Stimme+
Handball
Lesezeichen setzen Merken

Bietigheim bleibt Bietigheim, Neckarsulm bleibt Neckarsulm

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Branchenprimus SG BBM Bietigheim lässt einer bemühten Sport-Union im Baden-Württemberg-Duell erwartungsgemäß keine Chance, doch das Ergebnis fällt zu hoch aus. Die Neckarsulmer Handballfamilie freut sich unterdessen mit einer Debütantin, bangt jedoch um ihre Spielmacherin.

Fatos Kücükyildiz’ Arbeitstag war nach 40 Minuten schmerzhaft zu Ende. Die Schwedin konnte ihren Teamkolleginnen nach dem Spiel aber mit einem bandagierten linken Knie wenigstens eigenen Fußes in die Kabine folgen.
Fatos Kücükyildiz’ Arbeitstag war nach 40 Minuten schmerzhaft zu Ende. Die Schwedin konnte ihren Teamkolleginnen nach dem Spiel aber mit einem bandagierten linken Knie wenigstens eigenen Fußes in die Kabine folgen.  Foto: Berger, Mario

Freud und Leid liegen bekanntlich nah beieinander. In Neckarsulm betrug der Abstand zwischen beiden Extremen am Samstagabend fast genau dreieinhalb Minuten. Der 16. Spieltag der Handball-Bundesliga hatte den Rahmen für beide Gefühlswelten gebildet, die ausnahmsweise nichts mit dem Endergebnis eines Spiels zu tun hatten, dass phasenweise ausgeglichener war, als es das 23:38 (11:19) vermuten ließe, und dessen Ergebnis eigentlich auch kaum jemanden interessierte.

Denn der nationale Alles-Gewinner SG BBM Bietigheim war gekommen, hatte seine Arbeit verrichtet, und sich danach erwartungsgemäß mit zwei Punkten wieder auf den Rückweg an die Enz gemacht. Konzentriert, sachlich, unspektakulär. "Bis zum 9:11 und gegen Ende des Spiels habe ich auf jeden Fall eine Steigerung zum Hinspiel gesehen und war sehr zufrieden", sagte Neckarsulms Interimstrainer Mart Aalderink. "Danach haben wir uns durch viele Fehlpässe schwer getan. Aber das wissen die Mädels selbst. Einige haben vorhin schon zu mir gesagt, 'Ich hab' so schlecht gespielt heute...'"

Bietigheim durchschaut Neckarsulmer Abwehr-Spielchen

Die Sport-Union war allerdings mutig gestartet, hatte sich auch von einem frühen 0:2 nicht verunsichern lassen und war durch eine Drei-Tore-Serie durch Daphne Gautschi und Nina Engel gar in Führung gegangen. Gautschi, Sharon Nooitmeer und Annefleur Bruggeman schoben in der Abwehr früh heraus und versuchten das Bietigheimer Angriffsspiel auf die Außen zu zwingen - in dem Wissen, dass Torhüterin Sarah Wachter bei Würfen von dort ihre Qualitäten bestens zur Geltung bringen kann.

Das gelang jedoch nur kurz, weil die SG die Idee durchschaute und andere Lösungswege suchte - und fand. Ein Bietigheimer Vier-Tore-Lauf drehte das Spiel wieder. Aalderink nahm eine Auszeit und mahnte gestenreich zu Ruhe im Spielaufbau. Der Anschlusstreffer zum 9:11, bei dem der Ball nach zwei Sekunden von Wachter über Gautschi, Lin Johannsen und Torschützin Nooitmeer im Netz zappelte, war großer Handball. So groß, dass Gäste-Trainer Markus Gaugisch seinerseits eine Auszeit nahm, seine Mannschaft neu justierte und diese von da an durch einen 7:0-Lauf davonzog.


