arbeitnehmern, die nicht arbeiten, ein Urlaubstag abgezogen? Der Landesregierung in Stuttgart dürfte es an diesem Dienstag kaum noch möglich sein, auf solche Fragen verbindliche Antworten zu finden. Sicher scheint nur, dass während der erweiterten Osterruhe möglichst nicht gearbeitet werden soll.
"Das ist eine nicht zu Ende gedachte Flickschusterei sondergleichen, und das ausgerechnet zum 1. April", sagt Jörg Ernstberger, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall in Heilbronn-Franken. Die jetzt entstandene Verunsicherung bei Unternehmen und auch unter Arbeitnehmern sei riesig.
An den Zielen vorbei
Die möglichen Ziele der Maßnahme - dass sich weniger Menschen im Supermarkt aufhalten, sich weniger privat treffen, dass sie weniger verreisen - seien durch die Regelung kaum zu erreichen.
Stattdessen würde der Gründonnerstag als zusätzlicher freier Tag allein die Metall- und Elektroindustrie in Deutschland rund 4,45 Milliarden Euro Umsatz und etwa eine Milliarde Euro an Entgelten kosten, hat der Arbeitgeberverband errechnet.
Eine "Politik ohne Rückgrat"
Deutlich wird auch Ziehl-Abegg-Chef Peter Fenkl: "Ich bin sicher, dass unsere Arbeitnehmer während der Arbeitszeit deutlich besser geschützt sind, als wenn sie sich privat treffen."
Wenn man einerseits die Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit kontrolliere und mit 200 Euro Bußgeld belege, wenn sie sich zu zweit ohne Maske in einem Auto befinden, gleichzeitig aber 20.000 Querdenker unbehelligt demonstrieren lasse, dann sei das "Politik ohne Rückgrat". Da passe die Entscheidung zum kurzfristig verordneten Ruhetag dazu. "So dürfte ich ein Unternehmen nicht führen", so Fenkl.
Unternehmen betreiben viel Aufwand, um Infektionen zu verhindern
In 13 Monaten wurden bei Ziehl-Abegg unter den 2400 Mitarbeitern im Hohenlohekreis knapp 100 Infektionen registriert, kaum eine davon habe am Arbeitsplatz stattgefunden, soweit man das beurteilen könne. "Wir betreiben viel Aufwand, um hier für Sicherheit zu sorgen", sagt Fenkl. Da sei diese Entscheidung zumindest sehr bedauerlich. "Wir haben schließlich wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden."
Andere Unternehmen wollen sich teils nicht öffentlich äußern, zeigen sich aber hinter vorgehaltener Hand ratlos. Der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (WVIB) warnt vor unterbrochenen Lieferketten, durchkreuzten Arbeits- und Schichtplänen. „Die Unternehmer laufen bei uns Sturm wie noch nie zuvor“, sagt WVIB-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer. Beim Schraubenhändler Würth in Künzelsau gibt man sich diplomatisch: „Selbstverständlich halten wir uns an die Vorgaben“, teilt eine Sprecherin mit. Das Unternehmen wartet, ebenso wie der Autobauer Audi in Ingolstadt auf die Details der Entscheidung.