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Vorwurf gegen Lidl: Milliarden durch illegal vergrößerte Filialen dazu verdient?

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Lidl soll laut einem Medienbericht heimlich die Flächen von Filialen vergrößert haben, um mehr Geld zu machen. Die Schwarz-Gruppe vermutet eine Schmutzkampagne von Ex-Mitarbeitern. 

Hat Lidl seine Filialen größer gemacht als erlaubt? Das behauptet jedenfalls ein Medienbericht.
Hat Lidl seine Filialen größer gemacht als erlaubt? Das behauptet jedenfalls ein Medienbericht.  Foto: Jens Kalaene

Der Discounter Lidl soll jahrelang heimlich die Flächen von Filialen vergrößert haben. Das meldet das "Manager Magazin" unter Berufung auf ehemalige Mitarbeiter und Auftragnehmer des Handelsunternehmens der Schwarz-Gruppe. Nach den Recherchen der Autoren sei es dem Discounter vor allem darum gegangen, den Umsatz je Filiale zu steigern. Raumplaner weisen aber auch auf andere Motive hin. Die möglichen Folgen für Lidl und die Schwarz-Gruppe sind noch unklar.  

Vorwürfe gegen Lidl: Verkaufsfläche über Nacht vergrößert

Die Vergrößerung sei demnach von vorneherein angelegt gewesen, schreibt das Magazin: Die sogenannten L-Filialen hatten ein an zwei Seiten um die Verkaufsfläche verlaufendes Lager, also in L-Form, von dem zu einem späteren Zeitpunkt - teilweise über Nacht - eine Trennwand herausgenommen wurde. Fortan sei die ehemalige Lagerfläche als Verkaufsfläche genutzt worden, aus 800 Quadratmetern wurden teilweise 1200 Quadratmeter.

Dadurch sei der Umsatz um 10 bis 20 Prozent gestiegen. Schätzungen des Magazins belaufen sich auf Mehreinnahmen von bis zu 2,5 Milliarden Euro bei 300 bis zu 550 betroffenen Standorten. Lidl betreibt heute nach eigenen Angaben etwa 3250 Filialen in Deutschland. 

"Mehr als 800 Quadratmeter hätten wir nicht genehmigt"

Womöglich gab es aber auch ein weiteres Motiv für solch ein Vorgehen. Denn 800 Quadratmeter sind für eine neue Filiale eines Lebensmittelhändlers eine entscheidende Größe, erläutert Martin Heberling, zuständig für Einzelhandel beim Regionalverband Heilbronn: "Dies ist die Schwelle, ab der die Ziele der Raumordnung greifen."

Supermärkte und Discounter wollten sich am liebsten dort ansiedeln, wo viel Betrieb ist - an Straßen und in Gewerbegebieten. Die Raumplaner streben hingegen an, den Einzelhandel innerhalb der Wohnbebauung zu halten. Darum sei zum Beispiel die neue Aldi-Filiale in den Böllinger Höfen bei Heilbronn auch nur 800 Quadratmeter groß, erklärt der promovierte Raumplaner. "Mehr hätten wir nicht genehmigt." Wolle ein Händler nachträglich solch einen Standort erweitern, werde dies in der Regel untersagt.  

Bußgelder in vierstelliger Höhe bei Bauverstößen gegen Lidl

Die entsprechenden Gesetze und Regularien wurden erst um die 2000er Jahre erlassen, berichtet Heberling. Folglich gelte für ältere Standorte das bei ihrer Errichtung gültige Baurecht - aber auch nur für die genehmigte Größenordnung. Bei Verstößen sei die untere Bauaufsicht, angesiedelt im Landratsamt, am Zuge - sie könne die Nutzung untersagen, die Schließung veranlassen oder ein Strafgeld festsetzen.

Nach Angaben des "Manager Magazins" sei dies aber nur selten geschehen, das Heft nennt für einzelne Fälle Bußgelder in jeweils vierstelliger Höhe. Nur selten seien höhere Summen angesetzt worden, dann habe Lidl auch die Umbauten rückgängig gemacht und die Wände wieder eingezogen.

Persönliche Motive geschasster Mitarbeiter als Hintergrund?

Gegenüber dem Magazin verwiesen Unternehmenssprecher darauf, dass viele der von ihm benannten Fälle gar nicht mehr in den internen Unterlagen nachzuvollziehen seien. "Die beschriebenen Vorgänge reichen weit über die üblichen Aufbewahrungsfristen hinaus", werden sie zitiert. Filialbezogene Anweisungen seien nicht dokumentiert.

Gegenüber der Heilbronner Stimme sagte ein Sprecher der Schwarz-Gruppe, der Bericht des Magazins werde gerade ausgewertet. Ein Branchenkenner vermutet hinter der Berichterstattung auch persönliche Motive - als Informanten werden darin unter anderem ehemalige Regionalleiter und ein ehemaliger Deutschlandchef von Lidl genannt. Solche Karrieren wurden insbesondere unter dem damaligen Lidl-Chef Klaus Gehrig mitunter plötzlich und unerwartet beendet.

Wann mit einem größeren öffentlichen Verfahren zu rechnen ist

Für den Insider ist dies "ein sehr negativer Bericht, richtig abrechnend. Ich denke, dass es sich, wenn überhaupt, nur um Einzelfälle handeln dürfte." Wenn sich die Vorwürfe aber beweisen ließen und die Verjährungsfristen nicht gefallen sind, "könnte mit einem größeren öffentlichen Verfahren zu rechnen sein". Die DHBW Heilbronn mit ihrem renommierten Studiengang Betriebswirtschaft Handel wollte sich zu dem Thema hingegen nicht äußern.

Auch auf Gerd Chrzanowski könnten dann unangenehme Fragen zukommen: Der heutige Chef der gesamten Schwarz-Gruppe fungierte seit 2008 bei Lidl als Vorstand Zentrale Dienste, war zuvor ab 2004 Geschäftsführer Organisation. 2014 wechselte er dann als Vorstand Zentrale Dienste in die Schwarz-Gruppe.

Schwarz-Gruppe prüft aktuellen Vorwurf

Eine Sprecherin der Schwarz-Gruppe teilte auf Anfrage der Heilbronner Stimme mit: "Die Unternehmen der Schwarz Gruppe bekennen sich unmissverständlich zum Grundsatz: „Wir halten uns an geltendes Recht und interne Richtlinien“. Im Rahmen unserer Compliance-Management-Systeme gehen wir jedem Hinweis auf mögliche Compliance-Verstöße konsequent nach. So wird auch der aktuelle Vorwurf überprüft." 

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