Ralf Rothenburger wurde am 10. März 1958 geboren. Der Elektroinstallateur-Meister übernahm 1984 den väterlichen Elektrobetrieb in Heilbronn. Daneben engagiert sich der in Weinsberg wohnende Vater zweier Töchter in zahlreichen Ehrenämtern des Handwerks. Von 2007 bis 2024 war Rothenburger Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Heilbronn-Öhringen. Seit 2004 ist er Mitglied der Vollversammlung der Handwerkskammer Heilbronn-Franken und dort auch Vorstandsmitglied. Im September 2024 wurde Rothenburger von der Vollversammlung zum neuen Präsidenten der Kammer und damit zum Nachfolger von Uli Bopp gewählt.
Ralf Rothenburger: „Wir brauchen wieder Macher“
Der Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken spricht über seine neue Rolle, den Nachwuchsmangel und die Digitalisierung im Handwerk und seine Erwartungen an die Politik.

Herr Rothenburger, Sie sind jetzt gut 100 Tage im neuen Amt. Sind Sie gut angekommen?
Ralf Rothenburger: Ja. Das ist auch kein totales Neuland für mich. Ich gehöre schon lange dem Vorstand der Handwerkskammer an, bin lange Kreishandwerksmeister gewesen. Ich habe jetzt die eine oder andere Aufgabe mehr, mehr Repräsentationspflichten, mehr Termine.
Was war die größte Umstellung?
Rothenburger: Ich muss mehr unterschreiben (lacht).
Also der Papierkram?
Rothenburger: Ja. Und die größeren Entfernungen. Die Kreishandwerkerschaft spielt sich regional ab. In der Innungsarbeit ist vieles persönlich, der Kontakt zu den Betrieben ist intensiver als bei der Kammer. Dem wirken wir entgegen, indem wir Betriebsbesuchstage machen. Den ersten habe ich absolviert, das war richtig spannend, weil man neue Eindrücke aus den Gewerken bekommt.
Als Kreishandwerksmeister war der Kontakt zu den Innungsbetrieben enger, weil diese freiwillig organisiert sind. Mit den Pflichtmitgliedern der Kammer ist das schwieriger, oder?
Rothenburger: Ja, aber bisher erlebe ich das recht positiv. Mir ist ganz wichtig, dass ich den Kontakt zu den Innungen und den Obermeistern nicht abreißen lasse. Ich weiß, wo ich herkomme, diese Kontakte brauche ich, denn das ist ja die Reflektion dessen, was hier geschieht.
Inwiefern?
Rothenburger: In Gremien wie dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) oder Handwerk BW war ich bisher zu Besuch – jetzt rede ich da mit. Deshalb ist es für mich wichtig, dass ich den Boden nicht verliere, dass ich weiß, wo an der Basis der Schuh drückt.
Wie ist die Kammer aufgestellt?
Rothenburger: Die Kammer ist eine funktionierende Einheit mit einer funktionierenden Geschäftsleitung. Wir haben eine sehr gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Was haben Sie sich vorgenommen?
Rothenburger: Wir müssen unsere Kraft darauf konzentrieren, dass wir den Betrieben gerade in dieser Zeit das Leben erleichtern. Wir kennen alle die Dokumentationspflichten und die bürokratischen Vorschriften. Da müssen wir Hilfe bieten, dass die Betriebe überhaupt in der Lage sind, diese umzusetzen.
Sie haben bei Ihrem Amtseintritt vier zentrale Themen genannt: Ausbildung und Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Innovation, Bürokratie und Nachhaltigkeit. Diese Themen würde ich gern durchgehen. Die Vollversammlung hat eine Ausbildungsoffensive beschlossen. Was ist schon passiert?
Rothenburger: Wir haben dafür extra eine Stelle geschaffen, die jetzt ausgeschrieben wurde. Davon versprechen wir uns, dass wir noch mehr auf Schulen zugehen können, um mehr Auszubildende für das Handwerk zu gewinnen.
Sie haben seit Jahren das Problem, dass der Nachwuchs fehlt. Muss man da nicht noch viel mehr trommeln?
