Winter-Motocross in Heilbronn-Frankenbach: Vom Eisdilemma zum XXL-Spektakel
Das Winter-Motocross des MCC Frankenbach hat in 49 Auflagen alle Höhen und Tiefen erlebt. Premierensieger Hans Trinkner erinnert sich zur 50. Austragung an die Anfänge.

An alle Details kann sich Hans Trinkner nicht mehr erinnern. Kein Wunder, liegt sein großer Tag in Frankenbach doch inzwischen 56 Jahre zurück – da geht schon einmal das ein oder andere Detail verloren. Doch das sehr kalte Wetter, die schlammige Strecke und sein Triumph in der Klasse bis 50 ccm sind dem inzwischen 83-Jährigen noch sehr präsent.
Der Löchgauer ist der allererste, der am Pfauenhof ein Winter-Motocross gewinnt. 1969 war das. Andere (Motorsport-)Zeiten. Weil das WMX, wie die Veranstaltung des MCC Frankenbach in Cross-Kreisen genannt wird, an diesem Wochenende in seine 50. Auflage geht, lohnt sich ein Blick zurück.
Winter-Motocross in Heilbronn-Frankenbach feiert Jubiläum: Hans Trinkner meistert die schwierigen Bedingungen im Debüt-Jahr
Wo am Sonntag erweiterte Zuschauerränge und ein Feuerwerk geplant sind, ist am 19. Januar 1969 ein bisschen Schnee und vor allem sehr viel Schlamm. „Der Pfauenhof hatte aber schon damals den Charakter einer echten Motocross-Strecke und es gab auch schon eine kleinere befestigte Behausung“, erinnert sich Hans Trinkner.
„Und das Wetter kam mir damals gerade recht, weil die großen Fahrer unter diesen Bedingungen gegen mein leichtes Motorrad keine Chance hatten“, erzählt Trinkner, der bei rund 68 Kilogramm Körpergewicht und als Zündapp-Werksfahrer mit besten Voraussetzungen an den Start geht. 1200 Zuschauer sind bei der Premiere und dem „meisterhaften Motorsport im wahren Schlamm- und Eisdilemma“ (Heilbronner Stimme, 20. Januar 1969) zugegen.
50. Ausgabe des Winter-Motocross in Frankenbach: Das Motorrad ist wichtiger als die Mädels
Hans Trinkner ist damals Lokalmatador und Top-Fahrer zugleich. Im Jahr zuvor ist der gelernte Automechaniker im ersten Jahr als Zündapp-Werksfahrer gleich Europameister (bis 75 ccm) geworden, im September 1969 gewinnt er mit dem Team der Bundesrepublik die Silbervasen-Wertung bei der Internationalen Sechs-Tage-Fahrt.
„Das war für mich schon eine besondere Zeit. Während meine Freunde alle mit Mädels unterwegs waren, war ich nur auf dem Motorrad“, sagt Trinker und lacht. „Damals gab es jeden Samstag irgendwo in Baden-Württemberg eine Veranstaltung, bei der man fahren konnte. Und mit meinem Schwager habe ich sogar am zweiten Weihnachtsfeiertag am Stromberg trainiert.“

Winter-Motocross in Heilbronn-Frankenbach: Trinkners zweite Karriere im Renault-5-Elf-Pokal
In Frankenbach nutzt er die Strecke vor dem ersten WMX beinahe wöchentlich zu Trainingszwecken. Die Kontakte sind daher schon geknüpft, als die Veranstalter um Rennleiter Rolf Mössinger ihn zur Cross-Premiere einladen. Es bleibt allerdings Trinkners einzige Teilnahme am Winter-Motocross. Im Folgejahr beendet er nach dem zweiten Platz bei der Sechs-Tage-Fahrt in Spanien seine zehnjährige Motorrad-Karriere.
Mitte der 1970er-Jahre ist Trinkner dann aber doch noch einmal für zwei Jahre motorsportlich aktiv. Auf vier Rädern. Seine Renault-Vertretung in Löchgau macht es möglich: Beim legendären Renault-5-Elf-Pokal ist er 1974 einer der Fahrer der ersten Stunde. Das Bild, wie sich sein grünes 55-PS-Gefährt mit der Drehstabfederung und auf Slicks in der Sachs-Kurve des Hockenheimrings überschlägt, gehört zu den bekanntesten der Kult-Rennserie.
Winter-Motocross in Heilbronn-Frankenbach: Adolf Weils Rekorde sind bis heute unerreicht
Dass Trinkner zwar nur einmal in Frankenbach startet, aber gleich zweimal gewinnt, ist dem Pensionär nach 56 Jahren gar nicht mehr bewusst. Denn nicht nur in der Klasse bis 50 ccm, sondern auch in der 125er-Kategorie ist Trinkner an jenem Januar-Sonntag nicht zu schlagen; der Stimme-Artikel von 1969 und die Siegerlisten des MCC lassen keinen Zweifel zu. In der größeren Klasse ist er gar der einzige, der angesichts der schwierigen Bedingungen überhaupt ins Ziel kommt. An das automatische Startgatter erinnert sich Hans Trinkner hingegen noch gut: „Das ist damals etwas Besonderes gewesen.“

