Mit altem Rucksack zurück auf Los: Sport-Union steht vor einer Herkulesaufgabe
Die Niederlage der Neckarsulmer Bundesliga-Frauen in Solingen wirkt nach. Die Sport-Union muss vor der Herausforderung, in der Rückrunde regelmäßig zu punkten, nun erst einmal einen neuen Anlauf nehmen.

Es fühlte sich am Donnerstagabend zu vorgerückter Stunde in der Solinger Klingenhalle ein wenig an, wie wenn man beim Monopoly-Brettspiel gerade die falsche Ereigniskarte vom Stapel gezogen hat: "Gehen Sie zurück auf Los, begeben Sie sich direkt dorthin, ziehen Sie keine zwei Punkte ein."
Das 30:32 gegen Aufsteiger HSV Solingen-Gräfrath hatte etwas von Rückschritt. "Sechs Punkte wären nach der Hinrunde angesichts der Umstände okay gewesen", sagte ein sichtlich hadernder Trainer Thomas Zeitz nach dem Spiel, "aber vier Punkte sind zu wenig. Wir hätten sicherlich schon vor der WM-Pause den ein oder anderen Punkt holen können, heute hätten wir es aber gemusst." Seine Kollegen aus dem Trainerteam, Oliver Rieth und Mike Vogelgesang, waren sich nicht weniger frustriert einig: "Jetzt fängst du in der Rückrunde wieder bei null an." Zurück auf Los also.
Neustart vom vertrauten Tabellenende
Der Neustart bei Null bezieht sich freilich auf die tabellarische Ausgangslage, nicht auf die mannschaftliche Entwicklung. Während letztere in den vergangenen Wochen zweifellos zu sehen war, beginnt die Sport-Union in einer Woche in Metzingen ihre Rückrunde von dort, wo sie die Hinrunde die meiste Zeit über verbracht hat: vom Tabellenende.
Der Auftritt in Solingen, der spielerisch nicht überragend, eigentlich aber gut genug gewesen war, um ihn nicht verlieren zu müssen, sorgte für mächtig Frust. Gerade nach den Siegen gegen die HSG aus Bad Wildungen und Blomberg wähnte man sich im Sport-Union-Lager weiter, gereifter, sicherer.
Richtungsweisende Minuten in Hälfte zwei
Von Selbstsicherheit oder gar Überheblichkeit wollte niemand etwas wissen, das versicherten Spielerinnen wie Trainer. Doch die Last, der Druck und die Angst, die nach dem Sieg in Bad Wildungen abgefallen waren, waren in der Klingenhalle mit einem Mal wieder sehr präsent, als die Sport-Union zwischen der 45. und 49. Minute einen Vier-Tore-Vorsprung verspielte. Plötzlich gab es etwas zu verlieren.
Wie viel, das wurde nach Spielende beim Blick in einige Neckarsulmer Gesichter deutlich. Da kullerten nach der Niederlage hier und da sogar ein paar Tränen - was kein schlechtes Zeichen sein muss, zeigt sich doch daran, dass die Akteurinnen verstanden zu haben scheinen, was auf dem Spiel stand und um wie viel es auch in den nächsten Wochen und Monaten noch gehen wird.
Nooitmeer bemängelt alte Muster, Zeitz übt Selbstkritik
"Wir sind in der zweiten Halbzeit wieder in unsere alten Muster verfallen", bemerkte Spielführerin Sharon Nooitmeer nach dem Spiel niedergeschlagen. "Dann verlieren wir den Fokus und werden panisch. Gegen Blomberg und die Vipers ist uns das nicht passiert und ich verstehe nicht, warum das heute nicht geklappt hat." Die Mentalität, am vergangenen Sonntag noch einer der Trümpfe, war vier Tage später der Schwachpunkt. So schnell kann es im Sport gehen.
Thomas Zeitz wird daher einmal mehr als Aufbauhelfer gefragt sein. Er zog sich selbst nicht aus der Verantwortung und ärgerte sich im Nachgang der Niederlage in Solingen darüber, erst als das Spiel wieder unentschieden stand, von seinen Auszeiten Gebrauch gemacht zu haben: "Die hätte ich besser genommen, als wir noch mit zwei Toren geführt haben. Das war mein Fehler."
Konkurrenten gestärkt und nun wieder selbst unter Druck
Nun wartet in der Rückserie eine echte Herkulesaufgabe, die beim Blick auf die Hinrunde gleichfalls anspruchsvoll wie vermeidbar erscheint. Direkten Konkurrenten wie Zwickau, Halle und Solingen hat die Sport-Union die Punkte überlassen; man stelle sich nur einmal vor, sie hätte diese sechs Punkte mehr - und die Konkurrenz jeweils zwei weniger...
"Wenn du immer verlierst und verlierst und vielleicht auch noch den kleinen Rucksack der letzten Saison auf hast, den du nicht los wirst, dann bremst dich das", hatte Thomas Zeitz vor dem Spiel in Solingen gesagt und war eigentlich zuversichtlich, diesen Rucksack mitsamt seinem belastenden Inhalt inzwischen abgelegt zu haben. Nun ist er zwar nicht mehr so schwer wie noch zu Monatsbeginn, doch weg ist er definitiv noch nicht.
"Es gibt in der Rückrunde noch genug Chancen, aber es liegt an uns, den Kopf oben zu behalten und aus unseren Fehlern zu lernen", sagte Sharon Nooitmeer entschlossen, während ihr Trainer umgehend die Marschroute für die nächsten Wochen vorgab: "Aus den Spielen gegen Metzingen und Leverkusen müssen wir jetzt zwei Punkte holen. Mindestens."
Verletztenliste könnte bald etwas kürzer werden
Ein steter Begleiter der Sport-Union-Hinrunde war einmal mehr das Verletzungspech. Inzwischen gibt es zumindest für zwei von vier Langzeitverletzten Hoffnung auf eine baldige Rückkehr, wie Trainer Thomas Zeitz erklärt: Veronika Andrysková (Kreuzbandriss) hat das Okay der Ärzte erhalten, wird zeitnah ins Mannschaftstraining einsteigen und könnte im Februar erste Minuten im Neckarsulmer Trikot sammeln.
Agni Zygoura könnte nach ihren Achillessehnen-Problemen zum Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (10. Februar) wieder in den Kader rücken. Bei den komplizierten Faserrissen in der Patellasehne von Arwen Gorb hängt viel vom Behandlungs- und Heilungsverlauf ab. Eine Rückkehr-Prognose ist noch nicht möglich. Vasiliki Gkatziou (gelockertes Kreuzband und Meniskusprobleme) wird wohl, wenn überhaupt, erst im Saisonendspurt debütieren können.