Audi in der Krise? Autobauer vermeldet schwachen Absatz – Werk vor dem Aus
Bei Audi reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. Der Autobauer vermeldet schwache Absatzzahlen und muss die Ergebnisprognose fürs Gesamtjahr senken. Nun hängt auch die Zukunft eines Werks in der Schwebe.

Audi hat ein schwaches erstes Halbjahr hinter sich. Weltweit sank die Zahl der Auslieferungen um 8,2 Prozent auf 833.000 Fahrzeuge. Audi hat das Problem, seit geraumer Zeit keine neuen Modelle auf den Markt gebracht zu haben. In der Autobranche gilt eine im Schnitt junge Modellpalette als Schlüssel für gute Verkaufschancen. Seit März läuft nun aber die Modelloffensive, die sich bis ins neue Jahr hineinzieht.
Nach dem Q6 E-Tron folgt als weiteres Elektroauto der A6 E-Tron. Beide werden im Stammwerk Ingolstadt produziert. Aus Neckarsulm kommen die beiden Verbrenner A5 und A7, aus Mexiko die nächste Generation des Erfolgs-SUV Q5. 2025 folgen die Neuauflage des Kompakt-SUVs Q3 sowie zahlreiche RS-Modelle der Audi Sport GmbH aus Neckarsulm.
Audi, Bentley, VW: So lauten die bisherigen Zahlen für 2024
Die italienische Audi-Tochter Lamborghini konnte beim Absatz um 4,1 Prozent auf 5600 Einheiten zulegen, die Auslieferungen von Bentley hingegen gaben um um 22,8 Prozent auf 5500 Einheiten nach. Der VW-Konzern hat in den ersten sechs Monaten insgesamt 4,348 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, ein Minus von 0,6 Prozent. "Für das Gesamtjahr 2024 rechnen wir aufgrund des An- und Hochlaufs zahlreicher wichtiger Modelle im zweiten Halbjahr weiter mit einem leichten Anstieg der weltweiten Auslieferungen gegenüber dem Vorjahr", sagt Hildegard Wortmann, Mitglied der Erweiterten Konzernleitung für Vertrieb und Vetriebsvorständin von Audi.
Zu den einzelnen Märkten und den Finanzergebnissen gibt Audi erst Ende des Monats Auskunft. Bekannt ist allerdings, dass es für dien Autobauer auf dem neben den USA und Europa sehr wichtigen Markt USA im ersten Halbjahr schlecht lief. In den Staaten ging die Zahl der Auslieferungen um 14 Prozent zurück. Im vergangenen Jahr hatte Audi in den USA fast 229.000 Fahrzeuge ausgeliefert, das war ein Plus von gut 22 Prozent.
VW-Konzern senkt Gewinnprognose – Aus für Audi-Werk in Brüssel wahrscheinlich
Volkswagen hatte überraschend mitgeteilt, dass 2024 statt 7,0 bis 7,5 Prozent vom Umsatz nun nur noch 6,5 bis 7,0 Prozent vom Umsatz als operatives Ergebnis beim VW-Konzern hängenbleiben dürften. Den Konzern träfen Belastungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro, darunter ohnehin bereits eingeplante Rückstellungen für den Personalabbau bei der Kernmarke VW Pkw in Höhe von 0,9 Milliarden Euro. Die restlichen 1,7 Milliarden Euro fallen unter anderem für einen Umbau oder die Schließung des Betriebs im Audi-Werk Brüssel an.
Wie bereits berichtet, steht das Werk in Brüssel möglicherweise vor dem Aus. Der Autobauer trägt sich mit dem Gedanken, dass Produktionsende für den Elektro-SUV Q8 E-Tron angesichts der schlechten Nachfrage vorzuziehen. Der Nachfolger soll ab 2026 in Audis mexikanischem Werk gebaut werden. Nach Informationen der Heilbronner Stimme beschäftigt man sich im VW-Konzern bereits seit vergangenem Jahr mit der Zukunft des Standorts Brüssel. "Es ist seitdem nicht gelungen, ein Modell zu finden, dass für genügend Auslastung sorgen könnte", berichtet ein Insider. "Gerade ist der Kampf groß beim Thema Werkbelegungen. Die insgesamt schwache Nachfrage sorgt weltweit für Überkapazitäten." Im VW-Konzern gibt es weltweit mehr als 100 Standorte. In Brüssel wären rund 3000 Beschäftigte betroffen. Zum Hintergrund: Die Beschäftigungssicherung bei Audi, die bis Ende 2029 läuft, gilt nur für die deutschen Standorte des Unternehmens.
Betriebsratschef Schirmer äußert sich
„Die Zukunft des Standorts in Brüssel beschäftigt uns auch in Neckarsulm. Unseren Kolleginnen und Kollegen in Brüssel gilt unsere uneingeschränkte Solidarität. Gemeinsam mit ihnen hoffen wir auf eine zukunftsfähige Lösung für den Standort im Informations- und Konsultationsprozess mit der belgischen Regierung, die die wirtschaftliche und sozialpolitische Aspekte berücksichtigt", sagt Rainer Schirmer, Betriebsratschef des Audi-Standorts Neckarsulm. "Als Neckarsulmer kennen wir die Angst leider zu gut: 1974/1975 war unser Werk von der Schließung bedroht, die wir glücklicherweise mit vielen Verhandlungen und dem „Marsch auf Heilbronn“ abwenden konnten. Die Erinnerung an diese schwierige Zeiten sind auch heute noch präsent. Für mich als IG Metaller ist dieses Erlebnis bis heute eine Mahnung, dass Mitbestimmung von unverzichtbarem Wert ist.“
Audi-Standort Neckarsulm stand einmal bereits vor dem Aus
Was einige noch gut im Gedächtnis haben ist, dass der Standort Neckarsulm vor fast 50 Jahren ebenfalls schon beinahe vor dem Aus stand. Der Marsch auf Heilbronn vom 18. April 1975 gehört zu den Ereignissen, die sich tief ins kollektive Gedächtnis der Region eingebrannt haben. Zurecht, denn vor 40 Jahren wäre Audi NSU beinahe geschlossen worden. Das Aus für die Fabrik war bereits beschlossene Sache - eigentlich ging es nur noch um den Zeitpunkt. Kurzarbeit und immer neue Gerüchte hatten in den Monaten zuvor für eine tiefe Verunsicherung in der Belegschaft gesorgt.
"Wir wollen Arbeit" riefen die Teilnehmer des Marsches. Die Existenzangst der Mitarbeiter war greifbar und real. Dass in Neckarsulm heute eine der profitabelsten Fabriken des Konzerns steht, ist dem Widerstand der Belegschaft und der ganzen Region zu verdanken, der in die spontane Demonstration vom 18. April mündete. VW stand damals mit dem Rücken zur Wand, Überkapazitäten drückten. Die Ölkrise von 1973 hatte die Wirtschaftswunderjahre jäh beendet. Und Neckarsulm stand als "vereinigte Hüttenwerke" im Verruf. Zum Werk gehörten auch Fabriken in Heilbronn und in Neuenstein.
Marsch auf Heilbronn endet mit Porsche-Produktion in Neckarsulm
Eine wochenlange Hängepartie beginnt, verschiedene Szenarien werden durchgespielt. In Wolfsburg wollen einige aus dem Vorstand das Werk schließen. Entscheidend ist der erst am Tag des Marschs auf Heilbronn verkündete rettende Entschluss, den Nachfolger des VW-Porsche 914 in Neckarsulm fertigen zu lassen. Die insgesamt 313.220 Porsche 924 und 944, die bis 1991 von Neckarsulmer Bändern laufen, werden zur Brücke in die Zukunft.



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