Fred Schulze wurde am 24. Februar 1967 in Gardelegen (Sachsen-Anhalt) geboren. Der 58-Jährige arbeitet seit knapp 30 Jahren im VW-Konzern. Von 2012 bis 2015 war Schulze erstmals in der Funktion als Werkleiter in Neckarsulm tätig. 2018 ging er nach China, wo er Executive Vice President für Produktion und Produktmanagement bei SAIC Volkswagen in Schanghai war. Seit 1. Mai 2021 ist Fred Schulze erneut Werkleiter am Audi-Standort Neckarsulm. Seit Herbst 2024 ist er zudem Mitglied des Aufsichtsrats der Audi AG und vertritt in dem Kontrollgremium die leitenden Angestellten.
Wo steht das Audi-Werk Neckarsulm in fünf Jahren? Werkleiter und Betriebsratschef nennen Ziele
Die beiden neuen Audi-Modelle A5 und A6 sind am Standort Neckarsulm gut gestartet. Im Exklusiv-Interview sprechen Werkleiter Fred Schulze und Betriebsratschef Rainer Schirmer über Investitionen, Innovationen und die Zukunft.
Fred Schulze und Rainer Schirner sind schon lange bei Audi dabei. Der eine aktuell als Neckarsulmer Audi-Werkleiter, der andere aktuell als Betriebsratsvorsitzender am Standort Neckarsulm. Im gemeinsamen Interview sprechen sie über die derzeitige Auslastung und künftige Herausforderungen.
Im vergangenen Jahr ist der neue A5 angelaufen, nun ist 2025 das Jahr des A6. Welche Bedeutung haben die beiden Baureihen für Neckarsulm?
Fred Schulze: Der neue Audi A6 ist ein wichtiges Modell für den Standort Neckarsulm. Beide neuen Autos, der Audi A5 und der Audi A6, sorgen für steigendes Produktionsvolumen. Wir produzieren seit einigen Monaten wieder in drei vollen Schichten. Das ist ein starkes Signal für den Standort und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die größte Anlaufdichte in der Geschichte des Standorts hat der Mannschaft einiges abverlangt. Ich bin sehr stolz auf das Team, das mit viel Engagement und Know-how bisher alle Derivate der beiden neuen Modelle pünktlich und in bester Qualität liefert.
Rainer Schirmer: Ich bin richtig froh, dass wir hohe Stückzahlen fahren können und somit die Beschäftigung sichern. Damit bringen wir auch wieder Ruhe in die Mannschaft. Der Audi A6 gehört nach Neckarsulm – das war so, das ist und das bleibt so. Da der Audi A5 auch auf der Plattform PPC steht, schaffen wir viele Synergien und eine gute Auslastung für unser Werk. Mich freut auch das positive Medien-Echo für den A5 und den A6. Das stimmt mich zuversichtlich, dass die Fahrzeuge gut in den Märkten auf der ganzen Welt ankommen. Nach langer Zeit können wir 2025 wieder mehr als 200.000 Fahrzeuge hier am Standort bauen.
Schulze: Wichtig ist mir auch, dass wir sowohl A5 als auch A6 als Plug-in-Hybrid fertigen. Damit haben wir eine zukunftsfähige Technologie, die den Übergang zur Elektromobilität bildet.
Audi-Betriebsratschef: „Da sieht man den Neckarsulmer Geist: Hier wird angepackt“
Wie schwierig ist es, in der laufenden Produktion eine neue Variante zu integrieren?
Schulze: Jedes Derivat – ganz gleich, ob es sich um eine neue Karosserievariante oder eine Technologie handelt – stellt eine Herausforderung dar. Die Plug-in-Hybride sind ein gutes Beispiel. Da bauen wir in ein Verbrennerfahrzeug zusätzlich eine Batterie ein. Die Hochvolt-Technik setzt entsprechende Qualifikationen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus. Deswegen haben wir mit den Schulungen der Beschäftigten für die neuen Modelle bereits vor einigen Jahren begonnen.
Schirmer: Was eine Herausforderung für die Mannschaft ist: Wir haben die ganze Zeit parallel noch die Vorgängermodelle des A6 und des A7 gefertigt. Dazu die neuen Derivate. Die Komplexität in der Montagehalle A13 hat sich verdoppelt. Das ist eine riesige Herausforderung gewesen für die Beschäftigten – insbesondere was die Logistik und die Qualifikation angeht. Unsere Mannschaft macht einen super Job. Das haben wir so noch nie gestemmt am Standort. Da sieht man den Neckarsulmer Geist: Hier wird angepackt.
Audi-Werkleiter: „Neue Montagehalle auf Mischfertigung ausgelegt“
Wie lange laufen die bisherigen und neuen Generationen noch parallel?
Schulze: Bis Ende Juli. Dann wird sich das Thema Logistik auch wieder etwas entspannen. Wir investieren aktuell in die Anbindung einer neuen Logistikhalle, das Gebäude A14, in dem früher mal der A2 gefertigt wurde. Über eine Brücke, die wir gerade bauen, werden dann benötigte Teile vollautomatisch mit der Hilfe von fahrerlosen Transportsystemen in die Montagehalle gebracht.
Audi hat in den vergangenen Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag investiert. Was waren dabei aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schritte?
Schulze: Durch Modernisierungen in der Lackiererei und weiteren Gewerken sind wir auch für die Zukunft gut aufgestellt. Die Erneuerung der Lackiererei war – bildlich gesprochen – wie eine OP am offenen Herzen. Das ist alles im laufenden Betrieb geschehen. Hervorheben möchte ich unsere neue Montagehalle A11: Dort fertigen wir aktuell den A8 und auch den A5. Die A11 ist bereits auf eine Mischfertigung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und E-Autos ausgelegt.
