Vanessa Fehrs Distanzwurf trifft Sport-Union Neckarsulm mitten ins Herz
Neckarsulmer Bundesligist kann sich für seine beste Saisonleistung nicht belohnen. Trainer Thomas Zeitz trifft 20 Sekunden vor Schluss eine fatale Entscheidung und hadert mit sich selbst.

"Tut mir Leid, Chef", sagte Thomas Zeitz mit leicht gesenktem Kopf im Vorübergehen zu Neckarsulms Vorstandsvorsitzendem Rolf Härdtner, "dass es heute nicht wenigstens zu einem Punkt gereicht hat". So niedergeschlagen wie am Samstagabend hatte man den Trainer der Sport-Union in seiner inzwischen siebenmonatigen Amtszeit im Unterland noch nie erlebt. Denn diese knappe 32:33 (19:17)-Niederlage seiner Sport-Union Neckarsulm gegen die HSG Bensheim/Auerbach tat weh. Richtig weh.
Zu gierig sei er am Ende gewesen, gab der 50-Jährige zu. Statt wenigstens einen Zähler mitzunehmen, riskierte Zeitz für zwei Punkte alles und stand am Ende ohne irgendetwas da. "Wir haben fast alles gemacht, was wir uns vorgenommen haben: Wir waren aggressiv und haben Gas gegeben. Die Mädels haben es gegen ein Top-Team fantastisch gemacht, daher tut das Ergebnis doppelt und dreifach weh - vor allem, wenn du am Ende selbst den größten Fehler gemacht hast", sagte Zeitz selbstkritisch.
Sport-Union spielt 60 Minuten lang auf Erstliga-Niveau
Bis in die Schlussminute hatte der Tabellenletzte aus Neckarsulm dem Tabellenzweiten aus Bensheim alles abverlangt. Nichts, absolut gar nichts, erinnerte mehr an den trostlosen Mittwoch-Auftritt in Bad Langensalza gegen den Thüringer HC.
Das, was die Sport-Union in der Ballei vor 1053 Zuschauern spielte, war über 60 Minuten Erstliga-Handball mit einer Erstliga-Einstellung, einer Erstliga-Trefferquote (64 Prozent) und einem erstligawürdigen Abwehrverhalten: Temporeich, beweglich, mit Variabilität zwischen Tiefenläufen, Kreis-Anspielen und Abschlüssen über die Außen sowie vor allem in Hälfte eins auch mit frühem Druck auf Gäste-Spielmacherin Kim Naidzinavicius und Ballverteilerin Sarah van Gulik.
Verbraeken möchte Positives mitnehmen
Nach 15 Minuten führte Zeitz' Team mit 10:9 - gegen den THC hatte es das Spiel zu diesem Zeitpunkt bereits verloren. "Es wäre schön, wenn ich wüsste, welchen Knopf wir da seit Mittwoch gedrückt haben, aber weder Olli (Rieth, Torhüterinnen-Trainer, Anm. d. Red.) noch ich können es uns erklären", sagte Zeitz auf die Frage nach dem immensen Leistungsumschwung innerhalb von drei Tagen. "Ich hoffe nur, dass wir das jetzt mal halten können."
Auch Amber Verbraeken, Vielspielerin auf Rechtsaußen und mit 80 Treffern inzwischen erfolgreichste Torschützin der Sport-Union, tat sich schwer mit einer Erklärung. "Es ist der Glaube an uns, den wir weiterhin haben", sagte die 21-Jährige, "so kurz nach Spielende tut das zwar richtig weh, aber ich denke, dass wir am Montag in der Spielbesprechung auf die guten Sachen zurückschauen und sie in die nächsten Spiele mitnehmen können".
Bensheims 5:1-Deckung schmeckt der Sport-Union nicht
Auf die gute Anfangsviertelstunde bauten die Gastgeberinnen auf, ließen sich auch von einzelnen Fehlern oder Gegentoren nicht verunsichern und zogen bis auf drei Tore davon.
Nach der Pause wurde das Spiel jedoch ausgeglichener, weil Gäste-Trainerin Heike Ahlgrimm auf eine 5:1-Deckung umgestellt hatte und Lucie-Marie Kretzschmar an der Spitze viele Passwege ihres ehemaligen Teams clever zustellte. Auch durch einige Schrittfehler machte sich die Sport-Union das Leben schwer - und ging beim Stand von 32:32 doch mit Ballbesitz in die letzten 35 Spielsekunden.
Thomas Zeitz will gewinnen - und verliert doch
Nun entschied sich Thomas Zeitz dafür, Torhüterin Lena Ivancok zugunsten einer siebten Feldspielerin zu opfern. Er wollte kein Unentschieden retten, er wollte gewinnen. "Das darf ich in der Szene aber nicht machen. Ich hätte den Punkt behalten müssen. Diese Entscheidung tut mir am meisten weh", resümierte er im Nachgang.
Denn rund 20 Sekunden vor Schluss fischte Abwehrspielerin Kretzschmar Nina Engel beim Zug zum Tor das Spielgerät aus der Hand. Der Ball landete bei HSG-Torhüterin Vanessa Fehr, die ihn gedankenschnell und präzise über das gesamte Feld ins leere Tor beförderte - 32:33. Engels letzter Wurf landete schließlich überhastet im Fangnetz.
"Wenn wir so spielen wie heute, dann haben wir noch genug Möglichkeiten, um Punkte zu sammeln, um in der Klasse zu bleiben; so dumm das jetzt klingt. Man hat heute gesehen: Wir sind noch nicht tot", gab sich Thomas Zeitz kämpferisch. Doch richtig aufmuntern konnte ihn an diesem Abend niemand mehr.
Sport-Union Neckarsulm: Ivancok (12 Paraden); Salamakha - Verbraeken (5), Engel (5), Hinkelmann (2), Nooitmeer (5), Bruggeman (1), Riner (3); Hoitzing (1), Smits (6), Pollakowski (3/3), Zygoura (1), Andrysková.
Erfolgreichste Werferinnen HSG Bensheim/Auerbach: Ndidi Agwunedu (8), Lisa Friedberger (7/3).
Schiedsrichter: Nicolas Jaros/Felix Thrun.
Siebenmeter: Sport-Union Neckarsulm: 3/4; HSG Bensheim/Auerbach: 3/3.
Zeitstrafen: 4/3.
Zuschauer: 1053.
Rund um die Sport-Union Neckarsulm
Im siebten Heimspiel überbot die Sport-Union zum vierten Mal in dieser Saison die selbstgesteckte Zielmarke von 1000 Zuschauern. Das lag jedoch nicht zuletzt am einmal in jeder Saison stattfinden "ASG-Tag", an dem rund 250 Fünftklässler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums mit ihren Eltern einer Einladung des Vereins gefolgt waren. Im Durchschnitt konnte die Sport-Union bislang 993 Zuschauer pro Heimspiel begrüßen - Platz vier in der Bundesliga.
Erstmals im Neckarsulmer Spieltagskader stand am Samstag Veronika Andrysková. Die 26-jährige Tschechin blieb nach ihrem Kreuzbandriss und anderthalb Wochen im Mannschaftstraining jedoch noch ohne Einsatzminuten.
Einen guten Start erwischte Fatos Özdemir am Freitagabend in Ungarn. Mit ihrem neuen Verein Békéscsabai Elöre NKSE, derzeit Vorletzter in Ungarns erster Liga, gewann die Spielmacherin ihr erstes Spiel mit 29:24 (11:13) gegen den Tabellenachten Alba Fehérvár. Die 31-Jährige steuerte in 24 Minuten sieben Treffer zum Erfolg bei.