Rothenburger: Das machen wir. Die jüngsten Ausbildungszahlen waren positiv. Ich denke, die schwierige wirtschaftliche Situation wird uns helfen. Für das Handwerk ist es positiv, wenn junge Leute nicht mehr nur in Richtung Industrie denken, sondern merken, Handwerk hat goldenen Boden. Wir haben die Trumpfkarte, dass das Handwerk seine Leute hält. Und man sieht direkt, was man gemacht hat. Das kommt bei den jungen Leuten immer mehr an.
Müssten Sie bei dem Thema nicht auch Frauen und Migranten viel stärker in den Fokus nehmen? Die sind im Handwerk unterrepräsentiert.
Rothenburger: Das Handwerk hat sich noch nie gegenüber Frauen oder Migranten verschlossen. Aber gerade Migranten haben es bei uns nicht so leicht. In der Industrie lerne ich jemanden am Fließband zwei Tage ein, dann weiß er, was er zu tun hat. Wenn Sie dagegen beispielsweise das Elektrohandwerk als Gefahrengewerk nehmen, da ist das etwas komplizierter. Dennoch machen wir sehr positive Erfahrungen mit Mitarbeitern mit Migrationshintergrund, etwa bei Bäckern oder Fleischern.
Woran hakt es in der Breite?
Rothenburger: An der Sprache. Es steht und fällt alles mit der Sprache, das müssen wir in Angriff nehmen. Ohne Sprachkenntnisse wird keine Integration gelingen.
Wie weit ist das Handwerk im Bereich Digitalisierung?
Rothenburger: Wir sind da schon sehr weit. Ich denke an Zimmerleute, die Drohnen über die Dächer fliegen lassen, um diese zu vermessen. Die Bauplanung erfolgt zunehmend digital. Auch die Technik, die wir verarbeiten, wird immer digitaler.
Gilt diese Aufgeschlossenheit auch gegenüber der KI? Die Handwerkskammer will ja Mitglied im Ipai werden.
Rothenburger: Ja, aber mit Augenmaß. Man muss das Positive sehen, aber auch die Grenzen kennen. Ich denke, KI wird bei uns in vielen Planungsvorgängen Einzug halten. Auf der anderen Seite kann auch die KI einen Dachziegel nicht aufs Dach befördern, den muss jemand hochbringen. Das Wasserrohr muss verlegt werden, die elektrische Leitung auch. Da wird es auch künftig auf Handarbeit ankommen.
Kommen wir zur Bürokratie. Die Ampel hat Entlastungsgesetze auf den Weg gebracht. Im Land gibt es die Entlastungsallianz. Kommt das im Handwerk an?
Rothenburger: Also ich habe das Gefühl, dass mit jedem Gesetz, das eine Entlastung bringt, fünf neue Belastungen dazu kommen. Ich fände es wichtig, dass wir uns wieder darauf zurückbesinnen, was Deutschland einmal stark gemacht hat: Ein Unternehmertum, das auch Eigenverantwortung hat. Man muss uns nicht alles haarklein vorschreiben. Man muss den Leuten mehr zutrauen, mehr auf Eigenverantwortung setzen. Ich habe das Gefühl, je mehr vorgeschrieben wird, desto mehr gewöhnen wir uns das Denken ab.
Zum Thema Nachhaltigkeit. Sie betonen, dass die Energiewende ohne das Handwerk nicht umzusetzen ist. Nun ist Klimaschutz in der politischen Agenda etwas nach unten gerutscht. Spürt das Handwerk, dass hier weniger nachgefragt wird?
Rothenburger: Die Nachfrage wird wieder kommen. Es gab riesige Verunsicherung wegen des Heizungsgesetzes. Die meisten Menschen wollen umweltfreundlich heizen. Aber sie wollen Planungssicherheit, genauso wie das Handwerk.
Welche Regierung wünschen Sie sich nach dem 23. Februar?
Rothenburger: Wir bräuchten eine entscheidungsfähige Regierung, die wirklich regieren kann und nicht nur Kompromisse schließen muss.
Das ist eher unwahrscheinlich…
Rothenburger: Ja. Dann sollte es maximal eine Zweierkoalition geben. Was nicht gut wäre: Wenn wir wieder so eine Wischiwaschi-Politik kriegen. Die Verantwortlichen müssen regieren können. Die Bevölkerung erwartet, dass etwas gemacht wird, dass nicht alles zerredet wird. Wir brauchen wieder Macher. In der Politik und in der Wirtschaft.