Schirmer: Die Lackiererei ist ein wichtiger Meilenstein innerhalb der Werkentwicklung und Teil einer zukunftsfähigen Infrastruktur für die Produktion. Mit der runderneuerten Lackiererei verfügen wir in Neckarsulm über eine der fortschrittlichsten Anlagen in der Automobilindustrie. Diese Investition unterstreicht unserEngagement für Nachhaltigkeit und sichert die Zukunftsfähigkeit unseres Standorts.

Nachhaltigkeit hat auch etwas mit der Wiederverwertung von Technik zu tun. Gibt es da Beispiele bei den Neuanläufen?
Schulze: Statt Werkzeuge der bisherigen Modelle – etwa an den Robotern im Karosseriebau – abzubauen, weiterzuverkaufen oder zu entsorgen, haben wir viele davon modifiziert und modernisiert, und nutzensie jetzt ein zweites Mal.
Audi in Neckarsulm: „Ein Meilenstein ist der Aufbau des Batterie-Technikums“
Was ist aus Ihrer Sicht die größte Innovation innerhalb der Produktion?
Schulze: Neckarsulm ist das erste Werk im gesamten VW-Konzernverbund, in dem Klappen und Kotflügel voll automatisiert montiert werden: Eine Anlage installiert die Heckklappe, eine weitere die Motorhaube und allein sieben Roboter sind gleichzeitig damit beschäftigt, die Kotflügel zu montieren. Da hatte ich anfangs großen Respekt davor, diese Technik einzuführen, aber wir haben das hervor ragend umgesetzt.
Schirmer: Das alles zeigt, wie gut wir für die Zukunft aufgestellt sind. Die Montagehalle A11 und Lackiererei sind die Voraussetzung dafür, dass wir auch neue Modelle, vor allem Elektroautos, hier an den Standort bekommen. Die Investitionen sind strategische Entscheidungen, die vor vielen Jahren getroffen wurden. Nun können wir die Früchte ernten.
Rainer Schirmer wurde am 30. September 1966 in Neuenstadt am Kocher geboren. 2002 wurde der 58-Jährige erstmals in den Betriebsrat der Audi AG gewählt, seit 2016 ist er Mitglied des Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, seit 2018 Mitglied des Aufsichtsrats der Audi AG. 2021 wurde Schirmer zum Vorsitzenden des Betriebsrats des Werks Neckarsulm und zum Stellvertretenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Audi AG gewählt. Zudem ist Schirmer ehrenamtlicher Vorstand der IG Metall und Mitglied des Aufsichtsratspräsidiums der Audi AG.
Neben der Fertigung sind in Neckarsulm auch Teile der Technischen Entwicklung beheimatet. Wie ist dieser Bereich aufgestellt für die Zukunft?
Schulze: Ein Meilenstein für die Stärkung der Technischen Entwicklung des Standorts ist der Aufbau des Batterie-Technikums. Dort forschen unsere Ingenieurinnen und Ingenieure an den Akkus für E-Autos von morgen. Damit ist eine sehr wichtige Technologie bei uns angesiedelt. Mit der Verantwortung für die Energiesysteme und die konventionellen Motoren sind wir zukunftssicher aufgestellt.
Schirmer: Wir blicken in Neckarsulm auf eine starke Geschichte und in eine starke Zukunft. Dort, wo einst NSU-Motoren entwickelt wurden, wird nun an der Zukunft der Mobilität geforscht. Wir in Neckarsulm – und vor allem die Technische Entwicklung – stehen vor großen Herausforderungen. Daher ist das Multifunktionsgebäude C20 wichtig: Es schafft eine wettbewerbsfähige Arbeitsumgebung und bietet den Beschäftigten modernste Voraussetzungen.
„Audi Neckarsulm soll als KI- und Digitalisierungs-Zentrum ausgebaut werden“
Im März haben Unternehmen und Betriebsrat eine neue Zukunftsvereinbarung geschlossen. Was bedeutet das konkret für den Standort Neckarsulm?
Schirmer: Wir konnten beide Standorte zukunftssicher aufstellen. Für Neckarsulm bedeutet dies unter anderem,dass wir einen Zukunftsfonds für die Standortentwicklung sichern konnten, mit dem wir neue Produktionsplattformen einrichten können – für zukünftige elektrische Modelle.
Schulze: Zudem soll Neckarsulm als KI- und Digitalisierungs-Zentrum für den gesamten Audi-Konzern ausgebaut werden. Diese Entscheidung unterstreicht die wichtige Rolle unseres Werks für die Digitalisierung bei Audi.
Auslastung und Beschäftigung bleiben auch in Zukunft das wichtigste Ziel
Wie steht das Werk in fünf Jahren da?
Schulze: Unser Standort ist zukunftssicher aufgestellt, wir produzieren Verbrenner- und Elektromodelle parallel. Und der Standort beheimatet eine Technische Entwicklung, die über eine hohe Kompetenz für die Entwicklung von Hochvoltsystemen, Karosserien und anderen Fähigkeiten verfügt. Werkleitung und Betriebsrat arbeiten weiterhin gemeinsam am Erfolg unseres Werkes.
Schirmer: So ist es. Die Herangehensweise von Unternehmen und Arbeitnehmervertretung mag oft eine andere sein, aber wir haben immer das gleiche Ziel: Auslastung und Beschäftigung.