Aus für das Werk Schilling: Wird Produktion aus Heilbronn nur verlagert?
Das Werk schrieb 2021 rote Zahlen, sagt der Geschäftsführer. Der Betriebsratschef dagegen behauptet, der Standort sei heruntergewirtschaftet worden. Der Mutterkonzern hält sich unterdessen weiterhin bedeckt.

Für die 165 Beschäftigten des Verpackungswerks Schilling in Heilbronn kam die Nachricht über das bevorstehende Aus ihres Standorts überraschend. Spezialisiert auf Kartonverpackungen für Waschmittel, leidet das Werk darunter, dass Verbraucher lieber zu Flüssigwaschmittel greifen. Doch so unvermeidbar, wie das Unternehmen es darstellt, sei die Entscheidung nicht gewesen, sagt Betriebsratschef Serkan Ince.
Genug Arbeit für die Beschäftigten
"Es laufen alle Maschinen", sagt Ince im Gespräch mit unserer Zeitung. Zwar sei es weniger als vor sechs, sieben Jahren, als das Werk noch 220 Mitarbeiter beschäftigte. "Statt 130 Prozent Auslastung sind es aber immer noch rund 90 Prozent."
Ein wegbrechendes Geschäft, wie es das Unternehmen darstellt, könne er nicht beobachten. "Wir arbeiten im Dreischichtbetrieb und machen auch noch immer die vereinbarten drei Überstunden pro Woche an der Druckmaschine. Bis November haben wir Wochenendschichten gefahren", sagt Ince.
Betriebsratschef: Die "umfangreichen Investitionen" gab es nicht
Das Unheil habe sich im vergangenen Jahr angebahnt, als 15 Mitarbeiter auf einen Schlag entlassen wurden. "Die wurden durch Leiharbeiter ersetzt", erzählt Ince. "So etwas gab es bei uns noch nie." Zudem sei es falsch, wenn der Mutterkonzern Mayr-Melnhof erkläre, man habe "umfangreiche Investitionen" in Heilbronn getätigt. "Vielleicht waren es mal drei Millionen in den vergangenen zehn Jahren", sagt Ince.
Doch ebenso seien Maschinen abgebaut worden. Seine Vermutung: Der Standort sollte heruntergewirtschaftet werden, während andernorts investiert wurde.
Tatsächlich weist die Mayr-Melnhof Karton AG auf den eigenen Internetseiten darauf hin, dass in Polen und Österreich ebenfalls Verpackungen für Waschmittel hergestellt werden. Und in Polen wurden gerade 35 Millionen Euro investiert, wie eine Mitteilung von Juli 2021 verkündet. Schwerpunkt unter anderem: Waschmittelverpackungen.
Marktanteil von Pulverwaschmittel sinkt
Seit Oktober ist Gerhard Müller-Broll in Heilbronn als Geschäftsführer eingesetzt. Er erklärt auf Stimme-Anfrage: "Die Produktionskapazität des Werks kann bereits seit 2018 nicht mehr ausgelastet werden." Der Marktanteil von Pulverwaschmittel sei in Westeuropa um fast ein Drittel gesunken. "Das stellt einen massiven und langfristigen Umsatzeinbruch dar. Die Hauptkunden des Werks Schilling reagieren auf diese Marktentwicklung und reduzieren seit fünf Jahren ihre Bestellungen", erklärt Müller-Broll.
Das Werk in Heilbronn schreibe deshalb seit 2021 Verluste. Wie hoch diese sind? Dazu könne er keine Angaben machen.
Während in der ersten Pressemitteilung noch von umfangreichen Investitionen zur Erhaltung des Standorts die Rede war, erklärt Müller-Broll nun, es seien seit 2019 "Prozesse optimiert, Kosten gesenkt" worden, und man habe "versucht Absatz für Verpackungen außerhalb des Waschmittelportfolios" zu finden. Offenbar ohne Erfolg. "Optionen wie einen Verkauf haben wir geprüft, aber kein Investor war bereit, das Werk fortzuführen."
Auf viele Fragen keine Antworten
Weitere Angaben zu den angeblichen Investitionen macht Müller-Broll nicht. Auf die Fragen, wie viele Schichten gefahren werden, wie sich die Umsätze verändert haben und wie viele Leiharbeiter beschäftigt werden, gibt es vom Geschäftsführer ebenfalls keine Auskunft. Ebenso wenig auf die Frage, wo künftig die Waschmittelkartons hergestellt werden sollen.
Wie die Beschäftigungsverhältnisse der 165 Mitarbeiter in Heilbronn nun enden, sollen Verhandlungen mit dem Betriebsrat zeigen. Am 2. Februar ist das erste Treffen terminiert. "Es wird schwer", sagt Betriebsratschef Ince, der seit 14 Jahren bei Schilling arbeitet. "Aber zumindest sollten die Fakten dann auf dem Tisch liegen."
Geschäft von Mayr-Melnhof läuft
Trotz stark gestiegener Kosten hat der österreichische Verpackungshersteller Mayr-Melnhof (MM) 2021 Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert. Der Umsatz der börsennotierten AG wuchs um 21 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr lief das Geschäft noch besser. In den ersten drei Quartalen 2022 erhöhte sich das Vorsteuer-Ergebnis um 177 Millionen auf 452 Millionen Euro. 2021 verkaufte Mayr-Melnhof zwei Kartonwerke in Baiersbronn und Eerbeek (Niederlande) und erklärte damals, dies entspreche der "Strategie von MM, sich auf neue Akquisitionen und Wachstumsinvestitionen zu konzentrieren".