Hundert Mal Sommer - Die Freilichtspiele feiern ihr Säkulum
Robert Braun, der Direktor des Haller Kurtheaters hatte vor 100 Jahren die Idee, den Salzburger Festspielen gleich, ein bedeutsames Spiel, gedacht für einen geistlichen Ort im offenen Raum, wie er geeigneter auf der Treppe vor St. Michael kaum irgendwo zu finden ist, hier in Schwäbisch Hall jährlich aufzuführen: Hugo von Hofmannsthals Spiel vom Sterben des reichen Mannes – „Jedermann“.

Hier sollten jährlich die Menschen an ihre Vergänglichkeit gemahnt und im Hinblick auf ihre zu Lebzeiten vollbrachten Werke eine gewünschte Besserung eindringlich empfinden können. Denn nur über die unmittelbare Wirkung des eben auf dem Theater erlebten, kann sich eine seelische Gesundung erfüllen.
Die Geburtsstunde: "Jedermann" auf der Großen Treppe
Robert Braun, an seiner Seite die Schauspielerin Else Rassow, die nach seinem überraschenden Tod nur ein Jahr später die Festspiele erfolgreich weiterführen wird, inszeniert mit dem bekannten Schauspieler Leopold Biberti in der Titelrolle diesen ersten „Jedermann“. Drei Aufführungen mit professionellen Schauspielern und bis zu 250 Laienspielern sind im August zu sehen, bei der letzten sollen 3500 Zuschauer, die meisten auf Stehplätzen, der Aufführung gelauscht haben, es wird gebeten, bei diesem geistlichen Spiel, auf den Schlussapplaus zu verzichten. Else Rassow bleibt bis 1939 Intendantin, erweitert das Programm um weitere (naturgemäß kleinere) Spielstätten in der Stadt, wenngleich der „Jedermann“ des “jüdischen“ Autors Hofmannsthal ab ’33 durch den von Jasper von Gennep ersetzt wird. Else Rassow selbst war bereits ’31 der NSDAP beigetreten.


Neubeginn nach dem Krieg: Die Ära Speidel
Von ’40 bis ’48 finden aufgrund des Zweiten Weltkrieges und seiner Nachwirkungen keine Festspiele statt, ab ’49 inszeniert Wilhelm Speidel als neuer Intendant (bis ’68), und beginnt gleich mit einem Stück des ehemals verbotenen Hofmannsthal: „Das Salzburger Große Welttheater“, dem im Folgejahr ein neuer „Jedermann“ folgt. Behutsam erweitert er den Spielplan um ernste Dramen der Klassiker Goethe, Schiller (sehr oft) und Shakespeare, moderne Klassiker wie Hebbel und Hauptmann und Stücken von heute nahezu unbekannten Autoren wie eine Agnes Bernauer von Reinacher oder eine Jeanne d’Arc von Maulnier.
Platos Pionierzeit – Komödien, Musicals und das Haller Globe Theater
Ab 1968 wird für 25 Jahre Achim Plato die Leitung übernehmen, wird bedeutenden Regisseure für die Große Treppe gewinnen, Kurt Hübner, Roberto Ciulli, Frido Solter und mit Helmut Schorlemmer einen wichtigen, klugen Mitarbeiter an seine Seite stellen. Er erweitert das Repertoire beträchtlich und findet damit auch überregional große Aufmerksamkeit. Jetzt finden neben Tragödien und geistlichen Spielen auch Komödien (nicht ausschließlich zum Wohlfallen aller Haller) auf der Großen Treppe statt und nach zahlreichen Widerständen sogar das erste Musical „Jesus Christ Superstar“. Das Rahmenprogramm wird erweitert, zusätzliche Spielstätten genutzt, so der Theaterkeller, die Theaterscheune in Wackershofen und die „kleine“ Treppe für die Kinder- und Familienvorstellungen, und, überaus bedeutsam, erfindet zum 75-jährigen Jubiläum das Haller Globe Theater auf dem Unterwöhrd.

Von Biermeier zu Doll: Moderne Visionen, neue Räume, Neues Globe
2003 wird Christoph Biermeier fünfter Intendant, setzt die Schiller- und Jedermannlinie seiner Vorgänger fort, erzielt beachtliche Erfolge z.B. mit der „Dreigroschenoper“ und mit „Comedian Harmonists“, lässt Georg Kistner die Theaterpädagogik, das Jugendensemble und das Jugendtheaterfestival begründen; „seinen“ Jedermann inszeniert er zum 850-jährigen Stadtjubiläum.

2017 übernimmt Christian Doll die Intendanz, setzt weiterhin Klassiker und bedeutende Musicals auf den Spielplan, entwickelt eigene Stoffe für die Treppe (so über den für Hall so bedeutsame Reformator Johannes Brenz), inszeniert Schiller und auch 2019 einen „Jedermann“, der mit seinem zerborstenen Flugzeug als Bühnenbild lange die Stadt dominierte, führte geschickt mit seinem Team durch die Pandemie (selbst 2020 wurde auf der Großen Treppe und auf der Parkbühne am Neuen Globe gespielt), ermöglicht Tanztheater, den Festspielchor und das Bürgerensemble und begleitete den wichtigen Neubau für die Freilichtspiele und Schwäbisch Hall: das Neue Globe.
Ein Sommer für alle – seien Sie Teil des Säkulums
Die Freilichtspiele feiern dieses Säkulum mit ihrem Publikum, den Adressaten ihrer Erfindungslust und hoffen auf gute weitere hundert Sommer.
Alle Informationen zur Jubiläumsspielzeit 2025 der Freilichtspiele und zu den weiteren attraktiven Angeboten der Stadt Schwäbisch Hall finden Sie unter: www.freilichtspiele-hall.de und auf www.schwaebischhall2025.de