Mehr zum Thema

Dortmunds Alina Grijseels (rechts) hatte schon angenehmere Abende erlebt. Daphne Gautschi und die Sport-Union setzten dem BVB gehörig zu.
Foto: Archiv/SU Neckarsulm
Stimme+
Handball
Lesezeichen setzen

Starke Sport-Union verpasst Überraschung in Dortmund


Sport-Union ist zur Pause keine acht Tore schlechter

"Wir spielen gegen die beste Mannschaft Deutschlands, die deutlich mehr Erfahrung hat, und sind dann in einigen Situationen zu unclever", sagte Rückraum-Schützin Nina Engel. "Wir verlieren zu leicht den Ball und bekommen nacheinander zwei, drei schnelle Dinger. Und dann muss man erst mal wieder rankommen und die nötige Stabilität bekommen. Aber die fehlt uns noch etwas", gab die 19-Jährige ehrlich zu. Der Sommerneuzugang gehörte am Ende mit sieben Toren und einer Vorlage zu den besten Neckarsulmerinnen.

Was Bietigheim spielte war solide, phasenweise gut, aber nicht am absoluten Maximum. Und nicht so gut, als dass die Sport-Union beim 11:19 mit einem Acht-Tore-Rückstand in die zweite Hälfte hätte gehen müssen. Mindestens ein halbes Dutzend Tore hatte Neckarsulm zu einfach hergeschenkt. So war Aalderinks Team verdientermaßen acht Tore schlechter, hätte es aber nicht sein müssen, wenn es einzig nach den Bietigheimerinnen gegangen wäre. Was der amtierende Meister zeigte, war kein Halbgas-Handball, aber Vollgas eben auch nicht.

Arbeitsaufträge für die Länderspielpause

Mart Aalderink nutzte das Spiel früh, um zu experimentieren. Unter anderem mit einer siebten Feldspielerin. "In der ersten Hälfte hat es einige Male echt gut funktioniert, da war immer eine Spielerin frei. In der zweiten Hälfte war es dann nicht mehr so gut", sagte der ab Montag 37-jährige Trainer. "Aber Bietigheim ist, wie gesagt, ein Bonus-Spiel für uns, und da können wir solche Situationen üben, damit wir das danach analysieren und dann vielleicht gegen andere Teams einsetzen können", gab der Niederländer Einblicke in seine Gedankenspiele.

Sieben Tore, eine Vorlage und gesunde Selbstkritik: Nina Engel hinterließ gegen Bietigheim einen guten Eindruck.
Sieben Tore, eine Vorlage und gesunde Selbstkritik: Nina Engel hinterließ gegen Bietigheim einen guten Eindruck.  Foto: Berger, Mario

"Das Spiel war gut, um zu lernen", sagte auch Nina Engel. Wir müssen das jetzt ordentlich analysieren und schauen, woran wir arbeiten müssen und dann die nächsten Wochen und die Länderspielpause dazu nutzen." Relativ weit oben auf der Mängelliste - die seit Dezember deutlich kürzer geworden, allerdings noch nicht gänzlich abgearbeitet ist - dürfte die Minimierung technischer Fehler stehen. Daphne Gautschi und Carmen Moser hatten in dieser Hinsicht schon glücklichere Tage als gegen Bietigheim erlebt. Auch Valentyna Salamakha, die in Hälfte zwei für Sarah Wachter spielte, konnte zwischen den Pfosten gegen ihre ehemaligen Teamkolleginnen keinerlei Akzente setzen.


Mehr zum Thema

Nach einem unglücklichen Zusammenprall blieb Neckarsulms Munia Smits (verdeckt) unter Schmerzensschreien liegen und konnte nicht weiterspielen
Stimme+
Handball
Lesezeichen setzen

