Wie Stuttgart Lieferfahrzeuge durch Lastenräder ersetzen will
Städte wollen gegen den zunehmenden Lieferverkehr vorgehen und Vans durch Lastenräder ersetzen. Welche Lösungen es noch gibt und was Mercedes davon hält, war Thema bei einer Diskussionsrunde in Stuttgart.

Sie parken in zweiter Reihe, blockieren Radwege und halten den Verkehr auf: Vans und Lkw. Städte stellen sich daher zunehmend die Frage, wie sie den Lieferverkehr eindämmen oder aus der Innenstadt verbannen können. Welche Ideen es dafür gibt, war Thema beim Städtebau-Kongress Urban Future in Stuttgart vergangene Woche.
"Jeder möchte nette Restaurants und Shops, aber niemand möchte die Fahrzeuge haben, die die Waren dafür bringen", fasst es Christiane Behrisch zusammen. Sie arbeitet beim Mobilitätsreferat der Stadt München. Lkw seien weniger ein Problem, denn sie hätten nur ein Ziel und seien dann wieder weg. Lieferfahrzeuge von DHL, Amazon und Co. gebe es dagegen weit häufiger, weshalb ihre Zahl sinken soll.
In Stuttgart wollen sich viele Betriebe nach einem Test ein Lastenrad zulegen
Die Münchner wollen das Problem von mehreren Seiten angehen. So unterstützt die Stadt etwa mehr elektrische Fahrzeuge, indem sie das Ladenetz ausbaut. Für Lastenräder entsteht gerade ein Depot. In Zukunft sind sogenannte integrierte Abholpunkte geplant: Dort sollen alle Paketdienste zustellen und Online-Käufer all ihre Waren in einer Tour abholen können. Fahrverbote für schwere Fahrzeuge seien jedoch nicht geplant, sagt Behrisch. Null-Emissions-Zonen wie in den Niederlanden gebe es hierzulande nicht.
Für Transporte in der Stadt können Lastenfahrräder eine Alternative sein, sagt Kirsten Havers von der Verkehrswende-Agentur Cargobike.jetzt. Lastenräder, besonders mit Elektroantrieb, könnten die letzte Meile beim Pakete Zustellen überbrücken. Inzwischen gebe es aber weit mehr Einsatzgebiete. So hat die Agentur in Düsseldorf, Frankfurt, Karlsruhe und Stuttgart gemeinsam mit den Städten die Aktion "Flottes Gewerbe" gestartet. Dabei bekommen Betriebe eine Zeit lang kostenlos ein Lastenrad und können es ausgiebig testen.
Mercedes Benz setzt auf Vans mit Elektroantrieb und Feinstaubfilter
In Stuttgart waren unter den teilnehmenden Firmen eine Gärtnerei, ein Winzer und ein Startup, das Mini-Supermärkte beliefert. Das Fazit der Tester: Alle Betriebe wollen sich dauerhaft ein Lastenrad zulegen. "Lastenräder können in sehr kurzer Zeit in die Betriebsabläufe integriert werden", findet Havers. Viele Betriebe könnten so Zeit sparen, indem die lästige Parkplatzsuche wegfällt. Wichtig sei, dass die Infrastruktur ausgebaut wird. "Wir brauchen breitere Radwege, damit das Lastenfahrrad ein normales Transportmittel werden kann."
Vom Ende des Transportverkehrs in Städten ist Marcel Minter, Manager der Van-Sparte von Mercedes Benz, berufsbedingt nicht überzeugt. "Unsere Fahrzeuge halten die Stadt am Laufen, deshalb müssen wir dort auch in Zukunft reinfahren können", sagt Minter. Bereits 2010 habe der Konzern den elektrischen Kastenwagen eVito auf den Markt gebracht. "Der war aber überhaupt kein Erfolg." Inzwischen habe sich der Markt geändert. Ab 2026 will Mercedes keine Verbrenner-Vans mehr entwickeln und eine neue Elektro-Plattform für Fahrzeuge nutzen. Dann preist Minter noch das Vorzeige-Fahrzeug Sustaineer an, ein E-Sprinter mit Feinstaubfilter und Solarpanel. Aber bezahlen Logistikunternehmen mehr Geld für einen nachhaltigen Fuhrpark? Die Industrie sei sehr kostenbewusst, sagt Minter, habe aber auch strenge Nachhaltigkeitsziele, weshalb der Preis oft zweitrangig sei.
Spezialfahrzeuge werden noch lange mit Dieselmotor fahren
Franziska Cusumano von der Spezialfahrzeuge-Sparte bei Mercedes Benz betont, dass die E-Mobilität jetzt erst in der Fläche ankomme. Die elektrische Version des Mercedes-Müllabfuhrwagens sei einerseits ein "Gamechanger" und andererseits ein "no brainer", also problemlos in der Entwicklung, gewesen. "Es gibt immer Zeiten, zu denen er im Depot stehen und laden kann." Besonders Länder wie Dänemark ersetzen ihre Flotten gerade sehr schnell, erzählt Cusumano. Dennoch sei bisher nur eine etwa vierstellige Zahl elektrischer Spezialfahrzeuge in Europa im Einsatz.
Kniffeliger sei der Wechsel bei Fahrzeugen der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks oder der Bundeswehr. "Dort ist es nicht so einfach, Dieselmotoren zu ersetzen. Und es wird noch dauern", sagt Cusumano.