Die Sport-Union Neckarsulm und der Geist von Talheim
Ein Sieg für die Moral und das Gemüt: Neckarsulmer Bundesligist sammelt gegen den Buxtehuder SV wichtige Punkte im Abstiegskampf. Der Grundstein für den Erfolg wird jedoch Tage vorher auf dem Haigern gelegt.

Was Yolanda Seijgers am 6. und 20. Mai zu tun gedenkt, war am Samstagabend nicht in Erfahrung zu bringen. Falls es ihr Kalender zulässt, sollte die Sport-Union jedoch darüber nachdenken, die Niederländerin zu den letzten beiden Heimspielen noch einmal in die Ballei einzuladen. Denn beim eindrucksvollen 26:21 (15:10)-Erfolg gegen den Buxtehuder SV fungierte Seijgers als formidabler Glücksbringer.
Entsprechend eilig hatte es Trainer Mart Aalderink nach dem Pressegespräch, sich bei Seijgers für ihr Kommen zu bedanken: "Ich muss los zu meiner Frau. Sie ist das erste Mal da - und muss jetzt vielleicht jedes Mal kommen", scherzte Aalderink und wollte seine bessere Hälfte nicht länger warten lassen.
Viele Faktoren tragen zum Neckarsulmer Sieg bei
Doch nicht allein die Unterstützung aus der Heimat hatte Mart Aalderink und seiner Mannschaft gegen den Buxtehuder SV zum fünften Saisonsieg verholfen, es war am Samstagabend so viel mehr. Allen voran die Einstellung der Mannschaft, ihr Rhythmus und ihre Zielstrebigkeit im eigenen Spiel, ihre Konzentration und Unbekümmertheit und nicht zuletzt auch die 821 Fans in der Ballei hatten dieses Spiel gewonnen. Und ja, auch die personell arg gebeutelten Gäste aus der niedersächsischen Hansestadt, die auf sechs Spielerinnen verzichten mussten, hatten ihren Teil dazu beigetragen.
Doch alles was aus Neckarsulmer Sicht zählte, war der Sieg. "Die zwei Punkte tun natürlich richtig gut, aber zufrieden bin ich noch nicht - weil die Arbeit noch nicht fertig ist. Wenn der Klassenerhalt da ist, dann bin ich zufrieden", sagte Mart Aalderink.
Mannschaft scheint Abstiegskampf verinnerlicht zu haben
Nina Engel hatte mit acht Treffern auf dem Papier den erfolgreichsten Abend verlebt, fühlte sich nach der Partie aber gar nicht als Spielerin des Tages. Es sei vielmehr die gesamte Mannschaft gewesen, die diese zwei so wichtigen Punkte eingefahren habe. Und doch stand die Noch-19-Jährige stellvertretend für das Neckarsulmer Spiel.
Die Unbekümmertheit, ihre mutigen Eins-gegen-Eins-Duelle, präzise Würfe, kollektives Verteidigen - nicht nur bei Engel, sondern auch bei vielen ihrer Mitspielerinnen schien am Samstagabend angekommen zu sein, welche Herangehensweise im Abstiegskampf vonnöten ist.
Mini-Trainingslager lässt Köpfe frei werden
Auf die Fahne schreiben durften sich diesen Erkenntnisgewinn Aalderink, Torhüterinnen-Trainer Oliver Rieth und Fitnesscoach Mike Vogelgesang. Das Trio hatte unter der Woche die Köpfe zusammengesteckt, um zu überlegen, wie man auf den letzten Metern der Saison bei der Mannschaft noch einmal Reize setzen könnte. Das Ergebnis war ein Mini-Trainingslager von Mittwoch bis Freitag in einem Freizeitheim in Talheim.
"Die Mädels waren nicht zu Hause, wir haben dort geschlafen, zusammen die Zeit verbracht, gemeinsam gefrühstückt, gekocht, gegrillt und ein Lagerfeuer gemacht", gab Aalderink Einblick in die Spielvorbereitung. Nur zum Training hatte die Gruppe Abstecher nach Neckarsulm gemacht. "Das Wichtigste war aber der Mittwochabend, als wir uns alle einmal richtig ausgesprochen haben. Da waren viele Emotionen dabei, aber jetzt weiß Jede von Jeder, welche Probleme es gibt - auch über den Handball hinaus."
Ohne Kreisläuferin, aber mit einem flexiblen Innenblock
Das offene Wort zeigte Wirkung. Es war unübersehbar, wie gelöst jede einzelne Spielerin auftrat. In der Abwehr war ein flexibler Innenblock aus Daphne Gautschi und Carmen Moser oder Engel und der starken Olga Gorshenina Trumpf, der die Buxtehuderinnen immer wieder zu Abschlüssen über Außen zwang, und damit auch für die wiedererstarkte Torhüterin Sarah Wachter spielte, die die Bälle von außen reihenweise abzuräumen wusste.
Im Angriff verzichtete Mart Aalderink in Ermangelung einer gelernten Kreisläuferin auf die Besetzung der Position, spielte mit vier Rückraumspielerinnen und hatte damit alles richtig gemacht. "Ich habe das schon oft in Holland auf diese Weise gespielt, aber man sieht das noch nicht viel hier in der ersten Liga", erklärte Aalderink. "Ich wusste, Buxtehude wird das auf jeden Fall nicht erwarten und von Anfang an hat es echt super geklappt."
Der Trainer ist stolz
Temposteuerung, Trefferquote, Rotationen, eine gute Anfangsphase - diesmal stimmte all das, woran es in den Vorwochen gemangelt hatte. Nach einer Viertelstunde übernahm die Sport-Union die Spielkontrolle und gab sie auch nicht mehr her, als ein zwischenzeitlicher Acht-Tore-Vorsprung wieder auf vier Treffer geschrumpft war.
"Heute hat Jede für Jede gekämpft. Deswegen bin ich so besonders stolz auf die Mannschaft", resümierte Aalderink und verabschiedete sich danach alsbald zu seiner Frau.
Sport-Union Neckarsulm: Wachter (12 Paraden); Salamakha - Gomilar Zickero (4), Engel (8/1), Mann (1), Gautschi (5), Moser (4), Johannsen (2); Ihlefeldt, Verbraeken, Gorshenina (1/1), Bruggeman, Lütke (1).
Erfolgreichste Werferinnen Buxtehuder SV: Charlotte Kähr (5), Teresa von Prittwitz (5).
Schiedsrichter: Julian Köppl/Denis Regner.
Siebenmeter: Sport-Union Neckarsulm: 2/3; Buxtehuder SV: 2/2.
Zeitstrafen: 3/2.
Zuschauer: 821.