„Keine Schonfrist“ – Wirtschaft wünscht sich schnelle Maßnahmen nach Merz-Wahl
Gleich mehrere Wirtschaftsverbände begrüßen die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler – fordern jedoch ein schnelles und entschlossenes Handeln.
In der Wirtschaft überwiegt die Erleichterung darüber, dass Friedrich Merz doch noch zum Bundeskanzler gewählt wurde. Die Verbände erwarten jetzt schnelles und entschlossenes Handeln zum Wohl der Wirtschaft und des Landes. „Ich bin erleichtert, dass die Kanzlerwahl im zweiten Wahlgang erfolgreich war. Dennoch ist das Wahldebakel heute ein fatales Signal für die politische Handlungsfähigkeit in Deutschland. Die Koalition ist beschädigt, bevor sie mit ihrer Arbeit begonnen hat“, sagt Kirsten Hirschmann, Präsidentin der IHK Heilbronn-Franken.
Die heimische Wirtschaft sei darauf angewiesen, dass die neue Regierung entschlossen und geschlossen die dringend notwendigen Reformen in der Wirtschaftspolitik auf den Weg bringe. „Der Koalitionsvertrag enthält wichtige und richtige Schritte, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Sie jetzt entschieden und sofort umzusetzen, muss oberste Priorität haben“, betont Hirschmann. Das gehe nur mit einer Regierung, die sich einig ist und eine Mehrheit im Bundestag hinter sich weiß.
Friedrich Merz im Amt: Klare Forderungen der Handwerkskammer Heilbronn-Franken
Die Handwerkskammer Heilbronn-Franken begrüßt die rasche Vereidigung der neuen Bundesregierung. Die Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland seien groß, es gebe keine Zeit zu verlieren. „Jetzt gilt es, alte Denkweisen über Bord zu werfen und sich ohne Zeitverzögerung den drängendsten Aufgaben zu widmen“, sagt Ralf Rothenburger, Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. Die neue Bundesregierung sei jetzt gefordert, schnell wieder attraktive Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Rothenburger: „Eine Schonfrist kann und darf es diesmal nicht geben.“
Gemeinsam mit den Partnern der AG Mittelstand hat das Handwerk sieben Maßnahmen formuliert, die die neue Bundesregierung innerhalb der ersten 100 Tage angehen müsse, erläutert Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, und sagt: „Wir fordern eine Strompreissenkung für alle Betriebe auf das europäische Mindestmaß, Steuerentlastungen und die Abschaffung des Lieferkettengesetzes.“

Präsident Rothenburger mahnt insbesondere beim Bürokratieabbau zur Eile. „Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofort-Entlastungsprogramm muss schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden. Unsere Betriebe leiden sehr unter den bürokratischen Auswüchsen der vergangenen Jahre“, so Rothenburger, der auch selbst Inhaber eines Elektrobetriebs in Heilbronn ist.
Merz-Regierung soll Wirtschaft stärken: Die Kassenbonpflicht soll nach dem Willen des Handwerks sofort abgeschafft werden
Eine Forderung, die sofort umgesetzt werden könne, sei die aus seiner Sicht völlig unnötige Kassenbonpflicht. „Dadurch wäre der Bürokratieabbau für jeden sofort spürbar und der Wille der Bundesregierung zur Veränderung klar erkennbar“, sagt Rothenburger.
Schnörr betont, dass zudem ein zügiger Haushaltsbeschluss für das Jahr 2025 notwendig sei und die Sozialpartner bei allen relevanten Gesetzgebungsverfahren verlässlich eingebunden werden müssten. „Das gilt insbesondere für das geplante Bundestariftreuegesetz und eine unabhängige Arbeit der Mindestlohnkommission“, sagt Schnörr.
Erwartungen an schnelles Handeln nach Kanzlerwahl: Unternehmer Baden-Württemberg plädiert für Sofortpaket vor der Sommerpause
„Die baden-württembergische Wirtschaft gratuliert Friedrich Merz zur Wahl zum Bundeskanzler. Wir wünschen ihm und der neuen Bundesregierung viel Erfolg und eine glückliche Hand. Der Start war allerdings sehr holprig und wirft Fragen hinsichtlich der Stabilität und Handlungsfähigkeit der schwarz-roten Koalition auf“, teilt Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), mit.
Die neue Regierung müsse nun beweisen, dass sie fähig ist, schnell zu handeln und die richtigen Prioritäten zu setzen. „Wir brauchen noch vor der Sommerpause ein Sofortpaket, das die für die Wirtschaft zentralen Punkte des Koalitionsvertrags rasch umsetzt: niedrigere Energiepreise, bessere Abschreibungsmöglichkeiten und ein entschlossener Bürokratieabbau“, betont Barta. Es gebe keine Zeit zu verlieren. Deutschland drohe zum dritten Mal in Folge ein Jahr ohne wirtschaftliches Wachstum zu erleben.
