Tausende streiken bei Audi Neckarsulm – Forderung nach höheren Löhnen
Etwa 5500 Beschäftigte des Audi-Werks Neckarsulm haben mit einem einstündigen Warnstreik ihre Forderung nach mehr Geld unterstrichen. Dass sie trotz der Auto-Krise dafür eintreten, untermauern sie mit mehreren Argumenten.
Praktisch, dass Audi rote Arbeitsjacken an die Belegschaft ausgegeben hat. So ist die Fläche vor Tor 6 an diesem Morgen quasi durchgehend in Rot getaucht - entweder dank der Mützen und Schals der IG Metall oder dank des Betriebs, der hier gerade bestreikt wird. Denn mit einer gut einstündigen Warnstreik-Aktion setzten etwa 5500 Mitarbeiter des Werks Neckarsulm, inklusive der Belegschaft vom Zweigwerk in den Böllinger Höfen, ein Zeichen, dass es ihnen ernst ist mit der Forderung in den laufenden Tarifverhandlungen: Die Arbeitnehmer fordern sieben Prozent mehr Lohn und Gehalt sowie zusätzliche 170 Euro für Auszubildende und duale Studenten.
Warnstreik bei Audi in Neckarsulm: "Wir haben eine Situation, die ist fordernd"
Für Jonas Berhe ist es die erste Kundgebung dieser Größenordnung. Der neue Erste Bevollmächtigte der Geschäftsstelle Heilbronn-Neckarsulm, erst seit Juni im Amt, hat die Menge aber bald im Griff. Mit La Ola und rhythmischem Klatschen bringt er die Streikenden in Bewegung - auch, um die morgendliche Kühle abzuschütteln. Argumente hat er aber auch dabei. "Wir haben eine Situation, die ist fordernd", räumt er zwar ein.
Laut einer Umfrage der Gewerkschaft seien 30 Prozent der Betriebe entweder bereits in Kurzarbeit oder bereiteten diese vor, mehr als 40 Prozent planten außerdem Stellenabbau. "Das alles ist ernstzunehmen, aber kein Grund, von unseren Forderungen abzuweichen", meint Berhe. "Die Belegschaften brauchen eine Entgelterhöhung, mit der man die Inflation wenigstens halbwegs ausgleichen kann." Übrigens habe die Audi-Belegschaft sogar neun Prozent mehr gefordert, sich dann aber mit der Forderung nach einem Plus von sieben Prozent solidarisch erklärt.
Tausende streiken bei Audi Neckarsulm: Warum Azubis zusätzliches Geld bekommen sollen
Deren Vertrauenskörper-Leiter Ari Zartmann kritisiert das Angebot der Arbeitgeberseite: Neun Monate Nullrunde, dann ein Plus von 1,7 Prozent und nach zwölf Monaten von weiteren 1,9 Prozent - "das reicht nicht", stellt er klar. "Denn wir spüren die Inflation." Für Auszubildende sei gar kein konkreter Vorschlag gemacht worden, berichtet er. Dabei gebe es immer mehr Nachwuchskräfte, die hier ihre zweite oder dritte Ausbildung machten oder schon Eltern seien, wirft IG Metall-Jugendsekretär Niklas Anner ein: "Azubis sind eben nicht mehr alle 16 und wohnen bei Mama."
Die aktuelle Krise in der Branche sei dabei kein Grund zur Zurückhaltung, so Zartmann. "Die Herausforderungen sind verdammt noch mal zu lösen. Das erwarten wir vom Management - aber keine einfachen Antworten wie Jobabbau." Lohnverzicht sichere auch keine Arbeitsplätze, habe sich in den ersten Verhandlungsrunden herausgestellt. Also bleibt die Gewerkschaft bei ihren Forderungen.
Für die Auslastung des Audi-Werks sieht Zartmann die Unternehmensleitung in der Verantwortung. Die sei es schließlich gewesen, die Produkte auslaufen ließ und Nachfolgemodelle gestrichen habe. "Wir haben immer eine hohe Auslastung gefordert. Es war das Management, dass uns in die Unterauslastung schickte." Auch insgesamt sei das Verhalten der Arbeitgeber gefährlich: "Sie reden gerade den Standort Deutschland kaputt."
Weitere Aktionen stehen bereits fest
Die Aktionen der IG Metall werden jedenfalls weitergehen, kündigt Jonas Berhe an: Bereits an diesem Donnerstag gibt es eine Warnstreik-Kundgebung am Telefunkenpark in Heilbronn, an der Beschäftigte mehrerer Heilbronner Betriebe teilnehmen. Und für Montag, 11. November, ist eine Großkundgebung auf dem Marktplatz in Neckarsulm geplant, zu der neben den Audi-Beschäftigen auch Mitarbeiter der Betriebe auf dem Kolbenschmidt-Areal erwartet werden. "Wir wollen der Arbeitgeberseite und der Öffentlichkeit ein deutliches Signal senden", sagt Berhe. "Wir wollen Druck machen. Wir brauchen eine passende Lösung für diese Zeit."