Mit Trinkner als Zuschauer an der Strecke macht sich die Veranstaltung in den Folgejahren schnell (überregional) einen Namen. Schon im zweiten Jahr sind nationale Größen der Motocross-Szene am Start, darunter der 14-malige Deutsche Meister und spätere Vize-Weltmeister Adolf Weil aus Solingen, der mit neun Erfolgen noch immer Rekordsieger der Veranstaltung ist und die erste Hälfte der 1970er-Jahre dominiert. Das WMX, das mit den Jahren aus dem Januar (auch aufgrund von Überschneidungen mit dem Heilbronner Pferdemarkt) immer weiter nach hinten in den März rückt, entwickelt sich zu einem Pflichttermin für Motocross-Fahrer, die es als Testlauf für die beginnende Saison nutzen.
Lokalmatador Rolf Dieffenbach prägt die 1970er- und 1980er-Jahre beim Winter-Motocross
Fahrer wie der 2019 verstorbene Rolf Dieffenbach aus Widdern wachsen sogar mit der Veranstaltung. 1971 als 19-Jähriger und einziger Unterländer mit einer geliehenen Maico-Maschine am Start, gewinnt er vier Jahre später als Maico-Werksfahrer die 250ccm-Wertung. 1975 sind erstmals Fahrer aus dem Ausland dabei; bei über 7000 Zuschauern schreibt die Stimme von einer „Atmosphäre wie man sie auch bei großen Fahrerlagern um den Hockenheim- oder Nürburgring antrifft“. Mit 35 Jahren wird Dieffenbach 1987 nach zwei weiteren Erfolgen (1980, 1983) schließlich trotz Motorpanne noch einmal Fünfer mit einem 50 ccm-Motorrad.

1977 platzt der Pfauenhof schließlich aus allen Nähten. 120 Fahrer aus elf Nationen, ein neuer Zeitnahme- und Sprecherturm sowie erstmals befestigte Zugänge für die Zuschauer locken bei strahlendem Sonnenschein und 7 DM Eintritt über 8000 Motorsport-Begeisterte nach Frankenbach. Weltmeister Gaston Rahier gewinnt seinen ersten von drei Frankenbach-Titeln. In den 1980er-Jahren hat die Veranstaltung bereits eine Wertschöpfung von einer halben Million DM, 1985 messen sich unter anderem 19 WM-Teilnehmer im Heilbronner Nord-Westen.
Winter-Motocross: Schwere Phase in den 1990er-Jahren
Die 1990er-Jahre werden danach allerdings zu einem schweren Jahrzehnt für den Verein. 1988 und 1989 muss die Veranstaltung wegen Umbaumaßnahmen an der Strecke erstmals abgesagt werden. Danach fehlen trotz eines veränderten Austragungsmodus die Fahrer aus Übersee – und die Zuschauer. Der Etat sinkt. Zwischen 2500 und 3000 Zuschauer sind in diesen Jahren „nur“ noch dabei, obwohl das WMX 1994 das letzte freie internationale Rennen in Deutschland ist. Der Star der 1990er-Jahre ist Pit Beirer, der 1992 und 1997 gewinnt. 1999 sorgt Dauerregen für die erste ungeplante WMX-Absage überhaupt.
Wiedergeburt trotz Baumaßnahmen und Covid-19-Pause
Im neuen Jahrtausend rappelt sich das Winter-Motocross allerdings wieder auf. Gewinner aus dem Ausland prägen die Anfangsjahre, bevor sich nationale Größen wie Max Nagl, Ken Roczen und Dennis Ullrich regelmäßig in die Siegerlisten eintragen. 2018 sorgt eine Verzögerung beim Neubau des Vereinsheims dafür, dass es in Frankenbach ruhig bleibt. Von 2020 bis 2023 sind es dann die Covid-19-Pandemie und eine städtische Baumaßnahme, die keine Austragung zulassen. Nach fünf Jahren Pause ist das Comeback im Vorjahr dann aber ein umso größerer Erfolg. Über 4500 Zuschauer sehen 96 Fahrer aus 14 Nationen; Stimmung und Wetter sind bestens, der neue Austragungsmodus ein echter Gewinn.
Ein solcher waren der Frankenbach-Start und seine Motocross-Karriere einst auch für Autohaus-Besitzer Hans Trinkner. Zwar bekam er als Werksfahrer bei Zündapp auch „ein bisschen Geld“, um seine Reisekosten zu decken, „aber die Kundschaft kam auch, weil sie mich vom Motocross kannte“.
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