Merz-Regierung soll Wirtschaft stärken: BWIHK wünscht sich mutige Wachstumsimpulse
Für den Baden-Württembergischen Handelskammertag (BWIHK) ist entscheidend, wie CDU/CSU und SPD die guten Ansätze in ihrem Koalitionsvertrag nun in entsprechende Impulse zur nötigen wirtschaftspolitischen Neuausrichtung umsetzen. „Da alle Prognosen darauf hindeuten, dass Deutschland auch ein historisches drittes Jahr an ökonomischem Stillstand verkraften muss, brauchen die Unternehmen jetzt von Beginn an mutige Wachstumsimpulse. Wichtig sind schnell greifende Maßnahmen, gebündelt in einem 100-Tage-Programm – etwa zur Planungsbeschleunigung, Deregulierung und Steuerentlastung. Damit kann die Politik die nötigen Aufbruchsignale senden“, betont BWIHK-Präsident Jan Stefan Roell.
Für Roell ist entscheidend, wann Maßnahmen wie die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Senkung der Stromsteuer, Flexibilisierung der Arbeitszeiten oder die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes auch umgesetzt sind. „Als IHK-Organisation haben wir konkrete Vorschläge für ein solches Programm mit Soforteffekten für die Wirtschaft vorgelegt. So sollte beispielsweise im Energiebereich die Stromsteuer-Senkung zum 1. Juli in Kraft treten und zum 1. Januar 2026 die Halbierung der Übertragungsnetzentgelte greifen. Bei Steuerentlastungen könnten rückwirkend zum 1. Januar 2025 die vereinfachten Abschreibemöglichkeiten der degressiven AfA wirksam werden und die ab 2028 geplante Senkung der Körperschaftssteuer sollte schon jetzt gesetzlich fixiert werden“, so Roell.
Wirtschaftsjunioren loben Quereinsteiger aus der Wirtschaft
Die Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) sehen vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen einen klaren Handlungsauftrag – und erwarten konkrete, mutige Schritte zur Stärkung der deutschen Wirtschaft. Positiv bewertet die junge Wirtschaft, dass mit Katherina Reiche als Bundeswirtschaftsministerin, Karsten Wildberger als Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung und Verena Hubertz als Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen drei Persönlichkeiten mit unternehmerischem und wirtschaftlichem Hintergrund zentrale Ressorts übernehmen.
Aus Sicht der jungen Wirtschaft bietet dies Potenzial für eine praxisnahe und handlungsorientierte Politik in einem sonst unternehmerisch unterrepräsentierten Parlament. „Mit Reiche, Wildberger und Hubertz übernehmen Menschen Verantwortung, die wissen, wie Wirtschaft funktioniert. Das ist ein wichtiges Signal – aber kein Selbstläufer“, betont Constance Kaysser, Bundesvorsitzende der WJD. „Es braucht jetzt keine weiteren politischen Inszenierungen, sondern ein echtes Umsteuern. Gründer und Nachfolger, junge Unternehmen – sie alle brauchen klare Perspektiven. Wer Innovation und eine starke Wirtschaft will, muss endlich die Bremsen lösen“, so Kaysser.
Maschinenbauer erwarten Orientierung und Reformen
Bertram Kawlath, Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, sagt: „Friedrich Merz übernimmt das Amt des Bundeskanzlers in einer wirtschaftlich und gesellschaftlich besonders herausfordernden Zeit. Wir verbinden mit seinem Amtsantritt die Erwartung an eine klare wirtschaftspolitische Orientierung und mutige Reformen. In den ersten 100 Tagen müssen die Weichen auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit gestellt werden.”
Die deutsche Politik sei in der EU in den vergangenen Jahren zu oft wie gelähmt gewesen. „Das können wir uns nicht mehr leisten, Deutschland muss wieder zum europäischen Zugpferd werden und zusammen mit den europäischen Partnern die Vertiefung des Binnenmarkts energisch vorantreiben.”
Der industrielle Mittelstand braucht Kawlath zufolge spürbare Entlastung; durch weniger Bürokratie, mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt und einen Staat, der digital, schnell und verlässlich agiert. „Deutschland benötigt ein echtes Standort-Upgrade, um im internationalen Wettbewerb aufholen zu können.“
Deutsche Bank hofft auf 100-Tage-Programm
Marion Mühlberger, Volkswirtin bei Deutsche Bank Research, teilt mit: „Mit der Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler hat der Bundestag heute entscheidende Weichen gestellt. Wenn die neue Regierung nun ihr 100-Tage-Programm mit den dringend benötigten Entlastungen für die deutsche Wirtschaft zügig auf den Weg bringt, wird schnell in den Hintergrund rücken, dass es zweier Anläufe für die Wahl zum Kanzler bedurfte.“