Schmerzhafter Abend für Frauen der Sport-Union


Bangen um Kücükyildiz

Dann wurde es nach 40 Minuten plötzlich ganz still in der Ballei. "Nicht schon wieder; nicht nochmal das Knie", dürfte es Fans und Verantwortlichen durch den Kopf gegangen sein, als Fatos Kücükyildiz nach einem Zweikampf vor Schmerz schreiend auf dem Boden lag und sich das linke Knie hielt. In diesem noch jungen Jahr hatte es bereits Munia Smits und Amber Verbraeken am größten Gelenk schmerzhaft erwischt. Während sich die eine auf Krücken und die andere humpelnd durch die Ballei bewegten, folgte eine bandagierte Fatos Kücükyildiz ihren Teamkolleginnen nach dem Spiel zumindest aufrecht in die Kabine. "So wie ich es mitbekommen habe, sieht es nicht ganz so schlimm aus", gab Mart Aalderink nach dem Spiel leichte Entwarnung. Genaueres muss jedoch die MRT-Untersuchung am Montag ergeben.

Der einen Leid wurde dann dreieinhalb Minuten später zur anderen Freud. Weil die etatmäßige Siebenmeter-Schützin Kücükyildiz nun fehlte, bekam Rebecca Schäfer von Trainer Mart Aalderink eine knappe aber folgenschwere Anweisung: "Es war vorher nichts abgesprochen, er hat quasi gesagt 'Pullover aus und rein da'", bestätigte eine lachende Rebecca Schäfer nach dem Spiel. Schäfer, die normalerweise in der U23 spielt, bekam in ihren allerersten Bundesliga-Sekunden gleich die Chance zum großen Wurf. "Ich war schon sehr aufgeregt, habe mir aber gedacht: 'Niemand kann mir etwas übel nehmen, niemand erwartet etwas.' Und dann hab' ich ihn einfach reingemacht." Humorlos unter die Latte; 17:28; Auftrag erfüllt. Danach ging es umgehend zurück zur Bank und in den wärmenden Pullover.

Harte Arbeit zahlt sich aus

"Es war zu hundert Prozent eine Belohnung für ihre Leistungen in der Württembergliga", erklärte Mart Aalderink Schäfers Bundesliga-Debüt. "Sie ist immer da beim Training, bringt auch in den Spielen immer gute Leistungen und geht in der Mannschaft voran. Und deswegen hat sie sich das heute auch verdient, zum ersten Mal ein Bundesliga-Spiel zu absolvieren." Im vergangenen November hatte Schäfer bereits einige Freundschaftsspiel-Minuten mit der Bundesliga-Mannschaft im Rahmen des Vier-Nationen-Turniers in Tschechien gesammelt. Am Samstagabend durfte die Gelobte dann aber in der Schlussphase noch einige Minuten Erstligaluft schnuppern. "Mart hat mich am Montag im Training gefragt, ob ich mitspielen kann. Mir ging das Strahlen dann den ganzen Tag nicht mehr aus dem Gesicht", erzählte Schäfer mit demselben Strahlen wie fünf Tage zuvor. "Die sechs Minuten bleiben für immer und ich finde, wir haben am Ende wirklich nochmal gut gekämpft."

Das hatten sie tatsächlich. Doch abgezockte Bietigheimerinnen hatten mit einer knapp 75-prozentigen Wurfquote keine Chancen ausgelassen, die die Sport-Union, die ihrerseits zu viele eigene Fehler machte, am Samstagabend hätte ausnutzen können. So blieb nach dem 16. Spieltag einmal mehr die Erkenntnis: Bietigheim bleibt Bietigheim und Neckarsulm bleibt Neckarsulm.


Sport-Union Neckarsulm: Wachter (8 Paraden); Salamakha (3 Paraden) - Gomilar Zickero (1), Gorshenina, Bruggeman (4), Nooitmeer (2), Gautschi (4), Johannsen; Kücükyildiz (2), Schäfer (1/1), Lütke (1), Engel (7), Moser (1).

Erfolgreichste Werferinnen SG BBM Bietigheim: Julia Maidhof (9/3), Xenia Smits (7), Kelly Dulfer (6).

Schiedsrichter: Markus Kauth/André Kolb.

Siebenmeter: Sport-Union Neckarsulm: 1/1; SG BBM Bietigheim: 4/4.

Zeitstrafen: 3/1.

Zuschauer: 892.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben