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Regionaler Abgeordneter Harald Ebner kritisiert EU-Taxonomie scharf

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In der EU sollen Atom- und Gasenergie künftig als nachhaltige Investitionen gelten. Den Hohenloher Grünen-Abgeordneten Harald Ebner bringt das in Rage. Er sieht alle Kompromisse von der Kommission aufgekündigt und hofft nun auf das Europaparlament.

Atomenergie und Erdgas gelten bald als nachhaltige Investitionen. Wie finden Sie das?

Harald Ebner: Ich finde, das ist an Absurdität nicht zu überbieten. Heute ist ein schwarzer Tag für die EU, besonders in Sachen Entscheidungsprozesse und Transparenz. Die EU-Kommission hat für eine so schwerwiegende Entscheidung die Form des delegierten Rechtsakts genutzt, um eine gemeinsame, gute Lösung aufzukündigen. Damit schlägt sie alle Einwendungen aus der Finanzwelt und der Wissenschaft in den Wind und kapituliert vollständig vor der Atom- und Gaslobby. Damit hat sie der Nachhaltigkeit einen Bärendienst erwiesen.

 

Die Bundesrepublik kritisiert besonders Investitionen in die Atomkraft.

Ebner: Hier wird eine Hochrisikotechnologie als nachhaltig eingestuft, deren radioaktiv strahlende Müllproduktion künftige Generationen noch viele Jahrtausende lang beschäftigen wird. Das ist wissenschaftlich kompletter Unsinn.

 


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Die Aufnahme von Gas hat der Bund begrüßt, es sei eine Brückentechnologie. Müsste man dann nicht bereits den Ausstieg planen?

Ebner: Ich bin darüber nicht glücklich. Es ist auch kein Geheimnis, dass wir die Aufnahme von Gas als grüner Teil der Koalition sehr kritisch sehen. Anfangs war zumindest ein halbwegs vernünftiger Ansatz drin, mit dem Gas als Brückentechnologie dazu führt, dass viele Groß-CO2-Emittenten wie Kohle- und Ölkraftwerke schneller abgeschaltet werden. Ab 2026, also in vier Jahren, hätte aber Gas aus nachhaltigen Quellen verwendet werden müssen. Dem hätte ich folgen können.

 

Aber?

Ebner: Auch das hat die Kommission aufgebohrt. Jetzt müssen Gaskraftwerke erst ab 2035 nachhaltig betrieben werden. Das ist deutlich zu spät.

 


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Deutschland hat sich für Gas eingesetzt, Frankreich für Atomkraft. Es bleibt der Eindruck, es geht nicht um Klimaschutz, sondern um wirtschaftliche Interessen.

Ebner: Um was es der EU geht, weiß ich nicht. Sie unterminiert ihre eigenen Ziele aus dem Green Deal. Offenbar gab es noch weitere Einflussfaktoren als die Stellungnahmen der Mitgliedsstaaten oder der der Finanzwelt. Deshalb habe ich echt viele Fragezeichen an Ursula von der Leyen, was da ihre Triebfeder war. Ja, Frankreich hat für die Atomkraft gestritten. Aber transparent war die Geschichte für mich definitiv nicht.

 

Harald Ebner von den Grünen möchte auch weiterhin im Parlament bleiben.
Harald Ebner von den Grünen möchte auch weiterhin im Parlament bleiben.  Foto: Seidel, Ralf

Im Koalitionsvertrag steht, sie setzen sich für die Abschaltung grenznaher Risikoreaktoren wie Cattenom und Tihange ein. Beunruhigt es Sie, dass die Taxonomie kein Signal für den Atomausstieg in anderen Ländern sendet?

Ebner: Das muss uns alle beunruhigen. Die Taxonomie verbietet zwar keine Technologie, hat aber eine hohe Signalwirkung darauf, in welche Technik die Finanzmärkte investieren. Das Problem ist: Wir können das Problem des Klimawandels doch nicht lösen, indem wir uns mit Atommüll ein anderes einhandeln. Diese Kurzsichtigkeit sollte die Menschheit schon lange überwunden haben. Sicher ist bei der Atomkraft nur das Risiko, und damit ist sie das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

 

Die Grünen stellen die Umweltministerin und den Energieminister. Die Bewegung Fridays for Future kritisiert, dass sich die Ampel-Koalition nicht auf EU-Ebene stärker gegen Atom und Gas in der Taxonomie eingesetzt hat. Zu Recht?

Ebner: Wir stellen weder die EU-Kommissare noch die Kommissionspräsidentin. Unsere Umweltministerin und der Energieminister haben sich klar gegen die Veränderung der bereits vereinbarten Taxonomie ausgesprochen. Zudem hat Steffi Lemke deutlichst kritisiert, den delegierten Rechtsakt als Verfahren zu wählen. Dazu wurde die EU-Kommission fehlerhafterweise von der letzten Bundesregierung ermächtigt, die von der Union geführt wurde. Es braucht nun 20 Mitgliedsstaaten oder eine Mehrheit im Europaparlament, um das noch aufzuhalten. Wir haben wahrlich viel dafür getan. Die Stellungnahme Deutschlands, zumindest was die Atomkraft angeht, war mehr als deutlich und klar. Das muss man an der Stelle betonen. Die grünen Europaabgeordneten werden nun alles in ihrer Macht stehende tun, das im Europaparlament aufzuhalten.

 


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Zur Person

Harald Ebner (57) ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe. In dieser Wahlperiode ist er Vorsitzender des Umweltausschusses.

Begriffserklärung: Delegierter Rechtsakt

Die EU-Kommission kann bestimmte Dinge über einen sogenannten delegierten Rechtsakt regeln. Im Falle der Taxonomie ist das passiert: Die Taxonomie für nachhaltige Investitionen ist bereits in Kraft, die Kommission sollte jedoch nachträglich regeln, welche Energieträger als nachhaltig gelten. Zuvor müssen Experten angehört werden, außerdem können Rat oder Parlament innerhalb von vier Monaten Einwände erheben. Außerdem darf der delegierte Rechtsakt nur "nicht wesentliche" Vorschriften ändern.

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